Ju Honisch (15.02.2016)

Interview mit Ju Honisch

Juhonisch lesung FielickeLiteratopia: Hallo, Ju! Unser letztes Interview hat schon einige Jahre auf dem Buckel – wie ist es Dir in der Zwischenzeit ergangen?

Ju Honisch: Oh, in einem Wort lässt sich das kaum erklären. Es gab Höhen, es gab Tiefen. Geprägt war mein Leben wie immer von dem emsigen Bemühen, Schreiben und Brötchen-Job, familiäre Unbotmäßigkeiten und Lesungstermine unter einen Hut zu bringen. Tatsächlich sollte es größere Hüte geben. Viel größere Hüte. Manchmal komme ich mir vor wie ein Fisch im Porridge.

Wenn ich irgendwann mal lernen kann, ganz ohne Schlaf auszukommen, dann wäre das für meine Produktivität ungemein nützlich.

Literatopia: Ende 2013 ist „Schwingen aus Stein“ erschienen. Welches Schicksal ereilt Deine Protagonistinnen Konstanze und Clarissa? Und was hat es mit der Bruderschaft des Lichts auf sich?

Ju Honisch: Konstanze und Clarissa sind auf der Flucht. Konstanze ist Erzieherin bzw. Privatlehrerin von Clarissa. Anders als man meinen möchte, ist Konstanze die Hauptheldin und nicht die noch recht junge Clarissa. Im Grunde möchte Konstanze ihren Schützling nur in Sicherheit bringen, das ist schon alles. Doch das stellt sich als schwierig heraus. Aus einer geplanten Reise, die Donau hoch und dann mit dem Zug nach München, wird eine wilde Jagd durch die novemberdunklen, wilden Gefilde des Bayerischen Waldes, in dem Kälte und Dauerregen die geringsten Übel sind. Es ist Konstanzes Unglück, dass aber auch jeder, der ihr vermeintlich helfen möchte, ein dunkles Geheimnis hat oder nachhaltig seine eigene Agenda verfolgt, die so gar nichts mit Hilfe zu tun hat.

Die Bruderschaft des Lichts – Fraternitas Lucis – zieht sich durch alle Bände meiner 19.-Jahrhundert-Reihe. Ich gestehe, ich habe ein persönliches Problem mit (gewaltbereiten) religiösen Fanatikern – egal welcher Ausrichtung. Und die Bruderschaft des Lichts vereint all die negativen Eigenschaften, die solche Leute ausleben, auf sich. Da ist die sklavische Ausrichtung nach einem nie hinterfragten Bedeutungskanon – eine Definition in "gut" und "böse", die nur ganz bestimmte Aspekte sieht. Die Zuordnung von Schuld ohne Reflexion der eigenen Unzulänglichkeit. Und das Austeilen von Sühne als Genuss an der Macht.

Kurz zusammengefasst: Die Mönche der Bruderschaft des Lichts sind durch und durch böse, nehmen aber für sich in Anspruch, das Gute zu vertreten und als quasi Einzige das Böse zu erkennen.

Literatopia: Welche finsteren Kreaturen begegnen Konstanze und Clarissa?

Ju Honisch: Von menschlichen bis hin zu nicht so menschlichen Personen machen Konstanze und Clarissa einiges durch. Da ist der ekelige Berufsverbrecher, der das schöne, junge Mädchen in seinem Bordell verheizen möchte, der riesige Wolf, der zwar mehr ist, als man meint, aber dessen erratisches Tierhirn nicht zu jeder Zeit weiß, wer Freund, wer Feind und wer Futter ist. Fängt schließlich alles mit "F" an.

Dann haben wir dann noch den Rabenmann, der schon gefährlich wäre, wenn er genau wüsste, was er eigentlich genau will. Doch er weiß es nicht – was ihn nicht eben verlässlich oder berechenbar macht. Einen ziemlich untoten Soldaten haben wir auch noch: einen Mörder und Vergewaltiger. Und drei Mönche von der Bruderschaft, die gerne wieder mal ein bis zwei Hexen verbrennen möchten, und wer das ist, da sind sie sich ganz sicher.

Die zwei Magier – Meister und Akolyth des Arkanen auf der Suche nach verlorenen Büchern – sind da fast schon harmlos. Aber nur fast.

Literatopia: „Schwingen aus Stein“ spielt, wie bereits andere Romane von Dir, im Bayern des 19. Jahrhunderts. Spielt der Roman nur im gleichen Setting oder gar in der gleichen Welt wie beispielsweise „Salzträume“? Sprich, könnten sich die Figuren theoretisch begegnen?

Ju Honisch: Sie könnten sich begegnen. Tatsächlich hängt die Handlung der Bücher ein wenig zusammen. In "Salzträume" kommen die Helden und Heldinnen von "Das Obsidianherz" wieder vor – einschließlich neuer Personen, die dann wieder in "Jenseits des Karussells" auftauchen. Und zwei Herren aus "Jenseits des Karussells" schaffen es wiederum in "Schwingen aus Stein". Würde ich in dieser Welt weitere Bücher schreiben – und wenn ich mal viel Zeit habe, tue ich das vielleicht – würden wieder schon bekannte Charaktere mit neuen Helden gemischt.

Literatopia: Mit „Die Quellen der Malicorn“ hast Du ein typisches Mädchenthema aufgegriffen: Einhörner. Aber vermutlich ist Dein Roman alles andere als rosarot? Was erwartet die Leser?

Ju Honisch: Das Thema kam ursprünglich nicht von mir. Der Heyne Verlag wollte "irgendetwas mit Einhörnern". Sie haben es nicht näher spezifiziert und haben vielleicht nicht genau das bekommen, was sie sich erhofft hatten. Vielleicht hatten sie an ein Mädchenpferdebuch mit Horn gedacht? Wer weiß? Nun, für Mädchenpferdebücher mit Horn bin ich nicht die richtige Autorin. Das können andere sicher besser. So bringen "Die Quellen der Malicorn" eben nicht die ganz typischen Glitzereinhörner auf die Wiese.

Man kann den Unterschied ganz gut feststellen, wenn man die unterschiedlichen Klappentexte vergleicht, die ich bzw,. der Verlag verfasst haben:

„Die Quellen der Malicorn“ – Mein Klappentext:

Krieg bricht aus in der Welt Talunys - nach Jahrhunderten des Friedens. Hier herrscht das kunstsinnige Gestaltwandler-Volk der Tyrrfholyn: friedliebende Einhörner. Im Kampf verschlägt es den unbesonnenen Sohn des Fürsten in die Menschenwelt - ins heutige Irland. Dort trifft er auf Una und nimmt sie mit zurück in sein Reich. Die talentierte, junge Menschenfrau mit dem ausgeprägten eigenen Willen findet sich in einer Welt wieder, in der ein grausames und gewissenloses Regime alles zu unterwerfen sucht, was es für fremd und minderwertig hält. Plötzlich ist Krieg mehr als nur Bilder aus weit entfernten Ländern. Jetzt geht es auch um Unas Leben und um das eines Mannes, der sehr viel mehr ist als - einfach nur ein Mann.

„Die Quellen der Malicorn“ –Klappentext des Verlags:

Die große Saga über die Magie der Einhörner

Überall nur langweilige grüne Hügel! So hat sich die achtzehnjährige Una Merkordt ihre Zeit nach dem Abitur nicht vorgestellt. Statt mit Freunden zu feiern, verbringt sie die Wochen bis zum Studium mit ihrer Mutter in Irland. Doch ausgerechnet hier geschieht Una etwas, das ihr Leben für immer verändern wird. Bei einem Radausflug zur St.-Caolán-Quelle taucht plötzlich ein junger Mann aus dem Wasser auf. Er stellt sich als Kanura vor und behauptet, auf der Flucht vor Feinden in die Welt der Menschen gekommen zu sein. (…)

quellen der malicornLiteratopia: Wer sind die „dunklen Gegner“ der Einhörner?

Ju Honisch: Die dunklen Gegner der Einhörner sind: Einhörner. Es ist wie bei uns Menschen. Unsere finstersten Gegner sind auch Menschen – und eben nicht kleine, grüne Wesen aus dem Krebsnebel. Sie sind wie wir, und das macht es schwierig für uns, nicht wie sie zu sein. Das klingt verworren, aber ich meine es so. Der Kern, der Nukleus des – nennen wir es mal – Bösen ist in uns allen. Kanura, Held und Einhorn der Geschichte, drückt es einmal so aus: „… niemand im ganzen Universum ist ausschließlich friedliebend, gütig und nett. Es zu sein, erfordert immer die Entscheidung, es sein zu wollen.“

Das durchbricht natürlich den etablierten Mythos des reinen, friedliebenden Einhorns, das einfach so ist, wie es ist, ohne sich zu einer moralischen Ausrichtung bekennen zu müssen. Meine Einhörner tun ihr Bestes, sind aber trotz allem Bemühen fehlbar. Und manche haben dieses Bemühen gar durch Arroganz und Selbstsucht ersetzt. Ihre magische Macht ist zur Gefahr geworden.

Literatopia: Das klingt ja sehr realistisch für ein phantastisches Jugendbuch. Wie sind die Einhörner inklusive Graustufen bei Lesern und Kritikern angekommen?

Ju Honisch: Nun, erst einmal: Es sollte kein Jugendbuch sein. Wunsch des Verlags war, eine Altersgruppe von 15 bis 75 anzusprechen. Ob das überhaupt geht, weiß ich nicht. Es scheint mir eher eine Marketing-Theorie als gangbare Praxis zu sein. Aber ich weiß, dass ich mich nicht hingesetzt habe, um explizit ein Jugendbuch zu schreiben.

Wie es angekommen ist? Es ist gut besprochen worden. Ich habe aber auch in einer Leserunde von einem Leser durchaus mal dafür Prügel bezogen, dass es nicht war wie "Das letzte Einhorn" von Peter S. Beagle. Herrn Beagles Buch ist wunderbar – und fast 50 Jahre alt. Ich weiß, es gibt Leute, die sich gern auf Trends draufsetzen und dann so in etwa das Gleiche schreiben, wie dieser oder jener Bestseller. Nach Harry Potter gab es auf einmal eine Flut von Zauberschulen. Und ich habe selbst auf der letzten Leipziger Buchmesse eine selbstverlegte Autorin mit eigenem Stand getroffen, die Bücher schrieb, in denen eine Heldin in Schottland durch ein Zeitloch in die schottische Geschichte fällt und da amouröse Abenteuer erlebt. Und nein, die Dame war nicht Diana Gabaldon.

Mein Anspruch war es nie, etwas zu schreiben, was schon da war. Heckwellen-Surfen ist nicht "mein Ding". Schade eigentlich. Das wäre einfacher, denn Verlage sind von "Neuem" immer verunsichert.

Vielleicht hätte der Verlag sich über eine Peter S. Beagle Neufassung gefreut. Vielleicht hatten sie das sogar erwartet – und dann kam ich mit meinen rassistischen Einhörnern.

Demnächst kommen meine Einhörner übrigens neu als E-Book raus. Im Moment gibt es noch keinen Link dazu. Der Text wird gerade neu redigiert.

Literatopia: Für „Wahre Märchen 2“ von Annie Bertram hast Du ein bekanntes Märchen neu interpretiert. Um welches handelt es sich und inwiefern unterscheidet es sich vom Original? Und wie gefallen Dir die Bilder zu Deiner Geschichte?

Ju Honisch: Ich hatte Aschenputtel zugeteilt bekommen. Darüber habe ich mich sehr gefreut, weil es so ein klassisches Underdog-Märchen ist. Ein bisschen sind wir alle Aschenputtel. Wir bekommen nur nicht alle immer unseren Prinzen – und wer weiß, wofür das gut ist.

Mein Aschenputtel teilt mit der Märchenvorlage, dass es die Mutter verloren hat, der Vater neu heiratet und sich zur Stiefmutter und einer (nur einer) Stiefschwester keine positive Beziehung aufbaut. Doch mein Aschenputtel ist nicht gottergeben, emsig und brav. Mein Aschenputtel zickt. Mein Aschenputtel ist mit dem Tod der Mutter in ihrer Pubertät steckengeblieben. Die junge Frau akzeptiert die Welt nicht so, wie sie ist. Sie will ausbrechen. Und irgendwie gelingt ihr das auch. Doch tatsächlich sollte man vorsichtig sein, was man sich wünscht. Prinzen können auch ihre dunklen Seiten haben – und ganz eigene Träume.

Es gab nicht so sehr Bilder zu meiner Geschichte wie die Geschichte zu den Bildern. Ich bekam sie geschickt und ließ mich von ihnen inspirieren, die passende Geschichte dazu zu schreiben. Das war nicht schwer. In gewisser Weise haben die dunklen Aspekte der Bilder die Handlung schon fast vorgegeben. Annie Bertram macht sehr ausdrucksstarke Fotos, und wenn man, wie ich, die "schwarze Zunft" der Goths und Steampunks mag, dann fühlt man sich in diesem Bildband sehr zuhause.

Literatopia: Für „Schwingen aus Stein“ hast Du den Seraph in der Kategorie „Bestes Buch“ gewonnen. Was bedeuten Dir solche Auszeichnungen? Und würdest Du sagen, Du bist dadurch bekannter geworden?

bisseJu Honisch: Ich habe mich sehr über den Seraph gefreut. Es ist eine Auszeichnung, die einem deutlich macht, dass es sich lohnt, das zu tun, was man tut, und es mit genau derselben Sorgfalt und Hingabe weiterzumachen.

Der Verlag klebt dann ein Etikett auf das Buch, das den Preis dokumentiert. Leider ist der Seraph bis heute nicht sehr bekannt. Er wird auf der Leipziger Buchmesse verliehen, und ich habe noch nie einen Vertreter der Presse bei der Verleihung gesehen. Dieselbe platte, bildungsbürgerliche Hybris, mit der das ganze Phantastik-Genre zu kämpfen hat, greift auch hier.

Wäre "Schwingen aus Stein" ein Buch eines großen Publikumsverlags, das gleich vorne im Sonderbereich der Buchhandlungen ausliegt und Käufern in die Augen springt, dann hätte der Preis vielleicht mehr Kaufentscheidungen herbeigeführt. Doch der Verlag Feder & Schwert ist ein eher kleiner – feiner – Phantastik-Verlag. Die Leser, die hier kaufen, wissen schon, was sie wollen. Sie kommen nicht ratlos in eine Buchhandlung mit dem Spruch "Ich such' da mal ein Buch für …".

Wobei der Seraph natürlich hilft, ist, sich bei den Verlagen zu vermarkten. Die Verlage wissen, dass der Preis kein Zufallsetikett ist, sondern nach strengen Regeln von einem ganzen Gremium an Spezialisten aus Verlagen, Agenturen und Literaten gekürt wird. So konnte mich mein Agent wieder bei einem großen Verlag unterbringen. Das war dann schon ein schöner, positiver Effekt.

Literatopia: Kürzlich haben wir davon gesprochen, dass es Dir schwerfällt, Dich selbst zu „vermarkten“. Was hat sich durch das digitale Zeitalter für Autoren verändert? Muss man heutzutage als Autor mehr leisten, als „nur“ ein Buch zu schreiben?

Ju Honisch: Man muss sehr viel mehr leisten – auch wenn man kein "Selfpublisher" ist. Früher hat ein Verlag einen Autor an der Hand genommen, die Werbung gemacht, die Lesungen organisiert. Dies passiert jetzt nur noch den großen Bestseller-Autoren. Sprich: Dan Brown würde verwöhnt. Die Autoren und Autorinnen der "Mid-List" müssen selbst ran.

Ich organisiere meine eigenen Lesungen, schreibe Veranstalter an, reise (oft genug auf eigene Kosten) hin. Ich mache mir meine eigenen Werbekärtchen, bemühe mich um Möglichkeiten, sie an den Mann zu bringen. Ich bin im Internet präsent. Ich habe eine Website. (Mein Blog befindet sich leider gerade im Umbau.) Ich versuche, aktiv zu bleiben. Manchmal ist das nicht einfach, aber man verschwindet sofort von der Bildfläche, wenn man es nicht tut.

Manchen macht das Spaß. Ich finde es manchmal durchaus anstrengend. Es ist wie - noch - ein zusätzlicher "Job". Zwei habe ich schon. Natürlich gehe ich gerne auf Lesungen – ich lese gerne und liebe den Austausch mit Lesern. Das ist immer ein Highlight. Aber die halbe oder ganze Stunde Lesen ist eben nur der Gipfel des Eisbergs. Davor steht die Anfrage, die Organisation, die Anreise, evtl. Hotelbuchung etc. Wenn man wie ich noch einen Brotjob hat, nimmt einem das alles zusätzlich Zeit zum Schreiben weg.

Es hat mir auch nie gelegen, allzu laut mich selber anzupreisen. Die Engländer haben da einen schönen Ausdruck "to blow one's own trumpet" – und so etwas tut man nicht. Oder tat man früher nicht; man kündigte sich nicht selber mit der eigenen Fanfare an. Tröttröttrööööt – hier komme ich, die Beste, Tollste, Schönste mit den spannendsten Büchern überhaupt, Tröttröttrööööt!

Es gibt Leute, die können das gut. Andere weniger. Ich gehöre leider zur letzteren Gruppe. Bisweilen kämpft man gegen die Unsichtbarkeit an, die einen zu umgeben scheint, denn je mehr man im Net unterwegs ist, desto mehr wird man eine von viel zu vielen. Dann sieht es so aus, als würden alle anderen das mit dem Selbstmarketing besser hinkriegen. Man wünscht sich, es wäre wie früher, und man müsste "einfach nur gut schreiben" und könnte den Rest den PR-Profis überlassen.

Literatopia: Woran liegt das, dass Verlage ihre Autoren heutzutage oftmals so allein lassen – zu viele Einsparungen? Oder lässt sich das der digitalen Entwicklung zuschreiben, die es einem heutzutage sehr einfach macht, sich selbst zu vermarkten?

karussell coverJu Honisch: Ich kann da nur spekulieren. Das "Book Biz" ist schwieriger geworden für uns alle –Autoren und Verlage - , kurzlebiger und sehr viel härter. Gerade im Genre setzen viele Verlage auf Masse. Sie kaufen vergleichsweise viele Manuskripte ein, die mit einem möglichst geringen finanziellen Aufwand veröffentlicht werden. Und dann heißt es "sink or swim". Was untergeht, verschwindet. Was aus welchen Gründen auch immer zum Renner wird, kommt dann irgendwann in die Klasse der Bücher, für deren Autoren man dann auch mehr tut.

Früher haben Verlage Autoren "entdeckt" und "aufgebaut". Vielleicht geschieht das noch in anderen Bereichen, aber im Phantastik-Genre ist das manchmal nicht ganz klar zu erkennen.

Es ist natürlich auch alles vielschichtiger geworden durch das Internet. Früher hat es eben gereicht, ein wenig klassische Werbung zu machen, ein paar professionelle Rezensenten oder Feuilletonisten anzuschreiben und eine Anzahl Verlagsvertreter loszuschicken, die den Buchhandlungen das neue Programm schmackhaft machten. In dem Maße, in dem sich das Kaufverhalten der Leser von der klassischen Buchhandlung weg und zum Internet hin bewegt hat, ist das Marketing sozusagen in Einzelteile explodiert.

Niemand kann mehr die Flut der Portale, Blogger oder sonstigen Social Media Möglichkeiten völlig abdecken. Egal wie gut sie sein mögen, es sind zu viele, um sie alle zu erfassen. Was immer man tut, der Zufall spielt eine zunehmend große Rolle darin, ob man wahrgenommen wird oder nicht.

Hallo, Zufall! Hörst du mich? Zufall! ZUFALL!

Literatopia: Glaubst Du, ein Autor, der keine Facebookseite hat, keinen Twitter oder Instagram-Account, keine eigene Website, und der sich nicht aktiv um Lesungen bemüht, hätte heute noch eine Chance?

Ju Honisch: Tatsächlich glaube ich das nicht. Selbst wenn man sich im Internet die Füße wund läuft und eine Phantastik-Veranstaltung nach der anderen anschreibt, um sich dort zu präsentieren, ist man immer noch eine von vielen.

Klappern gehört inzwischen zum Handwerk, und wer nicht klappert, verschwindet im Nichts.

Literatopia: Zu einigen Deiner Bücher gibt es Buchtrailer auf Youtube – hast Du diese selbst erstellt oder wer hat Dir dabei geholfen?

Ju Honisch: Den Trailer für "Bisse" haben wir – mein Mann und ich – gemeinsam gemacht. Er hat die Bilder und Hintergründe ausgewählt, ich habe Text und Musik komponiert. Er hat außerdem die Musik passend instrumentiert und das Ganze umgesetzt und hochgeladen.

Die Trailer von "Das Obsidianherz" und "Salzträume" waren eine Gemeinschaftsarbeit mit einer Bekannten, die damals kleine Buch-Trailer als Zusatzgeschäft anfertigte. Hier stammen auch Musik und Text sowie der größte Teil der Bilder von mir. Olga hat noch das eine oder andere Bild dazu gefunden und die technische Durchführung gemacht. Die Bilder sind alles klassische Gemälde bis auf das Bild von Arpad im Salzträume-Trailer. Das hat Beckett Gladney (http://artbeco.squarespace.com) eigens für mich gemalt, weil ich unter Tausenden von Gemälden des 19. Jahrhunderts nichts fand, was an Arpad erinnerte.

Im Moment bereite ich gerade einen Trailer für "Die Quellen der Malicorn" vor. Bislang steht die Idee, und die Musik ist als Konzept soweit durch, aber noch nicht aufgenommen. Mir fehlen auch noch ein paar schöne Irlandbilder z.B. von Giant's Causeway oder ein paar lauschigen Quellen. Interessanterweise besitze ich auch kein einziges authentisches Foto eines Einhorns.

Literatopia: Auf Deinem Blog schreibst Du, Du magst Science Fiction genauso gern wie Fantasy. Welche SF-Werke gehören denn zu Deinen Lieblingen? Und kannst Du Dir vorstellen, irgendwann einmal eine Space Opera zu schreiben?

Ju Honisch: Ich habe natürlich schon als Kind die "Klassiker" gelesen. Manche auch schon wieder vergessen. Letztes Jahr war eines meiner Lese-Highlights "The Martian" – ein Buch, das dann auch verfilmt wurde. Der Film war schön. Das Buch war absolut sensationell.

Allzu technische Science Fiction hat mich allerdings nicht so sehr angesprochen. Es musste immer ein persönliches Element mit dabei sein. Ich liebe die "Valour"-Reihe von Tanya Huff sehr (eine Art Space Troopers unter einer sehr toughen Sergeantin) und auch die Vorkosigan-Reihe von Lois Macmaster Bujolt. Im Moment lese ich mit großem Vergnügen John Scalzi.

Ob ich so etwas selbst schreiben würde? Warum nicht? Allerdings verkauft sich SF in Deutschland noch schlechter als Fantasy. Mein Agent wäre also vermutlich entsetzt, wenn ich sagte, ich wollte jetzt Science Fiction schreiben. Es ist ja schon schwierig, Fantasy-Manuskripte an die Verlage zu bekommen.

Literatopia: Du bist oft auf Conventions unterwegs. Was gefällt Dir dort besser im Vergleich zu großen Messen wie in Frankfurt und Leipzig? Und wo kann man Dich beispielsweise treffen?

Ju Honisch: Die Frankfurter Buchmesse ist für mich eher uninteressant – da bin ich nur, um Agent oder Lektorin zu treffen. Es gibt da wenig Interaktion zwischen Lesern und Autoren. Lesungen gibt es dort fast ausschließlich von den großen Mainstream-Verlagen bzw. irgendwelchen Celebrities. Die Frankfurter Buchmesse ist zudem Händlermesse, während die Leipziger leserorientiert ist.

Ob ich dieses Jahr auf der Leipziger sein werde, weiß ich noch nicht. Im Moment sieht es nicht so aus, als hätte mein Verlag einen der umkämpften Lese-Slots ergattern können. Und es ist einfach zu teuer, gerade mal so hinzufahren und dort zu übernachten – denn auch hier werden die Bestseller-Autoren mit Fahrtkosten und Hotel verwöhnt, während die kleineren die Kosten selbst tragen müssen.

Programm für dieses Jahr steht noch nicht ganz fest. Im März werde ich in Aschaffenburg auf dem CaveCon sein. Im Mai auf dem ColoniaCon und im Juli auf dem FeenCon in Bad Godesberg. Im August auf dem Fest der Fantasie. Möglicherweise später im Jahr in Leipzig, Münster und Hamburg. Das weiß ich noch nicht genau. Und natürlich auf dem BuCon in Dreieich – wenn alles klappt.

Literatopia: Kannst Du uns einen kleinen Ausblick auf zukünftige Projekte geben? Auf welches Buch von Dir dürfen wir uns freuen?

Ju Honisch: Gerade erst erschienen ist "Bisse", ein E-Book mit meinen bösen Geschichten. Das sind kurze Geschichten, die man mit ein bisschen Pressen und Quetschen in die Grusel-Ecke stellen kann. Demnächst kommt die E-Book Neuauflage von "Die Quellen der Malicorn" neu raus. Und Anfang 2017 erscheint "Seelenspalter", das erste Buch in einer Reihe von Fantasy-Romanen, die bei Droemer-Knaur verlegt werden. Hier handelt es sich um eine archaische und kriegsgebeutelte Welt ganz ohne Zwerge, Elfen oder Einhörner, die dennoch ihre Geheimnisse hat und vielleicht sogar etwas Ähnliches wie Magie. Das Folgewerk, das in der gleichen Welt spielt, aber keine direkte Verbindung zu "Seelenspalter" hat, habe ich gerade angefangen zu schreiben. Zwei weitere Manuskripte dümpeln noch auf meinem Rechner herum, und ich wünschte, sie könnten bald ein gutes Heim finden. Und ich habe inzwischen auch genügend Kurzgeschichten, um einen neuen Band zu füllen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Ju!

Ju Honisch: Ich danke Literatopia für das Interview!


Autorenfoto: Copyright by Brigitte Fielicke

Autorenhomepage: www.juhonisch.de 

Interview mit Ju Honisch (November 2009)

Rezension zu "Salzträume - Band 1"

Rezension zu "Schwingen aus Stein"

Buchtrailer:

"Das Obsidianherz"

"Salzträume"

"Bisse"


Dieses Interview wurde von Judith Madera für Literatopia gefüht. Alle Rechte vorbehalten.