Flavia de Luce - Eine Leiche wirbelt Staub auf (Alan Bradley)

 

Penhaligon (Februar 2016)
Broschiert
448 Seiten, 19,99€
ISBN: 978-3-7645-3112-6

Genre: Krimi


Klappentext

Alles Tote kommt von oben! Verbannt – so empfindet Flavia ihr Schicksal, als ihr Vater und ihre Tante Felicity sie auf ein Schiff nach Kanada verfrachten. Dort, in Toronto, soll sie Miss Bodycote’s Female Academy besuchen, das Mädcheninternat, an dem auch schon Flavias Mutter Schülerin war. Doch noch in ihrer ersten Nacht »in Gefangenschaft« landet ein unerwartetes Geschenk zu Flavias Füßen: eine verkohlte, mumifizierte Leiche, die aus dem Kamin in ihrem Zimmer purzelt – der Beginn einer Reihe von Nachforschungen, bei denen Flavia auf zahlreiche mysteriöse Vorkommnisse in Miss Bodycote’s stößt. Wenn es darum geht, Rätsel zu lösen, ist Flavia in ihrem Element – doch ihre wahre Bestimmung soll erst noch enthüllt werden … .


Rezension

Der sechste Band „Tote Vögel singen nicht“ endete mit einem Paukenschlag für den Leser, aber vor allem für Flavia. Denn während sie in Buckshaw, ihrem langsam verfallenden Herrenhaus, dem Mischen von Giften und Aufklären von Morden frönte und sich dabei unbeobachtet fühlte, wurde sie scheinbar nicht nur im Auge behalten, sondern auch gefordert, eben jenen Aktivitäten nachzugehen. Für den Leser endlich eine (teils) logische Erklärung, für Flavia hingegen ein echter Schock. Schlimmer noch, sie muss ihr Heim und ihre Familie und Freunde zurücklassen und nach Kanada reisen, wo sie Miss Bodycotes Höhere Mädchenschule besuchen muss. Ihre Mutter Harriet und ihre Tante Felicity waren bereits dort, um zu Spioninnen ausgebildet zu werden, und nun soll sich Flavia in diese Tradition einreihen.

Nach sechs Bänden und Morden im vermeintliche ruhigen Bishops Lacey und der Frage, wie viele Leichen die Reihe noch verträgt, bevor es wahrlich unrealistisch wird, hakte Alan Bradley gerade noch rechtzeitig das Kapitel ab und eröffnete sich und Flavia neue Möglichkeiten. Vom besinnlichen Dorf reisen wir nach Kanada – das sich allerdings kaum größer anfühlt als das englische Nest – und aus dem Krimi wird eher eine Spionagegeschichte. Es sollte ein neuer Start für die Bücherreihe sein, aber irgendwie geht die Rechnung nur begrenzt auf. Gleich an Tag eins purzelt eine mumifizierte, kopflose Leiche aus dem Kamin – wo sonst als in Flavias neuen Gemächern? Erneut schlägt der Zufall zu, um ein Mordopfer aus dem Hut zu zaubern. Warum all diese Umstände, dem Leben Flavias eine neue Richtung zu geben, wenn man im nächsten Moment genau dasselbe macht wie in jedem vorangegangenen Roman? Die Leiche jedenfalls ist erstmal schnell wieder aus dem Blick und wird lange weder im Roman noch von den Protagonisten erwähnt, ist ja kaum Zeit vorhanden, muss sie sich doch mit biestigen Mitschülerinnen rumschlagen. Tatsächlich sind diese neuen Charaktere – wenn man sie so nennen mag – das größte Manko des Buchs. In den Vorgängern war Flavia die gerissene, junge Dame unter den Erwachsenen, die sie nicht so richtig für voll nahmen und ihr deshalb zu viel verraten hatten. So erwachsen die meisten Nebenfiguren waren, so erwachsen war der Roman. Denn der ältere Leser verstand die Probleme und Beweggründe der schrulligen Figuren im Gegensatz zu Flavia, die zwar schlau aber auch kindlich unbehelligt ist. Eben jener Kontrast und die dennoch gut gemeisterte Glaubwürdigkeit, machten die Krimireihe zu dem, was sie ist – oder war. Doch plötzlich sind es zickige, obercoole, rauchende Mädchen mit denen sich Flavia rumschlägt im Alltag, was das empfohlene Lesealter, deutlich reduziert. Anstatt cleverer Dialoge gibt es wahlweise kindische Beleidigungen („Lass uns gehen, hier stinkt‘s.“) oder mysteriöse Anspielungen, weil die jungen Spioninnen, weder etwas verraten noch Fragen stellen dürfen. Auch die Lehrerinnen, sind kaum erwähnenswert. Die Schulleiterin Mrs. Frawlthorne hätte interessant sein können und wirkte wie eine Art Albus Dumbledore, ihr Potential wurde aber kaum genutzt.

Überhaupt hat sich offenbar Alan Bradley vom ersten Harry Potter Band inspirieren lassen. Flavia de Luce goes to Hogwarts: Sie besucht eine elitäre Schule. Sie ist wegen ihres Nachnamens bekannt wie ein bunter Hund. Ihre Mitschülerinnen beäugen sie teile bewundernd, teils mit Argwohn. Die Schulleiterin nimmt sie sofort unter ihre Fittiche und leitet sie in die richtige Richtung auf undurchschaubare Art und Weise. Und Überhaupt steht Flavia Großes bevor. Immerhin zaubert niemand. Das wäre dann wohl zu offensichtlich gewesen. Flavia bleibt bei ihren Leichen. Davon gibt es zunächst nur eine – die im Kamin – aber der Flurfunk erzählt sich Geistergeschichten von drei spurlos verschwundenen Schülerinnen. Ist eine von Ihnen die Mumie? Und wo sind die anderen Toten? Außerdem muss sich Flavia konstant fragen, wer auf ihrer Seite steht, wer sie nur testet und wer könnte ein Feind in den eignen Reihen sein? In der zweiten Hälfte kommt Flavia endlich dazu, ihren Forschungen nachzugehen und löst letztlich selbstverständlich den Fall. Dabei kommt fast so viel Lesespaß auf, wie bei den Vorgängern, aber der Weg dahin ist sehr verwirrend und unstrukturiert. Wohingegen der Mordfall selbst eher zu konstruiert wirkt. Außerdem werden zahllose Geheimnisse präsentiert, aber nur ein Bruchteil aufgelöst und auch die Auflösungen hinterlassen mehr Fragen, als sie beantworten. Das ist sowohl schade als auch untypisch für den Autor. Es sind jedoch die Epilog-Seiten, die den Leser am irritiertesten zurück lassen. Hat Alan Bradley beim Schreiben selbst gemerkt, dass Kanada eine schlechte Idee war oder warum dann das Ganze?


Fazit

„Eine Leiche wirbelt Staub auf“ ist bei weitem kein schlechter Roman, seit Band 1 aber definitiv der schwächste. Alan Bradley hat Großes in Aussicht gestellt, letztlich aber nur Altbewährtes geliefert. Dies aber mit schwachen Charakteren, flachen Dialogen und einem konstruierten Mordfall vermischt mit einer wirren Spionageanteil. Flavias sehnlichster Wunsch, nach Bishops Lacey zurückzukehren, kann nur geteilt werden.


Pro und Contra

+ Flavia de Luce
+ erneut ein schönes Cover
+ hat seine Momente

- massig offene Fragen
- konstruierter Fall
- wirrer Ausflug ins Spionagegenre
- schwache Charaktere
- keine gewitzten Dialoge

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5 


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