Unruh – Das Ticken des Uhrwerks (Mia Faber)

Art Skript Phantastik (Juli 2016)
Klappenbroschur
596 Seiten, 15,80 EUR
ISBN: 978-3-945045-05-3

Genre: Fantasy


Klappentext

Die Vergangenheit ist vergessen. Eine postapokalyptische Welt erstrahlt in magischem Glanz. Menschen leben und sterben, während das Uhrwerk tickt. Die Zeit läuft, auf dass Schülerin zu Meister findet, Freund zu Feind und Altes neu erstrahlt. Eine Ahnung von Zerstörung wird die Luft zum Atmen – und kein Stein bleibt auf dem anderen. Sayas Reise beginnt im Norden. Die junge Frau, geboren mit einem zahnradförmigen Mal auf der Stirn, soll die Möglichkeit zu einer Ausbildung als Hüterin erhalten. Sie erwartet Magie, Wissen und die Chance auf ein sicheres Leben. Doch bereits bei ihrer Ankunft empfängt sie ein Netz aus Intrigen und alten Feindschaften. Saya trifft ihren Meister, schließt Freundschaften und findet sich selbst bald im Trubel einer zerbrechenden Welt wieder. Wird sie das aufziehende Dunkel früh genug erkenne oder verschlucken die Schatten Saya, noch bevor sie ihre Fähigkeiten entdecken kann?


Rezension

Das Zahnrad auf dem Cover und der Untertitel „Ein Steamfantasy-Roman“ lassen eine Welt erwarten, in der Dampftechnologie und Magie parallel existieren, doch das Setting von Unruh mutet vielmehr spätmittelalterlich an: Es gibt nur primitive Technik, die wenigsten Menschen können lesen und die meisten sind Bauern und Handwerker, die sich auf der untersten Stufe einer starren gesellschaftlichen Hierarchie wissen. Doch rasch stellt sich heraus, dass es sich keineswegs um eine vom europäischen Mittelalter inspirierte Parallelwelt handelt sondern um ein Europa der Zukunft, dessen Bewohner bei dem mysteriösen „Ersten Ticken“ des „Großen Uhrwerks“ alles vergessen haben, was sie wussten. Das Wissen der alten Welt ruht vor allen Augen verborgen in den Wegsteinen – Bibliotheken, die sich, bewegt vom beinahe religiös verehrten Großen Uhrwerk, alle sieben Jahre öffnen. Aus den Reihen der privilegierten, mit magischen Begabungen geborenen Hüter werden Meister auserwählt. Sie sind die einzigen, die diese Bibliotheken betreten dürfen. Und sie sind es auch, die entscheiden, welches Wissen den Menschen zugänglich gemacht wird und für welches diese noch nicht bereit sind. Lange wird ihre Macht von kaum jemandem hinterfragt.

Doch die ehemalige Hüterschülerin Sitadejl ruft im Namen einer persönlichen Fehde das Volk zum Aufstand auf und stürzt das Land in Chaos. So muss die junge Hüterin Saya, die eben erst bei ihrem Meister Darmandres angelangt ist, nicht nur lernen, ihre Fähigkeiten zu meistern, sondern auch schon bald um ihr Leben kämpfen. Auf sie wartet auch die schmerzhafte Erkenntnis, dass bei den Hütern wenig ist, wie es scheint. Zusätzlich verkompliziert werden die Dinge durch die konfliktreiche, gemeinsame Vergangenheit vieler Figuren, in der die Wurzeln der Kämpfe der Gegenwart liegen. Leider gelingt es Mia Faber nicht, diese wirklich übersichtlich darzustellen und man ist als Leser oft verwirrt. Ein interessanter Aspekt des Buches ist das Geheimnis des schweigsamen, kontrollierten Darmandres: Wann immer Sayas Meister seinen negativen Gefühlen nachgibt, manifestiert sich sein dunkler Zwilling S’adeff. Zunächst wird der Leser dazu verleitet, die beiden als nahezu unabhängige Gegenpole von Gut und Böse zu betrachten, aber das letzte Drittel des Buches offenbart, dass ihre Charaktere und ihr Verhältnis zueinander doch differenzierter sind, als es anfangs den Anschein hatte.

Insgesamt ist die Figurenkonstellation komplex, geschickt angelegt und birgt viel Potenzial für interessante Konflikte. Nur leider sind die Figuren alle sonderbar blass und entweder eigenschaftslos oder auf einige wenige Eigenschaften reduziert, so dass ihr Schicksal den Leser, nahezu vollkommen unberührt lässt – trotz der vielen Extremsituationen und Beziehungsdramen, die sie durchleben. Allein das wirklich überraschende Ende ruft eine durchaus starke emotionale Reaktion hervor. Zusätzlich verstärkt wird diese Distanz zu einen leicht unausgereift wirkenden Stil. Insgesamt arbeitet die Autorin viel mit zusammenfassendem und erklärendem Erzählen, das kaum Bilder entstehen lässt. Statt den Leser Schlüsse aus den Handlungen der Figuren ziehen zu lassen, erzählt sie, was diese fühlen und was sie motiviert. Die sehr häufigen Perspektivwechsel sind nach einer kurzen Gewöhnungsphase jedoch kein Problem. Die Handlung ist dank überraschender Wendungen und Enthüllungen bis zum Ende unvorhersehbar, aber leider wirken viele dieser Wendungen ein wenig wie nachträgliche Einfälle.

Die aufwendige Gestaltung des Romans ist auch einer Erwähnung wert: Das auf den ersten Blick schlichte Cover ist mit einer filigranen Karte hinterlegt und das ganze Buch ist mit Zahnrad-Ornamenten und Kartenfragmenten verziert.


Fazit

Mia Fabers „Unruh – das Ticken des Uhrwerks“ liegen ein spannender, origineller Weltentwurf und eine interessante Figurenkonstellation zu Grunde. Leider machen eher blasse Charaktere, ein noch nicht zur Gänze ausgereifter Stil und eine Distanz schaffende Erzählweise es schwer, sich vollkommen in das Buch zu vertiefen.


Pro und Contra

+ Grundidee
+ überraschende Enthüllungen
+ unerwartetes und spektakuläres Ende
+ komplexes Verhältnis von Darmandres und S’adeff
+ schöne Gestaltung

- blasse Charaktere
- manche Wendungen wirken willkürlich oder sind verwirrend
- unausgereift wirkender Stil mit zu vielen erklärenden Einschüben

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5