Rezensionen im September (2016)

Liebe LeserInnen,

endlich ist er da – der heißersehnte Buchmessenmonat Oktober. Die Temperaturen lassen auch endlich an den Herbst denken und das Redaktionsteam freut sich schon jetzt auf ausgiebige Leseabende auf der Couch, eingewickelt in die Lieblingsdecke und eine Tasse heiße Schokolade vor sich. Doch bevor wir es uns mit den neuen Büchern bequem machen, wollen wir gemeinsam mit euch noch mal einen Blick auf den September und seine wichtigsten Titel werfen. Viel Spaß beim Stöbern in unseren Highlights!
 

 
Belletristik
 
In Connie Palmens Roman "Du sagst es" wird die Ikone, zu der Sylvia Plath in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt wurde, in das Format einer menschlichen Tragödie überführt. Der Ton, in dem Palmen ihre Romanbiografie erzählt, die konstruiert ist als einseitige, persönliche Analyse einer Beziehung durch Ted Hughes, ist überzeugend. Ein kraftvolles und lesenswertes Buch.
 
Historik
 
Christoph Hardebusch siedelt "Die Eiserne Krone" im Konstantinopel des ausgehenden Mittelalters während einer dramatischen Konfrontation zweier Welten an. Gut recherchierte Details, ein sympathischer Protagonist und eine spannende Handlung lassen über kleine Schwächen hinwegsehen.
 
Dark Fantasy
 
"Gemmas Visionen" ist eine Internatsgeschichte mit ausgeprägten übernatürlichen Elementen. Das historische Setting macht das Ringen der Protagonistinnen mit den starren gesellschaftlichen Regeln ihrer Zeit zu einem wichtigen Konflikt, doch in Libba Brays Roman geht es auch um Magie, Schuld und ein altes Geheimnis, dem die Figuren Schritt für Schritt näher kommen. Die Handlung schreitet nicht allzu schnell voran und der Stil ist eher schlicht, aber das Buch liest sich trotzdem flüssig, angenehm und unterhaltsam und macht neugierig auf den nächsten Teil.
 
"ungebrochen" von Juliane Seidel verwendet viel Zeit auf klärende Gespräche und erschütternde Wahrheiten, während sich das Netz aus Intrigen um Lily und ihre Freunde immer enger zieht. Spannung zieht die Geschichte vor allem aus dem Beziehungsgeflecht zwischen Lily, ihrem Magierfreund Silas, dem Vampir Radu und Schutzengel Adrian. Inzwischen fühlt man sich regelrecht heimisch in der Welt von Nachtschatten, was vor allem am regionalen Charme der Reihe und den facettenreichen Schutzengeln liegt.
 
Fantasy
 
Mit "Die Schwerter von Dara" hat Ken Liu ein beeindruckendes Epos voller Graustufen geschrieben. Über Jahre hinweg begleitet dieser eher ruhige Roman eine Vielzahl von Akteuren durch eine chaotische Zeit der Rebellion, in der plötzlich alles möglich erscheint. Die Inseln Daras mit ihrer Kultur und ihren Mythen bilden einen ebenso interessanten wie stimmigen Hintergrund.
 
Normalerweise gilt bei Trilogien der Mittelband als der schwächste, hier trifft dieses Gesetz leider mit großem Abstand auf den letzten zu. Der dritte Band "Die Königin der Flammen" von Anthony Ryans Rabenschatten-Trilogie hat kaum noch etwas vom Zauber der beiden Vorgänger und lässt jegliches Herzblut vermissen. Das Buch wirkt zwar routiniert, aber lieblos und unter Zeitdruck geschrieben. Unendlich schade, dass ein derart großartig begonnenes Fantasywerk so weit hinter seinen Möglichkeiten zu Ende gebracht worden ist.
 
Horror / Mystery
 
Wer sich bislang aufgrund des Umfangs nicht an Derek Landys Skulduggery Pleasant gewagt hat, bekommt jetzt eine neue Chance, in den Genuss seines vielgelobten Schreibstils zu kommen. Mit "Demon Road – Hölle und Highway" startet eine neue Reihe um eine Jugendliche, die bereits mit dem Auftakt süchtig nach mehr macht. Mit jeder Menge schwarzem Humor und einer sich teilweise fast überschlagenden Handlung wird der Leser gefesselt und auf höchstem Niveau unterhalten. Teilweise sehr drastische, nicht gerade unblutige Darstellungen sind vielleicht nichts für wirklich Zartbesaitete, doch ein Blick zwischen die Seiten lohnt sich in jedem Fall. Eine klare Leseempfehlung nicht nur für die angedachte Zielgruppe, sondern auch für erwachsene Leser!
 
Science Fiction
 
"Die 5. Welle" beschreibt eine Alien-Invasion der anderen Art. Clever und überraschend wie die Invasion selbst erzählt auch Rick Yancey die Geschichte der sechzehnjährigen Cassie, die sich in der verlassenen Welt aufmacht, um ihren kleinen Bruder zu finden. Dieser wird zur gleichen Zeit zu einem Soldaten ausgebildet, brutal und ohne Gnade. Trotz junger Protagonisten ist die Geschichte mehr als eine typische Teenager-Dystopie. Sie weist Tiefe auf, schafft es den Leser immer wieder zu überrumpeln und ist zugleich spitzig, witzig und ein wenig romantisch.
 
"Höllenflug nach Heaven’s Gate" ist der höchst unterhaltsame und wilde Auftakt der Frontiersmen-Reihe, die mit der gleichen Mischung aus Space Opera und Wild-West-Atmosphäre glänzt wie Firefly. Serienkennern wird das Herz aufgehen bei so vielen Parallelen, die sich regelrecht aufdrängen, weil es diese besondere Mischung viel zu selten gibt – Wes Andrews ist sie jedenfalls wunderbar gelungen!
 
Thriller
 
"Masterminds – Im Sog des Verbrechens" ist ein hochspannendes Jugendbuch, das seine jungen Protagonisten mit einer ebenso interessanten wie gefährlichen und schwierigen Situation konfrontiert. Gordon Kormans Roman mag vielleicht nur eingeschränkt realistisch sein, aber liest sich sehr unterhaltsam und macht neugierig auf die weitere Entwicklung der Figuren.
 
Mit "Schwarzes Herz" wird D.I. Helen Grace zu ihrem zweiten Fall geschickt. Im Vergleich zum Auftaktband der Reihe haben die Charaktere ein wenig an Substanz gewonnen und erreichen den Leser auf eine andere Weise. M. J. Arlidge ist mit seiner unorthodoxen Ermittlerin auf dem besten Weg, sich einen festen Platz in den Thriller-Regalen zu schreiben. Man darf gespannt bleiben, auf welche Abenteuer er seine alles andere als stereotypische Heldin noch schicken wird.
 
Krimi
 
Jack London (1876-1916), durch Abenteuerromane wie Der Seewolf und Der Ruf der Wildnis weltberühmt, konnte seinen Roman "Mord auf Bestellung" nicht mehr beenden. Dies übernahm Jahrzehnte später der Krimiautor Robert L. Fish. Entstanden ist ein ansprechender und anspruchsvoller Genre-Klassiker, der Kriminalroman mit Reflexionsprosa mischt, die wiederum ein weites Feld thematisiert, wie politische Ökonomie, die Moral von Attentätern, Gesellschaftsformen, Folgen der Industrialisierung und Zukunftsperspektiven, ohne dabei in lästige Klischees oder professorales Gehabe zu verfallen. Bei alledem ist die Handlung bestimmt durch Dialogstärke, packende Dramatik, überraschende Wendungen, Action mit hohem body count und kreative Morde.
 
Comic
 
"Das Schloss in den Sternen" ist wie ein Traum einer fernen Vergangenheit und entführt den Leser in eine phantasievolle Welt, von der man wünscht, dass sie nicht so fern wäre. Alex Alice hat erneut einen außergewöhnlichen Comic für alle geschaffen.
 
Ohne Pathos erzählen Xavier Dorison und Joel Parnotte eine Geschichte über Mut, Loyalität, Ehre und darüber, das zu tun, was richtig ist. "Der Waffenmeister" ist ein fesselndes Abenteuer in der unwirtlichen Bergwelt, in der alle Hoffnung vergebens zu sein scheint und doch gefunden werden kann.
 
Anime
 
Chaos Dragon legt einen hochemotionalen Start hin und verzaubert mit einer spannenden Fantasywelt, die historische Elemente mit Steampunk-Flair vereint. Ibuki steht eine wahrlich schwere Zeit bevor und noch lässt sich schwer abschätzen, wer wirklich zu ihm steht. Zudem bleibt abzuwarten, wer von den zahlreichen Nebencharakteren noch eine wichtige Rolle spielen wird.
 
Sachbuch
 
Erneut schafft es Metin Tolan, die Begeisterung für die Naturwissenschaften zu zeigen und dem Leser näherzubringen. Die "STAR TREK Physik" ist ein Buch für alle Nerds, Physikinteressierte und Naturwissenschaftsmuffel.
 

 
Ihr seht, es war wieder fast für jeden etwas dabei. Wem das noch nicht genug ist, der darf sich wie immer herzlich eingeladen fühlen, ausgiebig in unserem Rezensions-Archiv zu stöbern. Wir jedenfalls greifen jetzt zu den nächsten Neuerscheinungen, damit ihr auch im Oktober wieder zahlreiche fundierte Besprechungen bei uns findet.
 
Wir wünschen euch einen goldenen Oktober,
euer Literatopia-Team