Das Nest (Cynthia d’Aprix Sweeney)

Klett-Cotta (Dezember 2016)
Originaltitel: The Nest
Übersetzer: Nicolai von Schweder-Schreiner
Hardcover
410 Seiten, 19,95 EUR
ISBN: 978-3-608-98000-4

Genre: Belletristik


Klappentext

Melody, Jack, Bea und Leo sind Geschwister. Sie sind in ihren Vierzigern, stehen mitten im Leben und sie haben immer gewusst, sie würden eines Tages erben. Aber was, wenn die Erbschaft ausbleibt? Ein warmherziger, humorvoller und scharfsinniger Roman darüber, wie der Kampf ums Geld Lebensentwürfe und Familien durcheinanderbringen kann.


Rezension

Die vier Plumb-Geschwister haben ihr Leben lang gewusst, dass sie mit Mitte bis Ende Vierzig das Geld aus dem „Nest“ erhalten würden – dem Fond, den ihr Vater für sie angelegt hat und der seitdem stetig gewachsen ist. Doch dann verursacht der älteste Bruder Leo im Drogenrausch einen Unfall, der eine junge Frau einen Fuß kostet und seiner Frau einen Vorwand gibt, eine kostenspielige Scheidung in die Wege zu leiten. Das Geld dafür erhält er von seiner Mutter, die dafür auf das „Nest“ zugreift. Und plötzlich ist nur noch ein Bruchteil der Summe zu verteilen.

Das bringt gerade Jack und Melody in Schwierigkeiten, haben sie doch ihr ganzes Leben in der Erwartung geplant, das „das Nest“ all ihre finanziellen Probleme lösen und die Folgen so einiger Fehlentscheidungen (die sie ihren jeweiligen Partnern teilweise nicht gebeichtet haben) auffangen würde. Die Geschwister, deren Kontakt in den letzten Jahren eher lose war, sind gezwungen, sich zu treffen und zu überlegen, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen.

Die unangenehme Überraschung legt teilweise bloß, welche Fehler die Figuren begangen haben, aber zwingt sie auch, sich wieder miteinander, mit ihrem Leben und mit sich selbst auseinanderzusetzen. Man begleitet sie dabei und lernt sie gut kennen:

Der charmante, einst erfolgreiche Leo, der andere noch immer zu blenden versteht, hat nach Jahrzehnten ziellosen Dahinlebens Schwierigkeiten, sein Leben in den Griff zu bekommen, einen Job und Anschluss zu finden. Die von ihrer eigenen Kindheit enttäuschte Melody baut mit fiebrigem Eifer an ihrer ganz persönlichen Familienidylle und übersieht dabei, was ihre Töchter wirklich beschäftigt. Jack hat ein Geheimnis, das seine Beziehung zu seinem Lebensgefährten Walker bedroht. Beatrice, deren erste Veröffentlichungen ein großer Erfolg waren, aber die seit zehn Jahren nichts Vielversprechendes geschrieben hat, beginnt an sich zu zweifeln.

Aber man erfährt auch viel über andere Figuren, deren Leben auf vielfältige Weise mit dem der Geschwister verwoben ist. Obwohl auf die Perspektive von einigen Charakteren nur wenige Seiten verwendet werden, reichen diese doch aus, um ein einprägsames, aber trotzdem differenziertes Bild zu zeichnen. Nicht alle Figuren sind sympathisch, aber sie alle überzeugen, auch dank der präzisen Sprache und gut beobachteten Details, die einem ihr Auftreten, ihre Gedanken und Gefühle nahebringen.

Obwohl man durchaus sagen kann, dass „Das Nest“ für einige seiner Figuren gut ausgeht, sind nicht alle ihre Probleme auf wundersame Weise gelöst und einige von ihnen haben Dinge oder Personen verloren, die ihnen viel bedeuten. „Das Nest“ liest sich aber auch deshalb befriedigend, weil auch die Figuren, deren Situation am Ende deutlich schlechter ist, sich ihr nun als stärkere, reifere Menschen stellen (mit einer Ausnahme).


Fazit

Cynthia d’Aprix Sweeney erweckt mit ihrer flüssigen, präzisen Sprache nicht nur die Plumb-Geschwister, deren Leben durch den Verlust eines erwarteten Erbes gehörig durcheinander gewirbelt wird, sondern auch zahlreiche andere Figuren glaubwürdig zum Leben. „Das Nest“ ist ein gelungener, unterhaltsamer Roman.


Pro und Contra

+ sehr verschiedene, differenzierte und sich entwickelnde Charaktere
+ kluge Beobachtungen
+ schöner Stil

o sehr viele Handlungsstränge, von denen einige jeweils nur einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben einer Figur zeigen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3/5