Ein Meer aus Tinte und Gold (Traci Chee)

Chee T Ein Meer aus Tinte und Gold

Carlsen Verlag, 1. Auflage, Oktober 2016
Gebundene Ausgabe, 479 Seiten,
übersetzt von Sylke Hachmeister
17,99 Euro [D] | 18,50 Euro [A]  
ISBN-13: 978-3-551-58352-9

Genre: Fantasy


Klappentext

Seit dem Tod ihrer Eltern kämpft Sefia mit ihrer Tanta Nin ums Überleben. Aber dann wird Nin entführt und die einzige Spur zu ihr ist ein Buch: ein scheinbar nutzloser Gegenstand in einem Land, in dem fast niemand um die Existenz des geschriebenen Wortes weiß. Doch kaum berührt Sefia das makellose Papier, spürt sie eine magische Verbundenheit und lernt die Zeichen zu deuten. Das führt sie auf eine gefährliche Reise – und an die Seite eines stummen Jungen, der selbst voller Geheimnisse steckt.


Die Autorin

Traci Chee studierte Literatur und Kreatives Schreiben in Santa Cruz und San Francisco. Sie liebt Buchkunst, Kunstbücher und Gedichte, versucht sich aber auch im Klavierspielen und der Eiermalerei. Mit ihrem blitzschnellen Hund lebt sie in Kalifornien.


Rezension

Seit ihr Vater ermordet wurde, ist Sefia mit ihrer Tante Nin auf der Flucht. Als das junge Mädchen eines Tages aus der Stadt zurückkommt, muss sie mit ansehen, wie ihre Tante zuerst gefoltert und schließlich entführt wird. Die Übeltäter suchen das Buch, das Sefia im Rucksack trägt. Das Mädchen schwört, ihre Tante zur retten. Entschlossen macht sie sich auf die Spuren der Entführer. Auf dem Weg beginnt sie das Buch näher zu untersuchen, das sie seit Jahren mit sich herumträgt. Doch in Sefias Welt ist das geschriebene Wort ein Fremdkörper. Somit weiß auch sie am Anfang wenig mit den Worten anzufangen. Irgendwann erinnert sie sich jedoch an ihre Kindheit, als ihre Mutter ihr Buchstabenklötzchen schenkte. Mit der Erinnerung kehrt auch die Fähigkeit zurück, das geschriebene Wort zu verstehen. Nach und nach entdeckt Sefia das Buch – ein Sammelsurium an Geschichten, das kein Ende zu haben scheint. Während sie den Spuren der Entführer folgt, trifft Sefia eine Gruppe Verbrecher, die einen Jungen in einer Kiste mit sich führen. Kurzentschlossen befreit Sefia den Jungen. Zusammen beginnt das ungleiche Team eine erstaunliche Reise über Land und Wasser.

Selten kam ein Band so wunderschön daher wie Ein Meer aus Tinte aus Gold. Der Carlsen Verlag hat sich passend zum Titel für einen schimmernden Einband aus Gold entschieden. Auf dem Cover bilden feine Striche ein Meer. Darin schwebt das Buch, aus dessen Seiten treten ein Mädchen, ein Schiff und fliegende Buchstaben. Alles Inhalte, die die Geschichte prägen. Aber auch im Buch selbst gibt es Einiges zu entdecken: verbrannte Stellen, versteckte Hinweise. So wird das Lesen auch außerhalb der Geschichte ein spannendes Erlebnis.

Der Geschichte selbst hingegen fehlt es etwas an dieser Hingabe und Liebe. Traci Chee steigt nach einer kurzen Einführung direkt in die Handlung ein und stürzt den Leser in ihre Welt. Leider fehlt es dem Buch an einer Karte oder zumindest einem Glossar, und so steht man der Flut an Namen erst einmal etwas hilflos gegenüber. Nach einem knappen Einstieg wird Nin auch direkt entführt und der Leser ist mit Sefia allein. Eine Verbindung will sich dennoch kaum einstellen, da Chee mehrere Handlungsstränge aufbaut, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Während der erste Strang Sefia folgt, widmet sich der zweite der Ausbildung eines Bibliothekarlehrlings und der dritte wiederum, der komplett im Buch stattfindet, erzählt die Abenteuer eines Piraten. Zwar finden sich in allen Ebenen interessante Figuren und Ideen. Aber die beständigen Wechsel gehen auf Kosten des Leseflusses und der Spannung. Sie machen es zudem schwierig das Buch für eine längere Pause aus der Hand zu legen. Die vielen Geschichten benötigen auch so viel Raum, das für Details und längeres Verweilen bei einem Charakter kaum Zeit bleibt, dabei bieten sich faszinierende Persönlichkeiten an.

Sefia selbst bleibt relativ blass. Dies ist den vielen Handlungssträngen geschuldet, aber auch der Tatsache, dass Chee ihr wenig Raum widmet. Sefia wird nur durch ihre tragische Kindheit und ihre Suche nach Nin charakterisiert. Ansonsten ist sie recht emotionslos. Der stumme Archer an ihrer Seite, obwohl kein Erzähler, wirkt durch seine Mimik und Gestik lebendiger, teilweise allerdings überzeichnet. Es bleibt insgesamt wenig Zeit, um Sefia kennenzulernen, da die Autorin ihr rasch Archer und eine zarte Liebesgeschichte an die Seite schreibt. Unterhaltsamer dagegen sind die Abenteuer des Käpt‘n Lees, der mit seinem Schiff und seiner Crew ans Ende der Welt segeln will und dabei so manche Gefahr meistern muss. Chee hat dem Käpt’n eine bunt gemischte Crew zur Seite gestellt, der leider der Raum fehlt um sich zu entfalten. Vor allem der blinde erste Maat, der jede Planke des Bootes spürt und somit auf dem Schiff alles Geschehen auf seine Art und Weise erspüren kann, bietet ungeheures Potenzial. Dagegen ist die Geschichte um den dauerfrustrierten Lehrling Lon geradezu langweilig. Noch dazu, da sich diese Geschichte abseits von allem abzuspielen scheint. Auch Lon forscht an Büchern und entwickelt dabei besondere Fähigkeiten, die denen von Sefia nicht unähnlich sind. Wie all diese Stränge zusammenhängen wird jedoch erst am Ende klar, und das ist nach dem langen Vorlauf eher enttäuschend und zu rasch abgehandelt.

Chees Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Zwar schreibt sie sicher und flott. Allerdings übertreibt sie es mit ihrer Anschaulichkeit, indem sie den gleichen Sachverhalt durch unterschiedliche Formulierungen und sprachliche Bilder darstellt. Diese inhaltliche Redundanz wechselt mit einfachen, aber unterhaltsamen Dialogen und trägen Zwischensequenzen, die versuchen die Welt zu erklären. Zwischendurch blitzt ein Märchenstil auf, der sich allerdings nicht manifestieren kann.


Fazit

Ein Meer aus Tinte und Gold ist die sprichwörtliche Katze im Sack. Von außen wunderschön, ein wahres Schmuckstück im Regal. Der Inhalt indes wird seinem Einband nicht gerecht, grenzt sogar an enttäuschend. Die junge Sefia versucht in einer Welt ohne Schrift mit Hilfe eines Buches ihre Tante zu finden, wobei sie von einem stummen Jungen unterstützt wird. Trotz spannender Grundidee und tollem Weltkonzept gelingt es Traci Chee nicht den Leser in ihre Welt hineinzuziehen. Eine Flut an Namen, Handlungssprünge, zu viele Charaktere und ein schwaches Ende trüben den Lesespaß.


Pro/Contra

+ Idee
+ Weltentwurf
+ Charakterdesign
+ Coverdesign
+ Gestaltung des Buchinneren

o Redundanter Schreibstil

- Charakteren fielt Tiefgang, insbesondere Sefia
- zu viele Ebenen stören den Lesefluss und den Spannungsaufbau
- Ende ist zu knapp und inhaltlich ereignislos

Bewertung: sterne3

Charaktere: 3/5
Handlung: 3,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 2/5