Smoke (Dan Vyleta)

Verlag: carl’s books (13. März 2017)
Broschiert: 624 Seiten, € 16,99
Sprache: Deutsch
Originaltitel: Smoke
ISBN-13: 978-3570585689

Genre: Fantasy


Klappentext

Wie sähe eine Welt aus, in der jede Sünde, jeder dunkle Gedanke sichtbar wäre? Smoke entführt den Leser in ein England vor hundert Jahren, in dem jede Verfehlung mit Rauch bestraft wird, der dem Körper entweicht. Auch Thomas und Charlie, Schüler eines Elite-Internats, werden immer wieder durch Rauch-Attacken gebrandmarkt, wenn sie den strengen Schulregeln nicht genügen. Doch dann finden sie – fast zufällig – heraus, dass die Gesetze des Rauchs längst nicht für alle gelten. Wieso gibt es böse Menschen, die nicht von Ruß befleckt sind? Und welche Rolle spielt der Rauch bei den sozialen und politischen Umbrüchen ihrer Zeit? Auf der Suche nach der Wahrheit begeben sich die Freunde auf eine dramatische Reise voller riskanter Abenteuer und düsterer Intrigen und rufen damit schon bald mächtige Feinde auf den Plan ...


Rezension

England gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts, eine Parallelwelt, hier hat der Ausdruck ‚jemand raucht‘ eine völlig neue Bedeutung. Bei jeder schlechten Handlung, sogar schon bei bösen Gedanken, beginnen die Menschen, Rauch auszuatmen, je finsterer die Taten desto schwärzer der Rauch. Und er hinterlässt überall seinen Ruß.
Alle Menschen rauchen von Geburt an, bei Kindern wird es bis zum elften Lebensjahr auch toleriert. Dann jedoch beginnt für den adligen Nachwuchs der Ernst des Lebens, denn Mitglieder der herrschenden Oberklasse sind gottgegeben-rein und rauchen nicht, was bedeutet, es muß ihnen, egal mit welchen Methoden, aberzogen werden.
Thomas und Charlie stammen beide aus feudalen Familien und besuchen ein Eliteinternat, wo sie in allererster Linie lernen müssen, ihren Rauch unter Kontrolle zu halten, beziehungsweise ihn ganz abzustellen. Dabei entdecken sie, dass sich der Rauch ziemlich unberechenbar zu verhalten scheint und eine Menge Fragen aufwirft, die offenbar systematisch totgeschwiegen werden. Auf der Suche nach der Wahrheit entwickelt sich ihre Reise, die sie zunächst als spannendes Abenteuer betrachtet haben, sehr schnell zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit ...

Bereits das Buchcover ist wunderschön anzuschauen und liegt mit seiner angerauten Oberfläche, die ein bisschen den Eindruck von altem Leder vermittelt, überaus angenehm in den Händen. Damit wäre die Lesefreude zusätzlich geweckt, aber hält der Inhalt dann auch, was das Äußere verspricht?
Völlig unvermittelt wird der Leser in die Handlung geworfen und bekommt eine Kostprobe der drakonischen Sitten innerhalb eines Internats, der komplizierten Hackordnung der Schüler untereinander und den Demütigungen, denen man als einer der Schwächeren ausgesetzt ist.
Geschickt werden dabei sowohl der Pro- als auch der Antagonist definiert, darüber hinaus erhält man einen ersten Überblick, was es mit Rauch und Ruß in dieser Welt auf sich hat.
Wer jetzt einen Harry-Potter-Klon befürchtet, kann erleichtert aufatmen, denn ‚Smoke‘ ist vollkommen anders. Im Mittelpunkt stehen, verpackt in viel Metaphorik, die Fragen nach Wahrheit und Lüge, nach gut und böse, nach Machtausübung und moralischen Ansprüchen – und welche Instanz überhaupt das Recht hat, all das zu definieren.

Etwa das erste Drittel liest sich überaus gelungen, man beginnt, sich im Setting einzurichten und sich dort auch zurecht zu finden. Das Tempo ist zwar überaus gemächlich, doch die vielen, neuen und sehr bildgewaltig geschilderten Eindrücke eines im Ruß erstickenden, spätviktorianischen Englands, die da auf den Leser einprasseln, machen das locker wieder wett. Zunächst jedenfalls, denn unglücklicherweise driftet der Plot im weiteren Verlauf kontinuierlich in eine Art von mehr oder weniger chaotisch zusammengestückeltem Durcheinander ab, das gerne dann entsteht, wenn ein Autor zu viel gewollt hat.

Die Erzählperspektive wechselt zwischen den Hauptcharakteren, und darin noch zusätzlich zwischen der ersten und der dritten Person. Auf diese Weise ist man als Leser einerseits der Beobachter, kann zum anderen aber eine engere Beziehung zu den Figuren aufbauen. Doch Handlungen und Reaktionen der Charaktere verlieren fortlaufend an Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit, wodurch leider auch die Empathie zu ihnen auf der Strecke bleibt. Zudem schafft es der Autor nicht, seine Figuren zu vertiefen, sie flachen im Gegenteil stetig ab, geraten blasser und unpersönlicher. Wahrscheinlich war genau das beabsichtigt, denn die Schicksale der einzelnen Personen sind hier eher Mittel zu Zweck und dienen in erster Linie dazu, die oben aufgeworfenen Fragen zu ergründen und die Kernaussage des Romans, dass nun einmal beide Seiten zum Mensch-Sein gehören, zu untermauern. Trotzdem verliert die Story dadurch ihre Homogenität, die Balance gerät in eine Schieflage, von der sie sich nicht mehr erholt. Der Rauch und seine Bedeutung drängt immer weiter in den Vordergrund, doch für einen Gegenstand von derart zentralem Belang werden dazu selbst unter dem Blickwinkel der verwendeten Metaphorik zu wenige Fragen beantwortet und bleiben zu viele Unklarheiten offen,.

Vyletas Schreibstil bricht gleich einer gewaltigen Bilderflut über den Leser herein, ist dafür aber oft hart an der Grenze zur Weitschweifigkeit (und nicht selten auch darüber hinaus):
"Weiß und friedlich breitet sich das Land vor ihnen aus. Die Sonne geht auf, entzündet den Schnee. Hecken heben sich gegen das Glühen ab, zerteilen die Täler in unregelmäßige Parzellen, in die die scharfen, schwarzen Schatten der Bäume ragen, nackt und vogellos."
Diese Art der Schilderung zieht sich durch das gesamte Buch, haucht jeder Szene augenblicklich Leben ein und setzt die Fantasie des Lesers in Gang. Allerdings muß man so etwas mögen, den anderenfalls kommt man nicht über die ersten zehn Seiten der Story hinaus.
Auch Actionfans werden hier nicht wirklich auf ihre Kosten kommen. Die Geschichte liest sich zwar hochinteressant, bekommt gleichzeitig aber das Kunststück fertig, kaum richtige Spannung aufleben zu lassen.
Der Schluss fügt sich dafür sehr folgerichtig in den Plot ein; ob man mit ihm zufrieden ist, muß jeder für sich selbst entscheiden.


Fazit

Mit seinem steampunkig angehauchten Fantasyroman "Smoke" hat Dan Vyleta ein zweifellos außergewöhnliches Werk in anspruchsvoller Thematik erschaffen, welches leider doch ein ganzes Stück hinter seinen Erwartungen und Möglichkeiten zurückbleibt. Für Freunde des Genres, die sich gerne weiter abseits des Mainstreams umschauen, ist der Roman dennoch einen näheren Blick wert.


Pro & Kontra

+ genial-neue Idee
+ hochinteressant
+ sprach- und bildgewaltig
+ atmosphärisch und sehr stimmungsvoll
+ schön aufgemachtes Cover

o weitschweifiger, sehr ausgeschmückter Schreibstil, muß man mögen
o sehr gemächlich, Handlung kommt nur langsam in Gang

- Charaktere bleiben zu blass
- es gibt einige Widersprüchlichkeiten
- ab der Hälfte schlecht ausbalanciert
- wenig echte Spannung
- Diverse Fragen bleiben offen
- gegen Ende zu viel gewollt

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5

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