Das Bitcoin-Komplott (Andreas Brandhorst)

brandhorst bitcoin komplott

Fischer, 2022
Klappbroschur, 608 Seiten
€ 17,00 [D] | € 17,50 [A] | CHF 26,90
ISBN 978-3-596-70719-5

Genre: Thriller


Rezension

Die Welt steht vor einer Wirtschafts- und Finanzmarktkrise bislang unbekannter Dimension. Der britische Finanzexperte Francis Forsythe ist Leiter des Thinktanks Amethyst Prognosis und einer Gruppe von fünf Männern und zwei Frauen, die sich die Sieben nennt. Die Gruppe arbeitet vordergründig an der Rettung der Weltwirtschaft. Tatsächlich aber verfolgt sie andere Ziele, will das internationale System von Zentralbanken entmachten und Bitcoin als neue globale Leitwährung durchsetzen. Zur Erlangung der Kontrolle über das Bitcoin-System brauchen sie Satoshi Nakamoto, den Entwickler von Blockchain und Bitcoin, dessen Identität unbekannt ist. Es gibt jedoch Kräfte, die das das Vorhaben der Sieben verhindern wollen.

Der Journalist und Autor Martin Freeman ist auf der Suche nach einer Erklärung für den tödlichen Unfall seiner Eltern vor vier Jahren. Sein aktuelles Arbeitsvorhaben ist ein Buch über die Kryptowährung Bitcoin. In diesem Zusammenhang versucht er an Satoshi Nakamoto heranzukommen. Vincent Moreau, ein früherer Geschäftspartner seines Vaters, übermittelt ihm eine SD-Karte, für deren Entschlüsselung er jedoch Hilfe benötigt. An dieser SD-Karte haben auch andere Personen Interesse. Martin gerät durch die Arbeit an seinem Buchprojekt mitten in das Verschwörungsgeschehen der Sieben.

In Andreas Brandhorsts neuem Roman Das Bitcoin-Komplott tauchen ein paar bekannte Namen auf. Der britische Schauspieler Martin Freeman ist in der Hauptrolle besetzt. In Nebenrollen wirken der New Yorker Schauspieler und Filmemacher Anthony Wilkinson mit, der französische Fußballer Leó Claude Dubois als Kommissar Claude Léon Dubois, der US-Filmkomponist David Dean Freeman spielt unter seinem Klarnamen Martins Vater, die Niederländerin Fleur van Leeuwen, eigentlich Menschenrechtlerin, hat unter ihrem Namen Auftritte als Martins Freundin, die sich als Hackerin Dakota nennt. Die Hackergruppe Tron verweist auf den gleichnamigen SF-Film von 1982 und auf Tron (TRX), ein chinesisches Projekt aus dem Jahr 2017, eine auf Unterhaltung ausgerichtete Blockchain- und Content-Sharing-Plattform.

Die Figuren in diesem Roman sind eher nicht sympathisch, verfolgen im Grunde nur kalt persönliche Ziele. Es ist vielleicht keine Person vorhanden, die zur Identifikation geeignet ist und die Leser*innen durch die Handlung führt, die aber auch nicht durch Charaktere getrieben ist. Martin Freeman ist Milliardenerbe und vermehrt das Vermögen als Trader. Das bringt zwar noch mehr Geld als er ohnehin nicht für Konsum ausgeben kann. Aber es macht ihn nicht zufriedener. Seine Schwester Jasmin sagt einmal, Martin möchte gerne jemand anders sein: ein berühmter Autor. Im Gespräch mit Vincent Moreau bezeichnet er sein im Entstehen begriffenes Sachbuch über den Bitcoin als sehr wichtig. Er will erklären, warum der Bitcoin die neue Leitwährung der Welt werden wird, und er will Satoshi Nakamotos Identität enthüllen. Das erste Argument ist spekulativ, das zweite ein Problem, weil niemand die Identität des Bitcoin-Entwicklers kennt. Es wird sogar gemutmaßt, dass ein Mann dieses Namens gar nicht existiert.

Andreas Brandhorst erzählt zeitlinear mit wachsendem Handlungstempo und wechselnden Perspektiven. Die Kapitel sind mit dem Namen der jeweiligen zentralen Figur überschrieben. Es geschehen Dinge zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten, weshalb es Ortswechsel gibt, durch die die vernetzte Handlung besser sichtbar wird. Zwischendurch gibt es kleine Exkurse in die Welt der internationalen Finanzmärkte. Die Exkurse sind jedoch Bestandteil von Dialogen, weshalb sie das zunehmende Erzähltempo nicht ausbremsen. Zu Beginn liest sich der Roman geheimnisvoll, was durch die häufigen Perspektivwechsel verstärkt wird. Das personale Netzwerk wirkt anfangs klarer als es ist, aber im Verlauf der Erzählung gelingt es zunehmend, die Beziehungen besser zu verstehen. In Teilen extrapoliert die Geschichte den Stand der Technik. 

Das Streben nach Weltherrschaft zeichnet die Gruppe aus, die aus sieben Personen besteht. Wir erinnern uns an Tolkiens Zwerge, die die sieben Ringe der Macht, von den Elbenschmieden unter Saurons Anleitung geschmiedet, nur zur Vermehrung ihres Reichtums gebrauchten. Einer der Ringe ist ein Amethyst, der unter anderem bei Warcraft und in der Esoterik eine Rolle spielt und Amethyst Prognosis in Das Bitcoin-Komplott den Namen gibt. Er ist ein Schutzstein im Krieg und ein Glücksbringer in dem Bemühen, tiefsitzendes Begehren zu erfüllen, mit der Weltherrschaft als finaler Gratifikation. Forsythe, den Dakota einmal den Chef der Weltverschwörung nennt, unterscheidet in seinem Großprojekt zwischen Einzelbildern in der Analyse, dem größeren Bild und dem Gesamtbild, welches er als Knäuel bezeichnet. Wer das Innere des Knäuels schaut und versteht, hat vermutlich so etwas wie den Heiligen Gral der Finanzwelt gefunden und weiß, was geschehen wird.

Am Ende des Buchs finden sich ein umfassendes Personenverzeichnis mit Angaben zur Rolle sowie ein langes Interview mit Andreas Brandhorst.


Fazit

Das Bitcoin-Komplott hat ein wenig etwas von einem James Bond, will doch eine Organisation über eine Verschwörung die Weltherrschaft erlangen und erstreckt sich die Handlung über einen großen Teil der Erde. Das nicht-triviale Thema wird so behandelt, dass es auch für Laien spannend ist und Interesse am Bitcoin geweckt werden kann. Dynamisch erzählt, in knappen Sätzen, gut recherchiert, mit etwas blassen Figuren und spannend als Wirtschaftsthriller, der in der nahen Zukunft spielt.


Pro und Kontra

+ ein Thriller, dem klassische Fantasy-Epik untergelegt ist
+ die technische Seite des Themas ist nachvollziehbar aufbereitet
+ gutes Timing

Wertung:sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Andreas Brandhorst, Wirtschafts-Thriller, Bitcoin, Weltverschwörung, Kryptowährung