Elric (Michael Moorcock)

Fischer Tor (November 2023)
Übersetzer: Hannes Riffel
Hardcover
1159 Seiten, 68,00 €
ISBN: 978-3-596-70768-3

Genre: Fantasy, Sword-and-Sorcery


Klappentext

Die Sage um Elric von Melniboné ist ein episches Fantasy-Spektakel, das die Leser seit Jahrzehnten fesselt. Moorcocks Anti-Held ist ein gebrochener, aber mächtiger Albino-Krieger, der um sein Leben kämpft und um seinen Verstand fürchtet. Mit seinem verfluchten Runenschwert Sturmbringer trotzt er grausamen Göttern und noch grausameren Dämonen. Die verfluchte Waffe verspricht zwar große Macht, fordert jedoch dafür auch stets ihren Preis.


Rezension

Michael Moorcocks Geschichten um den Anti-Helden Elric fehlen in nahezu keinem Überblick über die Geschichte der Fantasy. Auch die acht berühmten Autor*innen, die jeweils eine Einleitung für die Romane in dem Sammelband beigetragen haben (darunter zum Beispiel Tad Williams, Alan Moore und Holly Black), beschreiben ihre Begegnungen mit Moorcocks Werk als etwas Besonderes und betonen seinen großen Einfluss auf das Genre. Und tatsächlich kommt einem bei der Lektüre der acht Romane viel bekannt vor – es ist zum Beispiel nicht schwer, in Elric den allerersten Hexblade Warlock (DnD) zu sehen. Auch die Welt, die Moorcock erschafft – ein Multiversum voller Türen zwischen den verschiedenen Welten, zwischen Vergangenheit und Zukunft, das das Spiel- und häufig Schlachtfeld für einen ewigen Kampf zwischen Chaos und Ordnung ist – ist spürbar einflussreich.

Elrics Geschichte wurde über zahlreiche relativ kurze Veröffentlichungen hinweg erzählt und hat deshalb einen sehr episodischen Charakter. Der hier rezensierte massive Sammelband besteht aus acht Romanen, die sich ihrerseits in drei bis vier „Bücher“ aufteilen, die jeweils ein komplettes „Unter-Abenteuer“ schildern. Und wahrscheinlich ist die beste Art, das Buch zu lesen, Pausen zwischen diesen klar abgegrenzten Episoden einzulegen. Elric und der Status Quo entwickeln sich weiter und durchlaufen drastische Veränderungen, aber das Format lässt etwas an eine Monster/Problem/Apokalypse-der-Woche-Serie denken. Die acht Romane sind chronologisch angeordnet und neu übersetzt und werden neben den Einleitungen auch durch Illustrationen ergänzt, die meist Elric mit Sturmbringer zeigen.

In dem ersten Roman, „Elric von Melniboné“ lernen wir Elric kennen, den Kaiser der Insel Melniboné. Elric ist ein mächtiger Magier, aber selbst mit den Tränken, die ihn am Leben erhalten, eher schwächlich, und hat deshalb viel Zeit in der Bibliothek verbracht. Das verkompliziert sein Leben, denn er hat sich die Anflüge eines Gewissens angelesen, was ihn zu einem Außenseiter in der Gesellschaft Melnibonés macht. Diese tiefe Ambivalenz gegenüber seiner Heimat bleibt ein stetiger Begleiter Elrics. Elric bekommt es mit anderen Melnibonéern, die seine Eignung zum Kaiser in Frage stellen, ebenso zu tun wie mit einer Invasion von außen. Und als er schließlich eine der ältesten Traditionen der Kaiserfamilie reaktivieren und den Chaosfürsten Arioch um Hilfe anrufen muss, schafft dies ebenso viele Probleme, wie es löst.

Am Ende des ersten Buches ist er schließlich im Besitz seines ikonischen Schwertes Sturmbringer, das eine unheilvolle Symbiose mit ihm eingeht. Im Austausch gegen Seelen versorgt es Elric mit der Stärke, die dieser zum Kämpfen und Überleben braucht. Es hat jedoch auch ein Eigenleben, das stark dazu beiträgt, Elric zu der einsamen, tragischen Gestalt zu machen, als den die Lesenden ihn häufig erleben. Statt in Melniboné zu bleiben, begibt er sich auf Wanderschaft, um mehr über die Welt und über Gerechtigkeit zu lernen.

In den folgenden Geschichten wird Elric eine Quest nach der anderen verwickelt. Sein Weg führt ihn durch die zahlreichen Länder seiner eigenen Realitätsebene, aber auch in die Reiche des Chaos, durch Träume und andere Welten, in die Vergangenheit und Zukunft. Er trifft verschiedene Reisegefährten und macht sich Feinde. Ein paar Figuren von beiden Sorten tauchen in mehreren Geschichten auf, zum Beispiel Mondmatt, dessen muntere Art einen Kontrast zum grüblerischen Elric bildet, Elrics mal Gegenspielerin, mal Verbündete, immer Bewunderin Yishana, und ein Zauberer, der zunächst wie ein vorrübergehendes Ärgernis wirkt, aber Elric dann doch überraschend lange Unannehmlichkeiten bereitet. Aber häufig sind die Schauplätze und Nebenfiguren vollkommen neu.

Manche Figuren sind relativ normale Menschen, einige sogar Gäste aus „unserer“ Welt und andere sind strahlende oder gebrochene Helden mit übermenschlichen Kräften und ihrem jeweils eigenen Platz im Ringen von Chaos und Ordnung. Insgesamt bleibt die Charakterisierung vieler Figuren außer Elric an der Oberfläche, was auch ihre Beziehungen zu Elric weniger wichtig wirken lässt, als sie wahrscheinlich sein sollten. Das betrifft besonders Elrics romantische Beziehungen, die darunter leiden, dass man teilweise nahezu nichts von der Persönlichkeit der Frauen mitbekommt.

Elric lässt sich durch die Welt treiben, findet und verliert Personen, die ihm wichtig sind. Das hat teilweise mit der Natur des ewigen Kampfes zwischen Chaos und Ordnung, mit Sturmbringer und Elrics großem Schicksal zu tun, aber zumindest in einem Fall auch mit einer sehr vermeidbaren Fehlentscheidung Elrics. Der ehemalige Magierkaiser ist eine widersprüchliche Figur und ob er sein Leben für andere Personen riskiert oder diese beiläufig opfert, ob er sich gnadenlos an Feinden rächt oder gefährliche Gegner am Leben lässt, scheint manchmal tagesformabhängig. Er ist so angelegt, dass er niemals wirklich Frieden oder Erfüllung finden wird.

Zusammen mit ihm erkunden die Lesenden ein sehr großes Universum – und bekommen mit, dass Elrics Geschichte in ein noch größeres Epos (und literarisches Universum) eingebettet ist, weil es sich bei ihm um eine von vier Inkarnationen des „Ewigen Helden“ handelt. Mehrfach trifft er andere Inkarnationen und muss Seite an Seite mit diesen Bedrohungen abwehren, denen einer der vier allein nicht gewachsen wäre. Die Welt der Romane ist gigantisch und fragil, immer kurz davor, dass das kosmische Gleichgewicht kippt und alles untergeht. Die Dimension der Geschichte wird in dem allerletzten Roman besonders spürbar, der die Reihe mit einem Paukenschlag beendet. Auch wenn ich beim Lesen einige Episoden fast als „Filler“ empfunden habe, bleibt am Ende das Gefühl, dass eine epische Reise ihr Ende gefunden hat.

Der Stil der Romane ist eher traditionell gehalten. Die Erscheinung und Ausstattung von Figuren wird ausführlich geschildert ebenso wie die Farbenpracht der Umgebung – tatsächlich hat sich mir eingeprägt, wie bunt alles ist. Das steht im Gegensatz zu der inhaltlichen Düsternis der Bücher, die man heute eher mit der Schwarz-und-Schlamm-Palette von „Game of Thrones“ und Co assoziieren würde. Thematisch ist auch einiges los. Unter anderem geht es um die Sehnsucht nach einer besseren Welt und um Kritik an Tradition. Eine der Geschichten wartet beispielsweise mit dem sehr einprägsamen Bild einer Kolonne wandernder Städte auf, die auch dann nicht innehält, als sich plötzlich ein Abgrund auf ihrer althergebrachten Route auftut.


Fazit

Die „Elric“-Romane zeigen Lesenden ein nahezu grenzenloses Universum beziehungsweise Multiversum, eine charismatische, für spätere Schreibende einflussreiche Hauptfigur und bieten viel visuelles Spektakel. Am Ende bleibt jedoch der Eindruck, sehr viel nur oberflächlich kennengelernt zu haben. Auch wenn die Bücher vor dem Hintergrund aktueller Fantastik nicht in jeder Hinsicht überzeugen, steckt in ihnen ein übersprudelnder Ideenreichtum. Hinzu kommt die Gelegenheit, hier dem Ursprung von Motiven zu begegnen, die aus der Fantastik nicht mehr wegzudenken sind. Die Einleitungen der verschiedenen Autor*innen helfen noch, die Bedeutung von Moorcock für das Fantastik-Genre zu schätzen zu wissen.


Pro und Contra

+ Einflussreicher Klassiker des Genres, was auch die interessanten Einleitungen hervorheben
+ Farbenprächtiges fiktives Universum voller spannender Ideen und dramatischer Bilder
+ Elric als einprägsamer Antiheld

o sehr episodisch

- Wenig Tiefe und Entwicklung bei Nebenfiguren, worunter auch Schilderungen von Figurenbeziehungen leiden
- Ein paar Episoden fühlen sich wie Filler an
- Bestimmte wichtige Entscheidungen hätten von mehr Vorbereitung und einer tieferen Schilderung der Motivationen dahinter profitiert

Wertung: 

Figuren: 3,5/5
Handlung: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis-Leistung: 3/5

Elric. Der Blutthron
Corum Bd. 1 - Der scharlachrote Prinz

Tags: Sword and Sorcery