Existenz - Das Mars-Paradox I (Ryan Rockwell)

 existenz das mars paradox

Selfpublishing (Februar 2024)
Taschenbuch, 282 Seiten, 14,00 EUR
ISBN: 978-3947900176

Genre: Science Fiction / Hard SF


Klappentext

Stell dir vor, du erwachst ohne Gedächtnis. Auf dem Mars.

Im Jahr 2064 ist die Menschheit im Begriff, in die Weiten des Alls aufzubrechen. Mit der ersten bemannten Mars-Station scheint der Traum von der Besiedlung fremder Planeten zum Greifen nahe. Und mit ihr die Suche nach außerirdischem Leben.

Doch eines Tages geschieht das Unvorstellbare. Die Besatzung erwacht ohne Erinnerungen an die vergangenen Tage und im Pflanzenlabor liegt die Leiche des Mikrobiologen Dr. Wolfram Palmer. Alles deutet auf einen Mord hin. Für ESA-Astronaut Nick Adam kann es nur jemand aus dem fünfköpfigen Team gewesen sein. Doch niemand kann sich erinnern.

Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, und je weiter Nick nachforscht, desto mehr Ungereimtheiten deckt er auf. Als die Spannungen im Team ihren Höhepunkt erreichen, macht er eine furchtbare Entdeckung. Sie lässt ihn nicht nur an Palmers Todesumständen zweifeln, sondern auch an der gesamten Mars-Mission …


Rezension

ESA-Astronaut Nick wird von einem Alarm geweckt und stellt erschrocken fest, dass ihm viele Erinnerungen fehlen. Desorientiert macht er sich auf die Suche nach der Ursache des Alarms und stößt auf seine vier Kolleginnen, deren Namen ihm nicht einfallen und die ebenso wie er unter Amnesie leiden. Immerhin ist ihre Forschungsstation weitgehend intakt, die Lebenserhaltung nicht gefährdet. Die Situation spitzt sich jedoch zu, als das Team Dr. Wolfram Palmer im Pflanzenlabor entdeckt - tot. Offensichtlich ermordet. Für Nick ist klar, dass eine der Frauen die Mörderin sein muss, denn sonst befindet sich niemand auf dem Mars. Zumindest weiß er nichts davon und er schiebt den Gedanken, selbst der Mörder zu sein, weit von sich. Die Suche nach Antworten gestaltet sich schwierig, alle misstrauen sich gegenseitig und bald wird klar, dass ihnen nicht einfach nur Erinnerungen fehlen, sondern dass diese manipuliert wurden - aber warum?

"Existenz - Das Mars-Paradox I" gliedert sich grob in zwei Teile und beginnt in einem Closed-Room-Setting mit wenigen Figuren, die herausfinden müssen, wer sie selbst sind - und wer von ihnen ihren Kollegen getötet hat. Das sorgt schnell für Spannung und das allgegenwärtige Misstrauen hält diese aufrecht. Das fünfköpfige Team ist zugleich aufeinander angewiesen, um in der lebensfeindlichen Umgebung des Mars zu überleben, denn außerhalb der Station sind sie auf Raumanzüge angewiesen und können sich nur zeitlich begrenzt dort aufhalten. Die Atmosphäre des roten Planeten ist nicht atembar und die Druckverhältnisse bringen das Blut zum Kochen. Ryan Rockwell beschreibt die Umgebung des Mars realitätsnah, sie ist entsprechend karg, aber ungemein faszinierend mit den Staubstürmen, den eigentümlichen Lichtverhältnissen und ihren rötlichen Dünen und Felsen.

Interessanterweise wurden überwiegend Frauen für die Marsmission ausgewählt und zwar aus dem simplen Grund, weil sie meist weniger Ressourcen, insbesondere Nahrung, als Männer verbrauchen. Leider werden diese Frauen in "Existenz" weniger als vielschichtige Persönlichkeiten, sondern mehr als Stereotypen dargestellt, auch wenn teilweise von Rollenklischees abgewichen wird. Die Wissenschaftlerinnen kommen allesamt viel schlechter mit der Situation zurecht als Protagonist Nick, der zwar ebenfalls verwirrt ist, jedoch in Anbetracht der Gefahr wie ein Fels in der Brandung wirkt. Er ist meistens ruhig, reflektiert, stellt wichtige Fragen - während die Frauen weinerlich, unsicher und aggressiv dargestellt werden. Und als potentielle Love Interests, denn Nick hat Erinnerungen an eine Affäre, kann sich aber auch etwas mit anderen Frauen im Team vorstellen. Ansonsten ist Nick als Sicherheitsingenieur ein durchaus geeignet Erzähler, der den Blick stets auf potentielle Risiken richtet und dabei überwiegend besonnen handelt, zumindest soweit es ihm in Anbetracht der chaotischen Lage möglich ist.

In kurzen Rückblenden erfährt man mehr über Nick und sein Leben auf der Erde, über die Familie, die er zurückgelassen hat und über seinen großen Traum, ESA-Astronaut zu werden. Auch wenn ihm viele Erinnerungen fehlen, ist er überzeugt davon, zwei Kinder zu haben und sehnt sich dementsprechend nach ihnen, vor allem als die Situation immer gefährlicher wird. In der Zukunft dieses Romans gibt es eine Technologie, die Erinnerungen speichern und korrigieren kann, genannt AMBER. Regelmäßig werden die Erinnerungen der Astronauten aktualisiert, um Erinnerungsverfälschung zu vermeiden, welche oft unabsichtlich geschieht. Es ist spannend, dass Ryan Rockwell dies in "Existenz" aufgreift, wobei nicht gänzlich nachvollziehbar ist, warum das Korrigieren von Erinnerungen für die Marsmission/Raumfahrt so wichtig ist. Auch kann eine solche Technologie schnell zur Waffe werden, wie es hier letztlich auch passiert. Der Erinnerungsverlust sowie die Manipulation erinnern an "Total Recall", was offensichtlich als Inspiration gedient hat und im Roman auch erwähnt wird. In die Tiefe geht der Autor bei diesem Thema leider nicht, viel mehr dienen Erinnerungsverlust und -manipulation dem Hochhalten der Spannung.

Der zweite Teil der Handlung erzeugt noch mehr Chaos, denn Nick muss erkennen, dass seine und auch die Erinnerungen der anderen tiefgreifender manipuliert wurden, als befürchtet - und dass sie nicht die einzigen Menschen auf dem Mars sind. Noch dazu sind die Menschen nicht die einzigen lebenden Organismen auf dem Mars. Ab hier wird es zunehmend spekulativer und unrealistisch, beispielsweise als sich nach Kontakt mit einer außerirdischen Substanz die DNA einer Frau so schnell wie in einem Superheldenfilm verändert. Die Darstellung humanoider Außerirdischer und ihrer Technologie entspricht gängigen Klischees und der Roman kippt Richtung Horror, inklusive blutiger Action. Die Handlung wird zunehmend chaotisch und es wird fast durchgehend gekämpft, gegen die fremde Spezies, die die Menschen unglaubwürdig spät bemerkt und seltsam träge agiert, und gegeneinander. Letztlich wird die Handlung vor allem vom Wahnsinn und krankhaften Ehrgeiz einer Person angetrieben, einer stereotypen Antagonistin, die beinahe im Alleingang die Marsmission in ein Desaster verwandelt. Inklusive einiger gewaltvoller Tode.

Im zweiten Band, "Der erste Kontakt", erfährt man, wie es zu den Ereignissen in "Existenz" kam, also auch, welche Erinnerungen Nick fehlen.


Fazit

"Existenz - Das Mars-Paradox I" überzeugt zunächst mit einem äußerst spannenden Closed-Room-Setting inklusive verlorener und manipulierter Erinnerungen, die die Aufklärung eines Mordes verkomplizieren und die Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens verstärken. Mit dem Erscheinen humanoider Außerirdischer kippt die Story Richtung Horror und die Handlung versinkt in blutigen Kämpfen und Klischees.


Pro & Contra

+ sehr spannendes Closed-Room-Setting
+ Nicks Perspektive als Sicherheitsingenieur
+ verlorene und manipulierte Erinnerungen
+ atmosphärische und realistische Beschreibungen des Mars
+ unterhaltsam geschrieben

- stereotype Darstellung der Frauenfiguren
- in der zweiten Romanhälfte zunehmend unglaubwürdig
- klischeehafte, monströse Aliens, die seltsam träge agieren

Wertungsterne3.5

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5

Tags: Hard SF, Aliens , Mars