König Ödipus (Bodo Wartke)

Reimkultur Musikverlag (Oktober 2009)
Hardcover, 128 Seiten, 16,90 EUR
ISBN: 978-3-941439-05-4

Genre: Theater / Musik / Kabarett


Rezension

Wegen einer Prophezeiung des Orakels von Delphi will König Laios von Theben seinen gerade geborenen Sohn töten lassen. Der jedoch gelangt mittels zweier Hirten nach Korinth, wird vom dortigen König adoptiert (was dieser ihm sein Leben lang verschweigt) und erhält den Namen Ödipus. Doch eines Tages, wieder vorm Orakel, erfährt Ödipus, er werde seinen Vater erschlagen und seine Mutter ehelichen. Daraufhin kehrt er nicht nach Korinth zurück, sondern gelangt nach Theben ...

So weit, so bekannt. Doch Bodo Wartke erzählt Sophokles' Drama nicht nur nach, er überspitzt, persifliert, vereinfacht und lässt doch nichts aus. So schafft er ein Stück, das sowohl die Geschichte in all ihrer Tragik erzählt als auch unterhält. Als Ödipus vor der Sphinx steht und zur Beantwortung ihrer Frage nach dem Telefonjoker fragt, antwortet die Sphinx abgeklärt: „Telefone sind zu dieser Zeit noch nicht erfunden.“ Das sind Momente, derentwegen man dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen will.

Bodo Wartke verleiht den Charakteren ganz eigene Züge. Ödipus zum Beispiel wird zu einem jugendlichen Draufgänger, der sich teils in Gossensprache artikuliert. Die Sphinx erscheint ebenso souverän wie gelangweilt. Und die Hirten, die den gerade geborenen Ödipus nach Korinth bringen, statt ihn „postnatal abzutreiben“, sind in ihrem Zusammenspiel eine Klasse für sich. Das macht dieses Stück so lebendig und anschaulich.

Gleichzeitig merkt man aber auch, dass es für die Bühne geschrieben wurde. Die teils schnellen Wortwechsel zwischen den Figuren wirken gespielt mit Sicherheit pointierter, die teils unreinen Reime bei richtiger Betonung lustiger. Aber auch gelesen verliert dieses Stück seinen Charme nicht. Wer Bodo Wartke kennt und mag, wird diesen Text ebenso schnell wie lachend hinter sich bringen.

Im Anschluss an das (sehr kurze) Drama findet sich ein ausführliches Glossar von Til Tessin. Szenenweise erläutert er bekannte und unbekannte Begriffe, die im Stück vorkommen, und erklärt vom „Dr.-Sommer-Team“ bis zur Herkunft des Ausdrucks „Keine Panik“ Nützliches und Unnützes. Eine Sternstunde erlebt das Glossar beim Begriff „Blümchen und Bienchen“, eine Geschichte, die – wie Tessin feststellt – zwar immer begonnen, aber nie zu Ende erzählt wird. Ein gleichermaßen informativer und belustigender Ausklang.

Einziges Manko ist der für 128 Seiten sehr hohe Preis. Dieses Buch ist kein Lustkauf, es ist eines, das man sich gönnen muss, um es dann in geeigneten Momenten aus dem Schrank zu ziehen und todernst daraus zu zitieren. Ein Buch, das dafür gemacht ist, es geschenkt zu bekommen. Vorausgesetzt, man kann mit dem Wartke'schen Humor etwas anfangen.


Fazit

Bodo Wartke erzählt eine bekannte Geschichte in unbekannter Art. Dabei vermischt er die Tragik dieses Stücks mit seinem ganz eigenen Humor, schafft lebendige, teils skurrile Charaktere, deren Handeln aber nicht unlogisch wird, und führt das Stück so zu seinem unvermeidlichen Ende.
Eine sowohl unterhaltsame als auch spannende und mitreißende Geschichte, die sich wegen des hohen Preises an einem geeigneten Tag zu wünschen lohnt.


Pro & Contra

+ amüsante Neudichtung eines bekannten Stücks
+ skurrile Charaktere
+ gute Mischung aus Humor und Story
+ lebendig
+ Glossar

- hoher Preis
Wertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3/5


Interview mit Bodo Wartke (12.11.08)