Der verwaiste Thron - Sturm (Claudia Kern)

Blanvalet (Juli 2008)
368 Seiten, EUR 13,00
ISBN: 978-3442244201
Leseprobe

Genre: Fantasy


Klappentext

Es ist ein großer Tag für Ana, die einzige Tochter des Fürsten von Somerstorm. Ihr siebzehnter Geburtstag beginnt mit den Darbietungen von Gauklern und Schaustellern – und endet in dem gewaltsamen Tod ihrer Familie! Jetzt ist Ana auf der Flucht, nur begleitet von einem Leibwächter, den sie kaum kennt und dem sie noch weniger traut. Auf Burg Somerstorm, ihrer verlorenen Heimat, herrschen nun die geheimnisvollen Nachtschatten – und der Mord an Anas Familie war nur der Anfang ihrer düsteren Pläne ...


Rezension

Ein blutjunge Frau. Dunkle, menschenähnliche Wesen und ein kleiner, mutiger Junge. – Dies sind die Zutaten, mit deren Hilfe Claudia Kern in ihrem Roman „Sturm" zu überzeugen versucht. Ein Buch, dessen Inhalt Spannung und Phantastik bietet, sich dabei jedoch nicht mit anderen Fantasy-Romanen zu messen versucht. Denn der erste Band Claudia Kerns Trilogie ist eigenwillig bodenständig und damit anders, als man erwarten könnte.

>> Soldaten schlugen auf ihre Schilde. Das Geräusch erfüllte die Luft, bis es klang wie das Donnern eines Sturms, wie eine unaufhaltsame Naturgewalt, die jedes Hindernis auf ihrem Weg niederreißen würde ... << (aus dem Buch)

Ana ist auf der Flucht. Vor den Nachtschatten, deren neu entflammte Macht und den Männern der übrigen Fürsten, die den Tod ihrer Familie als Anlass nehmen, das Adelshaus Somerstorm gänzlich vernichten zu wollen. Während ihre Wege die junge Fürstentochter, begleitet von einem undurchschaubaren Beschützer, weit abseits ihres Heimes bringen, zittert ihr kleiner Bruder Gerti um sein Leben. Denn er konnte sich retten und harrt nun zwischen den Nachtschatten in Somerstorm aus. Wesen – halb Mensch, halb Tier – die nur eines im Sinn haben: Ihre eigene Art zurück an den Platz zu bringen, der von Anfang an vorbestimmt war ...

>> Ein fesselndes Debüt! Episch, wuchtig, erdig – so muss Fantasy sein. <<
Michael Peinkofer

Michael Peinkofers Zitat kann man nur teilweise zustimmen. Seiner Meinung nach soll „Sturm“ wuchtig, gar episch sein und doch sind beides Begriffe, die der geneigte Leser nur schwer mit Claudia Kerns Debüt in Verbindung bringen kann. Dafür wirkt die Geschichte zu rau, realistisch und normal. Die Autorin erzählt weder von epischen Helden noch wuchtigen Kämpfen, vielmehr beschränkt sie sich auf das Wertvollste: ihre Charaktere. Diese werden dem Leser eigentümlich kühl, aber sehr realistisch näher gebracht und interagieren in ihren kleinen, überschaubaren Welten. Ihre Eigenschaften sind dabei weder effekt- noch zuneigungshaschend. Im Gegenteil, sie sind normale Menschen mit Schwächen, Irrungen und Fehlern. Allem voran Ana selbst, deren Sturheit und wirrer Geist den Leser auch öfter zu reizen versteht. Die junge Adelstochter ist verständlicherweise stolz, von sich eingenommen und fest entschlossen, den Respekt, nach dem es ihr verlangt, von jedem einzufordern der ihren Weg kreuzt. Und so reist sie über Stock und Stein, nicht wissend um das Schicksal ihres Bruders, der mit Abstand der beeindruckernste Charakter dieses Buches ist. Gerit, den man als verzogenen Jungen kennerlernt, lebt seit dem Überfall Somerstorms bei den interessanten wie auch zwiespältigen Nachtschatten. Er ist ihr Laufbursche, Prügelknabe und Koch zugleich. Stets bemüht zwischen den stolzen Kreaturen zu überleben, entwickelt er sich langsam zu einem Knaben, den man nur bewundern kann. Claudia Kern hat sich hierbei viel einfallen lassen und mit Feingefühl überzeugt. Eines, das man bei den übrigen Charakteren etwas vermisst und hofft, es in den beiden Folgebänden vermehrt finden zu dürfen.

Neben der doch überschaubaren Handlung weiß die Autorin noch mit so manchen Höhepunkt zu überraschen und die verschiedensten Graustufen auszubauen. - Eindrücke, die immer wieder Spannungen präsentieren und dieses Buch tiefgründig genug erscheinen lassen, um damit zufrieden und vorfreudig auf einen nächsten Band zu sein.

Einzig der Preis ist neben den manchmal zu flach ausgebauten Emotionen Kritik wert. Denn mit 13 Euro für 368 Seiten zählt „Sturm“ zu den teureren Paperbacks der Fantasy.


Fazit

„Sturm“ ist ein Roman, wie ihn das Genre braucht. Er bietet Abwechslung zu Büchern, die überschäumen vor Magie, Fabelwesen, Epik und Heldentum. Überschaubar aufgebaut, weiß er mit kühlem Charme und Geheimnissen zu überzeugen, die nach und nach an die Oberfläche dringen. Fantasy-Leser, die gerne einmal etwas Ruhigeres lesen möchten sind hier richtig. Vermutlich könnten auch Historik-Fans mit Sympathien zum Genre auf ihre Kosten kommen.


Pro und Kontra

+ facetten- und graustufenreich
+ tiefgründige Gegenspieler
+ Protagonist Gerit
+ authentisch ausgemalte Welt
+ überzeugend eigenwillige Geschichte
+ angenehm kurzatmiger Stil
+ schöne Aufmachung

o bodenständige Fantasy
o detailärmer als so manch anderer Roman

- ständiges Gefühlschaos bei Ana
- verschenktes, zwischenmenschliches Potenzial

Bewertung:

Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 3 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 3,5 / 5