Die Leiden eines Amerikaners (Siri Hustvedt)

Verlag: Rowohlt, Oktober 2009
Originaltitel: The sorrows of an American,
Übersetzt von Uli Aumüller und Gertraude Krueger
Taschenbuch, 411 Seiten, € 9,95
ISBN: 978- 3499241932

Genre: Belletristik


Klappentext

Brooklyn zu Beginn des neuen Jahrtausends: Psychiater Erik Davidsen erzählt von einem bewegten Abschnitt seines Lebens. Es scheint ein Jahr der Geheimnisse, das Jahr, in dem sein Vater stirbt und im Nachlass Briefe gefunden werden, die auf ein dramatisches Ereignis in dessen Jugend hindeuten. Das Jahr, in dem seine Schwester von einer Unbekannten verfolgt und belästigt wird. Das Jahr, in dem eine betörend schöne Jamaikanerin in Eriks Haus zieht, die jedoch etwas zu verbergen scheint…


Die Autorin

Siri Hustvedt, geboren 1955 in Northfield, Minnesota studierte Literatur an der New Yorker Columbia Universität und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn und ist mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Bekannt wurde sie mit den Romanen „Die unsichtbare Frau“, „Die Verzauberung der Lily Dahl“ und „Was ich liebte“.


Rezension

Eindeutig autobiographische Züge trägt der neueste Roman von Siri Hustvedt. Genau wie sie ist Inga, die Schwester des Protagonisten und Ich-Erzählers Erik Davidsen, die Frau eines erfolgreichen Autors. Sie steht immer in seinem Schatten und wahrscheinlich kennt Hustvedt die Probleme aus eigener Erfahrung, die ein erfolgreicher Ehepartner mit sich bringt. Genau wie Hustvedt hat auch Inga mit ihrem Mann Max eine Tochter. Im Buch stirbt Max aber an Krebs, die Hinterbliebenen haben schwer mit dieser Tatsache zu kämpfen.

Leider ist es Siri Hustvedt gründlich misslungen, eine spannende oder einfühlsame Geschichte zu schreiben. Das Buch strotzt nur so von Fachausdrücken, Einblicke in die Psychologie, die Neurowissenschaften und die Philosophie kommen auf fast jeder Seite ausführlich vor. Dadurch bleiben die Charaktere dem Leser fremd, sie wirken nicht menschlich sondern immer nur wie Statisten, die gerade zur Hand sind, um einen Sachverhalt zu erläutern. Außer bei Erik gibt es kaum wirkliche Einblicke in ihr Seelenleben, Gefühle äußern sich eher in zwanghaftem Ordnungswahn oder dem Heben einer Augenbraue. Alle Charaktere haben mit ihren eigenen Tragödien zu kämpfen und wirken ablehnend, selbst Eggy, Mirandas Kind, agiert überdreht oder nicht ihrem Alter entsprechend. Sie verleihen der Steifheit eine neue Bedeutung, Gefühle werden nicht gezeigt, das würde sie verletzlich machen. Und das sind sie alle nicht, sie wollen starke Charaktere sein und ihr Leben mit Bravour meistern – was ihnen aber leider nicht gelingt und der Leser oft den Kopf schüttelt über dieses introvertierte Verhalten.

Viel zu viele Handlungsstränge verlangsamen bereits den Anfang. Hustvedt springt mal hierhin, dann wieder dorthin, erzählt unwichtige Nebenhandlungen in epischer Breite und macht es dem Leser allzeit sehr schwer, die gebührende Aufmerksamkeit zu halten. Unwillkürlich schweift man immer wieder ab, teilweise muss man die Sätze dreimal lesen, bis man sie halbwegs begriffen hat und weiß, in welcher Handlung man sich gerade befindet. Eriks Vater ist gerade gestorben, in Briefen erfährt er Näheres von seiner Kindheit. Zusätzlich schlägt sich Inga mit einem Geheimnis ihres verstorbenen Mannes herum, Miranda, Eriks Untermieterin, wird von einem Stalker verfolgt, der ihr und ihrer Tochter Eggy mit abscheulichen Bildern Angst einjagt. Außerdem erfährt man viel von Eriks Patienten, ausführlich werden Sitzungen und Beratungsgespräche wiedergegeben. Auch vor einer Selbstanalyse macht Erik nicht halt, immer wieder beleuchtet er sämtliche Aspekte seines eigenen Handelns.

Aussagekräftige Wörter aneinandergereiht ergeben leider kein spannendes Buch, ausdrucksvoll geschrieben und doch so langweilig, zuviel gewollt und zuwenig ergeben, so kann man das Buch beschreiben. Es ist voller Fachbegriffe, Analyse, Weisheit und Geschichtsverarbeitung, aber die fehlende Empathie mit den Charakteren macht es schwer lesbar. Zudem die unnötig vielen Handlungsstränge, immer wieder neue Namen und Gesichter, und der völlige Mangel von Humor und Witz führen zu Ermüdungserscheinungen. Da man sich in keine Person richtig hineinversetzen kann, will man eigentlich auch gar nicht wissen, was eigentlich passiert oder wie sich die einzelnen Handlungen auflösen.


Fazit

Fast unberührt von den Charakteren und der Geschichte kann der Leser das Buch zuklappen. Immerhin hat er eine ausführliche Anleitung in die Psychoanalyse erhalten. Ein Charakter, der jede seiner Handlungen analysiert und in Frage stellt, kann einem nicht ans Herz wachsen. Der verwirrende Schreibstil mit ständigen Abschweifungen fesselt einfach nicht und dient lediglich noch als Einschlafhilfe. Hochgeistige Literatur auf einem langweiligen Niveau – nur etwas für Fachpublikum aber nicht für die breite Masse.


Pro und Contra

+ Einblicke in die Psychoanalyse

o zwischen Gegenwart, Vergangenheit, Realität und Fiktion wird ständig hin und her gesprungen

- Charaktere wirken gefühlsarm
- man kann der Handlung nicht folgen
- alle Charaktere sind tragödienbehaftet und nicht authentisch
- man kann sich in die Geschichte nicht einfühlen

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 1/5
Preis/Leistung: 3/5