Gut gegen Nordwind (Daniel Glattauer)

Goldmann, 1. Auflage Juli 2008
Taschenbuch, 223 Seiten
€ 7,95 [D] | € 8,20 [A] | CHF 14,90
ISBN: 978-3-442-46586-6
Leseprobe

Genre: Belletristik


Zur Rezension von „Der Weihnachtshund“


Klappentext:

„Schreiben Sie mir, Emmi.
Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen.
Schreiben ist küssen mit dem Kopf.“

Emmi Rothner möchte per E-Mail ihr Abo der Zeitschrift „Like“ kündigen, doch durch einen Tippfehler landen ihre Nachrichten bei Leo Leike. Als Emmi wieder und wieder E-Mails an die falsche Adresse schickt, klärt Leo sie über den Fehler auf. Es beginnt ein außergewöhnlicher Briefwechsel, wie man ihn nur mit einem Unbekannten führen kann. Auf einem schmalen Grat zwischen totaler Fremdheit und unverbindlicher Intimität kommen sich die beiden immer näher – bis sie sich der unausweichlichen Frage stellen müssen: Werden die gesendeten, empfangenen und gespeicherten Liebesgefühle einer Begegnung standhalten? Und was, wenn ja?

„… einer der zauberhaftesten und klügsten Liebesdialoge der Gegenwartsliteratur …“ Volker Hage, der Spiegel


Rezension:

Nähe ist nicht die Unterbrechung von Distanz, sondern ihre Überwindung. Spannung ist nicht der Mangel an Vollkommenem, sondern das stete Zusteuern darauf und das wiederholte Festhalten daran.
(Emmi an Leo, Seite 106)


Im Zeitalter des schnelllebigen Internets lernt man viele Menschen über diverse Plattformen kennen. Flirtseiten, Onlinechats, Browsergames – das ganze Leben existiert neben der Realität auch noch mal auf interaktiver Ebene. So ist die Idee, die Glattauer in seinem Roman Gut geben Nordwind als Ausgangspunkt nutzt, um Emmi und Leo einander näher zu bringen, keine grundlegend neue.
Trotzdem wird eine völlig andere Atmosphäre geschaffen, als man dem im Grunde durchsichtigen Internet zutrauen würde – privat, intim, geheim(nisvoll) und doch sehr nah und intensiv.

Durch fälschlicherweise an Leo geschickte Mails lernen sich Emmi und Leo auf virtuellem Wege kennen. Der anfangs nur sporadische Kontakt wird schnell regelmäßiger, schließlich schreiben die beiden im Minutentakt. Während Emmi in einer (eigentlich) glücklichen Ehe steckt, hat Leo gerade eine Trennung hinter sich. Dadurch zu zwischenmenschlichen Spannungen, doch im Grunde sind sich beide die ganze Zeit darüber einig, dass man sich nicht persönlich kennen lernen wird. Wie das so ist, pocht – immer abwechselnd – trotzdem eine Seite darauf, die Bekanntschaft auf das reale Leben auszuweiten. Schließlich einigen sich die beiden auf einen Zeitrahmen, in dem sie beide in einem Café sein und versuchen werden, den jeweils anderen unter den Gästen zu erkennen. Langsam tasten sie sich vor, aber stetig wächst der Wunsch, die Person und Persönlichkeit hinter den Buchstaben kennen zu lernen. Wo das letztendlich hinführen soll, weiß dabei allerdings keiner.

Der Roman besteht ausschließlich aus dem Mailkontakt zwischen Emmi und Leo. Das mag anfangs ein wenig seltsam erscheinen, da die erzählende Sichtweise fehlt, doch man findet als Leser schnell rein und stellt fest, dass ein Erzähler gar nicht zwingend notwendig ist, um zu fesseln. Gegenteilig lässt das Fehlen desselben die Möglichkeiten der eigenen Fantasie offen, und die Mails geben genug Aufschluss darüber, was der jeweilige Verfasser gerade macht (abgesehen vom Schreiben der Mail), in welcher Stimmung er oder sie sich befindet, ob er oder sie abgelenkt scheint.
Nach anfänglichem Bemühen, distanziert zu erscheinen und sich gewählt auszudrücken, werden beide Schreiberlinge schnell sie selbst und vermitteln dem Leser den Eindruck, als stünde er bei jeder Mail als Co-Empfänger auf der Liste. Man darf schmunzeln, sich wundern, traurig und wütend sein, sich vorfreuen und in Geduld üben – weil man die Protagonisten nur durch ihre Mails kennen lernt, ist man ihnen von Anfang an näher, als das wahrscheinlich in der üblichen Erzählform möglich wäre.

Daniel Glatthauer schafft mit seinem Debütroman eine Atmosphäre, die wunderbar in das Zeitalter des Internets passt und trotzdem etwas ganz eigenes hat. Sowohl Internetcracks als auch Neulinge werden hier auf ihre Kosten kommen, und auch diejenigen, die sich eher in ablehnender Haltung befinden, werden sich des einen oder anderen Grinsens nicht erwehren können.


Fazit:

Gut gegen Nordwind ist ein zeitgemäßer Roman, der das Internet von einer anderen Seite zeigt und einmal mehr deutlich macht, dass und wie schnell man sich in das geschriebene Wort verlieben kann.


Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5