Sebastian Fitzek (11.02.2010)

Interview mit Sebastian Fitzek

Literatopia: Hallo Sebastian! Wir freuen uns, dass Du Zeit für ein Interview hast und Dich unseren neugierigen Fragen stellst. Für die Leser, die Dich noch nicht kennen: Wer bist Du und was machst Du?

Sebastian: Ich bin Autor und schreibe Psychothriller.

Literatopia: Mit "Splitter" hast Du im Sommer 2009 Deinen fünften Roman veröffentlicht. Warum schreibst Du Psychothriller? Kommt für Dich auch ein Ausflug in ein anderes Genre in Frage? Wenn ja, welches Genre reizt Dich besonders und warum?

Sebastian: Ich bin überzeugt: Die größten Mysterien liegen tief im Innersten unserer menschlichen Psyche verborgen. Unser Gehirn ist wie die Tiefsee. Vielleicht das letzte unerforschte Terrain auf Erden, voll von Geheimnissen, die darauf warten, entdeckt zu werden. Ein Beispiel: erst letztens ging ein Fall einer blinden, multiplen Persönlichkeit durch die Presse, die auf einmal wieder sehen konnte. Denn nur eines ihrer "Ichs" war blind. Ein anderes, das tief in ihr schlummerte, konnte sehen, nachdem es "aufwachte" und die Kontrolle übernahm.
Es sind genau diese Phänomene, die mich dazu inspirieren, Psychothriller zu schreiben. Wie tief das gehen darf, bestimmt nur die Phantasie und der sind ja bekanntlich keine Grenzen gesetzt.

Literatopia: Bereits nach "Die Therapie" wurdest Du als neuer Star am Psychothriller-Himmel und als DER deutsche Autor dieses Genres gefeiert. Wie hat sich dieser Titel auf Deine weitere Arbeit ausgewirkt? Wuchs damit auch der Druck, Deine Bücher mit dem jeweiligen Nachfolger noch übertreffen zu müssen?

Sebastian: Nein, ehrlich gesagt habe ich den Hype um meine Person gar nicht so wahrgenommen, da ich die Berichterstattung über mich selten lese. Die einzigen Reaktionen, mit denen ich mich wirklich täglich auseinandersetze, sind die meiner Leser, die mich persönlichen anschreiben – und von denen werde ich glücklicherweise nicht zum Star hochgejubelt. Hin und wieder spüre ich natürlich den Druck und frage mich, ob das Buch dem Leser gefallen wird. Doch dann erinnere ich mich daran, wie mit "Die Therapie" alles angefangen hat, nämlich mit dem Versuch ein Buch zu schreiben, das ich selbst gerne lesen würde. Und so denke ich beim Schreiben (das muss ich ehrlich gestehen) nicht mehr an den Leser und irgendwelche Erwartungshaltungen, sondern nur noch an mich Icon_wink

Literatopia: Du lebst in einer festen Partnerschaft. Wie wirkt sich das Schreiben auf Dein Privatleben aus? Siehst Du Deinen Beruf als einen ganz normalen an, also hast Du "feste" Arbeitszeiten, oder ist es so, dass Dich die Muse packt und Du tagelang nicht vom PC wegzubekommen bist?

Sebastian: Ich glaube, eine Partnerschaft mit mir zu führen ist nicht sehr einfach. Gerade wenn ich in meiner akuten Schreibphase stecke, habe ich große Ähnlichkeit mit Professor Hastig – selbst wenn ich nicht vor dem Computer sitze, denke ich ständig nach; beginne Sätze, die ich nicht zu Ende führe, weil mir beim Reden etwas für den Roman einfällt, und höre kaum zu. Also so ganz normal ist das wohl eher nicht – aber zum Glück hat Sandra auch eine kleine Klatsche; wir ergänzen uns also sehr gut Icon_wink

Literatopia: In welcher Umgebung schreibst Du? Hast Du einen festen Arbeitsplatz oder schreibst Du, wo Du gerade bist? Brauchst Du zum Schreiben eine besondere Atmosphäre, bestimmte Musik oder andere Komponenten, die Dich während des Schreibens positiv beeinflussen?

Sebastian: Mittlerweile habe ich tatsächlich einen festen Arbeitsplatz, einen kleinen Schreibtisch im Wintergarten mit Blick in den Garten. Es ist schon erstaunlich – je schrecklicher die Szenen sind, die ich schreibe, umso schöner muss meine Umgebung sein. Mit Musik beim Schreiben kann ich gar nichts anfangen, das lenkt mich zu sehr ab.

Literatopia: Gehörst Du zu den kreativen Menschen, die immer ein kleines Notizbuch bei sich haben, um gegebenenfalls spontane Ideen schnell aufschreiben zu können? Wovon lässt Du Dich generell inspirieren?

Sebastian: Ich werde von den verrückten Menschen in meinem Bekanntenkreis inspiriert, schreibe mir aber nichts auf. Wenn ich alles notieren würde, was ich beobachte, käme ich aus dem Schreiben gar nicht mehr heraus. Wenn ich mich aber noch ein halbes Jahr später an eine bestimmte Situation erinnere, dann ist sie es vermutlich wert, in einem Buch festgehalten zu werden.

Literatopia: In Deinen Büchern glänzt Du mit fundiertem Wissen. Wie lange dauert die Recherche für eine Geschichte im Durchschnitt? Greifst Du hierbei immer auf die gleichen Quellen zurück, arbeitest Du mit einem festen Team zusammen?

Sebastian: Sowohl als auch. Ich habe ein festes Team im Verlag und unter Freunden und Verwandten (mein Bruder ist Neuroradiologe, seine Frau Neurologin!). Aber je nach Thema ziehe ich weitere Experten zu Rate. Und aktuell stehe ich in Kontakt mit ca. 30 Blinden, die mich für den Roman "Der Augensammler" beraten, denn hier spielt eine blinde Physiotherapeutin eine Hauptrolle.

Literatopia: Eine Frage, die natürlich in keinem Autoren-Interview fehlen darf: Wie bist Du überhaupt zum Schreiben gekommen? War Autor schon immer Dein Berufswunsch oder hattest Du ganz andere Zukunftsvorstellungen? Womit hast Du vor Deinem Erfolg als Schriftsteller Deine Brötchen verdient?

Sebastian: Ich wollte früher alles Mögliche werden: Tennisspieler, Schlagzeuger, Tierarzt und eine Zeit lang soll an meiner Zimmertür ein Schild mit der Aufschrift "Sebastian Fitzek, Autor" gehangen haben. Sagt jedenfalls mein Vater. Ich kann mich nicht so genau erinnern, damals war ich sieben Icon_wink
Während meiner Studienzeit (Jura) hab ich dann beim Radio gearbeitet. Kurz nach meinem ersten Staatsexamen bot man mir in Berlin die Chefredaktion für einen großen Radiosender an, und da hab ich natürlich zugeschlagen, obwohl ich Jura (hier vor allen Dingen das Strafrecht) auch extrem spannend fand. So gesehen bin ich der Rechtswissenschaft ja am Ende doch treu geblieben, auch wenn ich die Psychopathen jetzt nicht verteidige, sondern "nur" über sie schreibe.

Literatopia: Wie lange hast Du an Deinem ersten Psychothriller geschrieben, bis er in Deinen Augen gut genug war, ihn einem Verlag zu präsentieren? Kommt von Buch zu Buch eine Routine ins Schreiben, die die Fertigstellung beschleunigt? Oder ist es jedes Mal eine neue Herausforderung mit ganz anderen Schwierigkeiten? Wie lange dauert es von der Grundidee bis zum fertigen Buch?

Sebastian: Etwa drei Jahre. Und ja, man bekommt etwas Routine. Aktuell benötige ich im Schnitt mindestens ein Jahr pro Buch; schneller wird es aber auf gar keinen Fall, denn es gibt keine Schreibformel, an die man sich halten kann. Jeder Thriller ist anders und wirft Probleme an völlig unterschiedlichen Stellen auf.

Literatopia: Stichwort Schreibblockade: Kennst Du das Gefühl, wenn einfach gar nichts mehr geht? Wie gehst Du damit um, welche Tipps hast Du für unsere Forenuser? Gibt es ein Patentrezept, der Schreibblockade aus dem Weg zu gehen?

Sebastian: Ich hatte zum Glück noch nie eine Schreibblockade, habe aber gehört, dass man einen solchen Krampf lösen kann, indem man einfach weitermacht. Schreiben, schreiben, schreiben – egal was, selbst wenn man weiß, dass man am Ende des Tages das meiste davon in die Tonne treten wird. Irgendwann löst sich die Verspannung und es geht flüssig weiter.

Literatopia: Bleibt neben der eigenen Schreiberei noch Zeit, selbst auch Bücher zu lesen? Wenn ja, was liest Du dann am liebsten? Romane der "Konkurrenz" oder gehen Deine Leseausflüge in ein ganz anderes Genre? Gibt es Lieblingsautoren oder sogar ein absolutes Lieblingsbuch?

Sebastian: Ich lese jede Woche mindestens ein Buch. Aktuell habe ich mit größtem Vergnügen "Die Arena" von Stephen King aus der Hand gelegt. Meistens bleibe ich tatsächlich dem Thriller-Genre treu, liebe alles von Harlan Coben. Aber auch historische Romane mag ich sehr.

Literatopia: Welche Reaktionen erhältst Du aus Deinem Familien- und Freundeskreis? Werden Deine Bücher gelesen oder nimmt Dein privates Umfeld eher Abstand vom berühmten Sebastian?

Sebastian: Die halten mich zum Glück nicht für berühmt, lesen meine Bücher und halten sich auch mit Kritik nicht zurück. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass sich mein Leben durch das Schreiben nicht extrem verändert hätte; aber dadurch dass mein Umfeld so normal ist, vergesse ich manchmal, dass ich – zumindest für einige Mitmenschen – ein Teil des öffentlichen Lebens geworden bin. Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn mich jemand um ein Autogramm bittet. Allerdings passiert mir das außer bei Lesungen sehr, sehr selten.

Literatopia: Liest Du eigentlich auch Rezensionen zu Deinen Büchern? Wie wichtig ist Dir Kritik und wie gehst Du damit um? Kannst Du aus jeder Kritik etwas Positives für Deine weitere Arbeit ziehen?

Sebastian: Ich überfliege einige Rezensionen, wichtig ist mir aber nur die persönliche Kritik von Freunden, Bekannten, Verwandten und den tausenden von Lesern, die sich direkt bei mir melden (meine Mail-Adresse steht hinten in jedem Buch).
Anonyme Kritiken versuche ich zu meiden (obwohl mir das nicht immer gelingt).
Wie jeder kreative Mensch bin auch ich voller Selbstzweifel. Ich wollte ja nie Autor werden, sondern immer nur eine Geschichte aufschreiben, die mir persönlich gefällt. Wenn dann jemand kommt und sagt "das ist aber schlecht, das gefällt mir nicht", dann denke ich im ersten Impuls: "Der hat Recht." Dann brauche ich wieder zwanzig positive Mails und Gästebucheinträge, um die eine negative Stimme wieder auszugleichen. Zum Glück ist das Verhältnis aktuell ungefähr in diesem Bereich Icon_wink

Literatopia: Wann hast Du das erste Mal bewusst wahrgenommen, dass Du es als Autor geschafft hast, dass Dein Name unter Literaturfreunden ein vielgenannter ist? Wirst Du auf der Straße erkannt und angesprochen? Wie gehst Du generell mit dem Erfolg um, wie sehr hat sich dein Leben insgesamt verändert?

Sebastian: Ich denke (und das ist kein fishing for compliments), dass ich es als Autor noch lange nicht "geschafft" habe. Denn das bemisst sich nicht nach Auflagezahlen oder Autogrammanfragen, sondern nach der inneren Einstellung. Und hier glaube ich ganz fest, dass ich mein bestes Buch noch lange nicht geschrieben habe.
Und zum Erfolg - mit Erfolg kann man nicht umgehen, man kann nur hoffen, dass die launische Diva etwas länger bei einem zu Gast bleibt, bevor sie sich wieder verabschiedet und auf dem Weg zum Nächsten macht. Denn eines ist sicher: Erfolg ist wie das Leben selbst. Meistens nur vorübergehend.

Literatopia: Du hast Mitgliederaccounts bei StudiVZ, MySpace und Twitter und wirst so zu einem Star zum Anfassen. Wie wichtig ist Dir der direkte Kontakt zu Deinen Fans?

Sebastian: Noch mal: Ich bin kein Star, sondern Autor; und der auch nicht zum "Anfassen" (ich bezweifle, dass die meisten Leser das wirklich wollten Icon_wink), sondern zum Kommunizieren. Der Kontakt zu meinen Lesern ist mir unglaublich wichtig. Wenn ich mich nicht für sie interessieren würde, weshalb sollte ich dann überhaupt schreiben? Hunderttausende Autoren können bestätigen, dass es sicherlich einfachere Wege gibt, sein Geld zu verdienen. Aber keinen schöneren, wenn man Kontakt zu denen hat, die man mit seinen Büchern berührt hat. (Gott, das hört sich jetzt kitschig an. Aber es ist so Icon_wink)

Literatopia: Für manche Bücher ist die Atmosphäre beim Lesen sehr wichtig. Wann und wo sollte man Deine Romane am besten lesen, um ihre Wirkung voll auszuschöpfen? Welche Zielgruppe möchtest Du erreichen, und wem rätst Du eher vom Lesen Deiner Werke ab?

Sebastian: Es gibt keinen bestimmten Ort, an dem man meine Bücher lesen sollte. Die Atmosphäre stellt sich durch das Buch ein, nicht durch die Umgebung. Und es gibt niemanden über 14, dem ich von meinen Büchern abraten würde. Wäre ja auch schön blöd von mir Icon_wink

Literatopia: Deine Bücher spielen allesamt in und um Berlin oder haben ihren Ursprung in der Hauptstadt. Für Berlinkenner macht das Deine Geschichten realer. Ziehst Du eine Änderung des Schauplatzes in Erwägung oder bist Du von Herzen Berliner und Deiner Stadt treu? Wenn Ersteres, welche Stadt würde am ehesten als Fitzek-Schauplatz in Frage kommen?

Sebastian: Ich lebe in Berlin und liebe diese Stadt. Als alternative Metropole käme für mich New York in Betracht, allerdings werde ich meine Figuren sicher auch mal nach Rom oder Barcelona schicken, meine europäischen Lieblingsstädte.

Literatopia: Manche Deiner Protagonisten tauchen in späteren Büchern noch mal auf, sei es in der Danksagung oder als Nebencharakter. Warum? Wachsen Dir Deine Figuren so sehr ans Herz, dass es Dir schwer fällt, Dich von ihnen zu trennen?

Sebastian: Genau so ist es!

Literatopia: Wie viel von Dir selbst steckt in Deinen Helden? Und wenn Du Dich selbst als Hauptfigur in eine Geschichte schreiben könntest, welche Rolle würdest Du übernehmen und welche Eigenschaften hättest Du?

Sebastian: In jeder Figur schwingt etwas von mir selbst mit. Aber mich selbst als Helden eines spannenden Romans zu sehen – nein, dafür fehlt sogar mir die nötige Phantasie Icon_wink

Literatopia: Die Aufmachung von Büchern spielt eine wichtige Rolle. Wie viel Mitspracherecht hast Du bei der Gestaltung? Gefallen Dir die Cover, passen sie zum Inhalt Deiner Bücher? Und warum gab es "Das Kind" und "Splitter" als Hardcover-Ausgabe, während "Die Therapie", "Amokspiel" und "Der Seelenbrecher" nur als Taschenbuch erhältlich sind?

Sebastian: Ich habe jedes Mitspracherecht, mache aber davon keinen Gebrauch, da ich von diesen Dingen überhaupt gar keine Ahnung habe. Bislang haben mir die Agenturvorschläge immer sehr gut gefallen. Zum Thema "Hardcover versus Taschenbuch" habe ich hier auf meiner Homepage mal etwas geposted; das kann man nicht in einem kurzen Satz beantworten: http://www.sebastianfitzek.de/?s=blog&eid=73

Literatopia: Inzwischen gibt es neben den "normalen" Büchern auch E-Books und Hörbücher. Wie stehst Du zu diesen? Sind das für Dich Modeerscheinungen oder Trends, die sich auf Dauer durchsetzen? Denkst Du, man muss mit der Zeit und mit dem Fortschritt gehen, oder gehörst Du zu den Verfechtern des "richtigen" Lesens?

Sebastian: Es gibt kein "falsches" Lesen. Hauptsache ist doch, jemand schafft es, sich den Zugang zu einer anderen Welt zu verschaffen. Ob er das mit einem Hörbuch, Ebook, Taschenbuch, Hardcover oder gemeißelten Felsplatten tut, soll jeder selbst entscheiden.
Ich persönliche ziehe das gebundene Buch allen anderen Medien vor, sehe aber durchaus Vorteile des Ebook, auf dem ich selbst zum Beispiel alle meine Manuskripte, Drehbücher etc. gespeichert habe und so nicht mehr Tonnen von Papier ausdrucken und rumschleppen muss.

Literatopia: Unsere letzte Frage: Wie sehen Deine zukünftigen Pläne aus, worauf können sich Deine Fans freuen? Was erwartet uns mit Deinem nächsten Buch?

Sebastian: Natürlich wieder auf einen Psychothriller: "Der Augensammler"

Er spielt das älteste Spiel der Welt: Verstecken. Er spielt es mit deinen Kindern. Er gibt dir 45 Stunden, sie zu finden. Doch deine Suche wird ewig dauern. Erst tötet er die Mutter, dann verschleppt er das Kind und gibt dem Vater 45 Stunden Zeit für die Suche. Das ist seine Methode. Nach Ablauf der Frist stirbt das Opfer in seinem Versteck. Doch damit ist das Grauen nicht vorbei: Den aufgefundenen Kinderleichen fehlt jeweils das linke Auge. Bislang hat der Augensammler keine brauchbare Spur hinterlassen. Da meldet sich eine mysteriöse Zeugin: Alina Gregoriev, eine blinde Physiotherapeutin, die behauptet, durch bloße Körperberührungen in die Vergangenheit ihrer Patienten sehen zu können. Und gestern habe sie womöglich den Augensammler behandelt.

Literatopia: Vielen Dank für die Zeit, die Du Dir genommen hast, und Deine interessanten Antworten! Das Team von Literatopia wünscht Dir für zukünftige Projekte viel Erfolg!


~~~ Leserfragen ~~~

Leserfrage: Woher stammen die Ideen für Deine Geschichten und haben sie einen familiären Hintergrund?

Sebastian: Zu meinen Ideen werde ich durch Alltagssituationen inspiriert. Die Idee für "Das Kind" ergab sich aus einem Streit mit meiner besten Freundin.
Sie behauptete nämlich, dass sie sich als kleines Kind bei einem Frankreich-Urlaub mit ihren Eltern beim Besuch eines Marktplatzes daran erinnert habe, dort schon einmal gewesen zu sein. Damals war sie sieben Jahre alt und der Marktplatz war der, auf dem Johanna von Orleans auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Ich sagte: "Na klar, ist doch komisch. Weshalb sind alle Leute, die sich an ihr früheres Leben erinnern können, eigentlich immer so verdammt wichtig gewesen? Und wieso sagt eigentlich kaum einmal jemand etwas Negatives über sich. Wie zum Beispiel: Ich war ein Serienmörder …" Und damit war die Grundidee geboren.

Leserfrage: Glaubst Du wie in Deinem Roman "Das Kind" an mehrere Leben?

Sebastian: Ich finde, es ist schon so unglaublich, dass wir überhaupt einmal geboren wurden, dass auch alles andere denkbar ist. Waren wir alle schon einmal hier? Möglich! Aber was, wenn dieses Leben jetzt unser Letztes ist? Ich versuche es genau mit dieser Einstellung zu leben. Und manchmal gelingt es mir sogar …

Leserfrage: Schreibst Du nur Thriller oder auch was anderes? Versteckst Du auf Deinem Rechner vielleicht sogar Gedichte oder ähnliches?

Sebastian: Aktuell habe ich nur Thriller geschrieben (und ein Sachbuch über Namenforschung) – und ich denke, ich werde meinem Lieblingsgenre noch sehr, sehr lange treu bleiben.

Leserfrage: Wie stehst Du, so ganz allgemein und pauschal, zu dem, was Du schreibst?

Sebastian: Ich stehe zu nichts und niemandem pauschal und allgemein. Meine Einstellung ändert sich von Tag zu Tag. Bei allem, was ich tue, bin ich emotional sehr intensiv involviert. Und meine Emotionen ändern sich Tag für Tag. In dieser Sekunde denke ich zum Beispiel, dass „Der Augensammler“ das beste Buch ist, das ich je geschrieben habe. Aber fragt mich morgen mal …

Leserfrage: Was ist bei Dir zuerst da: die Figur (des Helden), das Setting oder ein genereller Plot?

Sebastian: (siehe unten)

Leserfrage: Wie baust Du Deinen Plot auf? Zuerst die Hauptpunkte, dann die Details und immer mehr Details? Oder Szene für Szene und dann schaust Du, wo Du landest? Oder hast Du gar keinen Plot?

Sebastian: (siehe unten)

Leserfrage: Schreibst Du Dir bei den einzelnen Szenen auf, was darin vorkommen soll und was Du erwähnen willst, oder machst Du Dir davon nur eine grobe Vorstellung?

Sebastian: Ich habe mal die drei obenstehenden Fragen zusammengefasst:

Bei mir beginnt alles mit einer "Was-Wäre-Wenn"-Frage.
Zum Beispiel: Was wäre, wenn man negative Erinnerungen für immer aus seinem Gedächtnis löschen könnte. Und was, wenn etwas dabei schief geht?
Das war die Ausgangsfrage zu "Splitter".
Dann denke ich über die Hauptfigur nach, die diese "Was-Wär-Wenn"-Frage betrifft und von da ab entwickelt alles eine von mir kaum noch zu kontrollierende Eigendynamik.
Bevor ich den ersten Satz schreibe, vergehen dann oft Wochen und Monate mit Nachdenken. Ich setze mich ins Auto, gehe spazieren oder sitze einfach nur auf dem Sofa und führe Selbstgespräche, in denen ich mir immer und immer wieder die Geschichte erzähle, die sich langsam im Kopf entwickelt. Dann erzähle ich die Geschichte Freunden, Bekannten und Verwandten und teste so, ob sie es wert ist, dass ich mindestens vier Monate am Stück an einer ersten Fassung schreibe. Die erste Fassung, die in der Regel dann nicht mehr so viel mit der theoretischen Story gemein hatte, wird dann noch mindestens zweimal überarbeitet. Alles in allem vergehen so mindestens sechs Monate mit Schreiben, der Rest des Jahres geht für Nachdenken, Recherche und Warten drauf. Schließlich muss ich meiner Lektorin ja auch etwas Zeit geben, die Fassungen zu lesen.

Leserfrage: Wie behältst Du all die kleinen Hinweise, die in einem Thriller stecken, im Griff? Hast Du eine Liste, die Du nach und nach abarbeitest und abhakst, oder eine andere Methode?

Sebastian: Ich stecke so in der Geschichte, dass ich beim Schreiben nie auf meine Notizen schauen muss. Das gelingt mir aber nur, indem ich gerade in der Endphase eines Romans nichts anderes nebenher mache. Also auch nicht den Müll raus bringen Icon_wink (Sorry, Sandra!)

Leserfrage: Warum hast Du Deinem Helden in "Der Seelenbrecher" dieses grauenhafte, verstörende Geheimnis mit auf den Weg gegeben? Hätte es nicht einfach nur Untreue in der Ehe sein können? Und ganz generell gefragt: Muss die Helden- oder auch die Täterfigur in einem Thriller so ein Geheimnis haben? Wonach werden solche Geheimnisse ausgesucht?

Sebastian: Gegenfrage: Wäre es nicht etwas überreagiert, wenn der Seelenbrecher aus seinen Opfern psychische Wracks macht und sie sogar tötet, nur weil er von seinem Lebenspartner verlassen wurde? (Dann hätte ich schon öfter zum Seelenbrecher werden können Icon_wink)
Allerdings suche ich mir die Geheimnisse nicht aus. Sie entwickeln sich beim Schreiben; man kann also sagen, sie suchen mich aus.

Leserfrage: Wie kommst Du am Ende immer auf diese überraschenden, aber dennoch logischen Wendungen und Auflösungen? Weißt Du das schon von Anfang an oder kommen diese Ideen erst beim Schreiben?

Sebastian: Zumindest glaube ich während des Schreibens, das Ende zu kennen. Oftmals bin ich dann aber selbst von meinen eigenen Büchern überrascht. Wie gesagt, die Figuren entwickeln ein Eigenleben. Irgendwann hab ich die verfluchten Biester einfach nicht mehr unter Kontrolle.


Dieses Interview wurde von Jessica Idczak für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.


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