Stadt der Diebe (David Benioff)

Blessing (Januar 2009)
Hardcover
Seiten: 381, 19,95 EUR [D]
ISBN: 978-3896673947

Genre: Belletristik


Klappentext

Neujahr 1942: Lew und Kolja warten im Leningrader Kresty-Gefängnis auf ihre Hinrichtung – der eine ein Plünderer, der andere ein Deserteur. Doch statt aufs Schafott führt man die beiden dem Geheimdienstchef der Stadt vor. Und der stellt sie – im Tausch gegen ihre Freiheit – vor eine schier unlösbare Aufgabe: Im belagerten, ausgehungerten Leningrad sollen sie innerhalb von sechs Tagen ein Dutzend Eier auftreiben.

Damit beginnen ein fesselndes Abenteuer und eine tiefe Freundschaft zwischen zwei jungen Männern, die ungewöhnlicher nicht sein könnten – eine tragische, eine komische, eine atemberaubende Geschichte.


Rezension

David Benioff, geboren 1970, debütierte im Jahr 2002 mit seinem Roman 25 Stunden, der mit Edward Norton und Philip Seymour Hoffman in den Hauptrollen verfilmt wurde. Seither begeisterte er als Drehbuchautor, adaptierte Khaled Hosseinis Meisterwerk Drachenläufer und schrieb unter anderem das Drehbuch zum Erfolgsfilm Troja. Mit Stadt der Diebe bietet der in New York lebende Autor nun eine Geschichte, die von Beginn an zu begeistern und viel zu versprechen versteht. Die unglaubliche Geschichte seines Großvaters ...

>> Der Junge begann den Mantel aufzuknöpfen. Er hielt das braun gefiederte Huhn an die Brust gedrückt wie einen trinkenden Säugling. Es war das armseligste Huhn, das ich je gesehen habe, verdreckt und benommen. Ein gesunder Spatz hätte es bei einem Zweikampf in Stücke gerissen. <<

Russland 1942: Lew wird mit siebzehn Jahre beim Plündern erwischt. Wissend um sein nahes Ende landet er im berüchtigten Kresty-Gefängnis und in einer Zelle, die er sich bald mit Kolja teilen muss. Einem Deserteur; optimistisch, lebensfroh und einfach nicht zu beeindrucken. Gemeinsam suchen sie bald darauf nach Eier für die Hochzeitstorte der Generalstochter im ausgehungerten Leningrad, um sich ihr Leben und ihre Freiheit zu erkaufen. Was zu Beginn aussichtslos erscheint, stellt sich als total unmöglich heraus. Es bleibt den beiden nur eine Möglichkeit ihre Haut zu retten: Sie müssen Leningrad verlassen und hinaus in die Wildnis ziehen, auf der Suche nach einer Eierfarm, viele Stunden Kälte und Schutzlosigkeit entfernt ...

Ein unwiderstehliches Buch von einem außergewöhnlichen Geschichtenerzähler. – So meint Khaled Hosseini, ein Autor der es wissen muss, denn nur wenige seiner Kollegen haben es geschafft, sich mit so viel Sprachgewalt und Feingefühl in die Herzen der Leser zu schreiben. In diesem Fall lobt der erfolgreiche Autor einen Roman, der sich zwar gänzlich anderer Schwerpunkte bedient, jedoch die gleiche Wärme und den gleichen Charme zu bieten versteht. Denn trotz der russischen Kälte, des schwer verdaulichen Themas und der notwendigen Brutalität glänzt David Benioffs Geschichte durch Menschlichkeit, Mitgefühl und Zusammenhalt. Zeile um Zeile wird der Leser davon getragen und in das spektakuläre Russland des vergangenen Jahrhunderts entführt. Bombeneinschläge erschüttern Leningrad zu dieser Zeit, doch schlimmer als diese Bedrohung ist die immer schrecklicher werdendere Hungersnot. Frisches Brot und Fleisch gibt es schon lange nicht mehr. Das was man sich mit den Lebensmittelmarken kaufen kann ermöglich zwar ein Überleben, doch nur bedingt und nur mit tiefer Not verbunden. In dieser Tagen suchen Lew und Kolja nach Eiern, doch in einer Stadt in der man schon Schmutz kaut, um den Hunger zu stillen, haben sich Menschen schon für viel weniger umgebracht.

Genau an diesem Punkt setzt der Autor an. Dabei wird er weder dramatisch, noch schildert er plastisch ein Elend nach dem anderen. Im Gegenteil. Er begnügt sich damit durch die transportierte Herzenswärmer der beiden Protagonisten herauszuarbeiten, wie kalt und bedrohlich die Umgebung ist. Eine Methode die in diesem Fall einfach wunderbar funktioniert und den Leser immer wieder wohlwollend lächeln lässt. Denn Kolja und Lew sind im wahrsten Sinne des Wortes etwas Besonderes. In den verzweifeltsten Situationen beweisen sie Galgenhumor und tratschen über Literatur oder Schach. Vor allem der aufgeweckte Schürzenjäger Kolja wächst dabei dem Leser sehr, sehr ans Herz. Er ist das Zugpferd der Geschichte und das obwohl er so manchem Heldenklischee entspricht. Doch das stört nicht, zumindest nicht in diesem besonderen Fall und bei diesem sonst so bestechenden Buch. Kolja ist eben wie er ist und man liebt ihn dafür.

Ebenso schnell verliebt ist man in die Kunst des Autors, die gesammelten Eindrücke sehr schnell und besonders bildlich in den Kopf des Lesers zu katapultieren. Seinen Beruf merkt man ihm an, doch zu keiner Zeit unangenehm. Alles besitzt Tempo, alles einen wunderbaren Lesefluss, ohne dabei überhastet zu sein. Besinnliches findet ebenso Platz wie Action, Schmerz und zu guter Letzt auch Liebe. Insgesamt war hier die Mischung verschiedener Komponenten der Schlüssel zum Erfolg. Man wünscht sich mehr, viel mehr davon.


Fazit

Tragisch, komisch und atemberaubend. Müsste man drei Wörter wählen um Stadt der Diebe zu umschreiben, so würde man ohne Bedenken die des Klappentextes zitieren. Denn sie treffen den Nerv dieses Buch perfekt, das sich rühmen darf, den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu begeistern. – Unbedingt empfehlenswert!


Pro und Kontra

+ emotional besonders wertvoll
+ anrührende Geschichte mit viel genutzten Potenzial
+ liebeswerte Charaktere mit Schwächen & Stärken
+ Charaktere stehen zu jederzeit im Vordergrund
+ liest sich wie ein Märchen (für Erwachsene)
+ nachvollziehbar menschlich
+ wahre Freundschaft

o einfacher, schmuckloser Stil
o Russland für Leser, die es nicht immer genau wissen möchten

Bewertung:

Handlung: 5 / 5
Charaktere: 5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


Rezension zu "Alles auf Anfang"