Der Kuss des Morgenlichts (Leah Cohn)

Krüger (April 2010)
Hardcover, 429 Seiten, 18,95 EUR
ISBN: 978-3810510747

Genre: Fantasy Romance / Jugendbuch


Klappentext

Sie sind keine gewöhnlichen Menschen – sie sind Nephilim, Unsterbliche. Und sie haben einen Auftrag zu erfüllen. Als die junge Musikstudentin Sophie sich in den geheimnisvollen Nathanael verliebt, ahnt sie nicht, dass wegen ihrer Liebe der uralte Kampf zwischen Gut und Böse wieder entfacht wird. Denn Nathanael ist ein Nephil …


Rezension

Sophie wird von ihren Kommilitoninnen nur „die Japanerin“ genannt, was nicht auf ihren Fleiß, sondern eher auf ihre streberhafte Art bezogen ist. Als Mauerblümchen ohne Selbstbewusstsein hat sie es nicht leicht, dabei sind es nicht einmal die anderen Studenten, die ihr so sehr zusetzen. Das Klavier ist ihre große Leidenschaft, doch sobald sie vorspielen soll, werden ihre Finger steif und ungelenk. Das ändert sich, als sie Nathanael Grigori kennenlernt, einen begnadeten Cellisten, der ausgerechnet mit ihr gerne zusammenspielen möchte. Mit ihm versinkt sie in der traumhaften Musik, die sie gemeinsam heraufbeschwören. Bald erblüht eine zarte Liebe zwischen den beiden, doch als Sophie schwanger wird, verschwindet Nathanael spurlos. Sophie entscheidet sich dennoch, ihr Kind zu bekommen und nennt das Mädchen „Aurora“. Sieben Jahre glückliche Jahre vergehen, doch dann beginnt Aurora sich auf eine beängstigende Art und Weise zu verändern …

Die Tage in Salzburg schildert Leah Cohn mit einem zerbrechlichen Zauber, der junge Leserherzen gewiss höher schlagen lässt. Die Stadt wird sehr lebendig beschrieben, sodass man das Gefühl bekommt, tatsächlich dort zu sein. Dazu ist die Liebesgeschichte zwischen der jungen Sophie und dem bis dahin nur als außergewöhnlich begabten Cellisten bekannten Nathanael schön zu lesen. Insbesondere ihre Liebe zur Musik wird greifbar und berührt. Nur leise Andeutungen führen mehr und mehr zum phantastischen Kern der Geschichte. Doch mit Nathanaels „Flucht“ kehrt der Leser erst einmal wieder zur Normalität zurück. Es folgt eine Zeit, die die inzwischen erwachsene Sophie mit ihrer Tochter in einer alten Villa bei Hallstatt verbringt. Das eher ländliche und einfache Leben malt die Autorin abermals gekonnt aus – die Bilder, die im Kopf des Lesers entstehen, sind farbenfroh und warm wie die ersten Sommertage. Doch als mehr und mehr phantastische Elemente im Roman auftauchen, bekommt man das Gefühl, die Autorin handle nur noch Genreklischees ab.

Sophie ist das schüchterne, von Selbstzweifeln geplagte Mädchen, das vom attraktivsten und begabtesten Jungen begehrt wird. Bis zum Ende des Romans kommt sie aus ihrer Mädchenrolle jedoch nicht heraus, eine wirkliche Entwicklung erwartet man vergebens. Eher hat man das Gefühl, dass die erwachsene Sophie sich zurückentwickelt hat, so unüberlegt und teilweise hysterisch erscheint sie. Ihr Geliebter Nathanael hadert mit seiner Existenz als Nephilim und natürlich gibt es gute und böse dieser Art. Der uralte Kampf zwischen „Gut und Böse“ bleibt jedoch letztlich ein Rachespiel zwischen verfeindeten Nephilim, drum herum strickt die Autorin einen Mythos um die Entstehung der beiden Nephilimarten. Es gibt Wächter, die die Menschen beschützen und Schlangensöhne, die sie ausnutzen und ermorden. Die mythologischen Hintergründe werden interessant umgesetzt, nur bleiben die Unsterblichen unheimlich klischeehaft. Der Böse in der Geschichte bekommt ein rührseliges Schicksal verpasst, ist aber ein schlichtweg mieser Charakter. Nathanael dagegen ist so gut, dass er immer wieder den entscheidenden Moment zu handeln verpasst.

Und so kommt es zu einem dramatischen Showdown, der sich unglaublich in die Länge zieht. Der Roman hätte beinahe nach 300 Seiten zu Ende sein können, stattdessen findet die Autorin immer wieder Gründe, das Ganze nochmals zu strecken – so weit, bis man am Ende keine rechte Lust mehr hat, weiterzulesen. Schließlich bleibt das Ende offen, was bei der Autoreninformation bereits angedeutet wird – Leah Cohn schreibt an einer Fortsetzung. Ihr Handwerk beherrscht sie jedenfalls. Nur wirkt „Der Kuss des Morgenlichts“ sehr konstruiert. Man kann geradezu abschätzen, auf welchen Seiten die nächsten Andeutungen folgen, die Spannung erzeugen sollen. Für etwas erfahrenere Leser ist dieses Buch ab der Hälfte ziemlich vorhersehbar, was bei dem tollen Anfang unglaublich schade ist. Fast wünschte man sich, dass die Autorin bei ihrer zarten Liebesgeschichte um zwei junge Musiker geblieben wäre. Hier zeigen sich ihre Stärken. In der Phantastik eher nicht, auch wenn die mythologischen Hintergründe noch so gut ausgearbeitet sind. Ihre gute Grundidee leidet unter der mangelhaften Umsetzung.

Was man dem Verlag lassen muss, ist die wunderschöne Gestaltung des Hardcovers. Das Cover ist ansprechend gestaltet, hätte jedoch mehr in den Farben der Morgenröte gehalten werden können. Was allerdings stört, ist der innere Klappentext, der viel zu viel Inhalt verrät. Die ersten 100 Seiten lesen sich verträumt und schön, aber man weiß ja schon, wie das ganze ausgeht, das die Liebe (vorerst) ein verfrühtes Ende findet. Hätte die Geschichte an diesem Punkt angesetzt, würde alles passen, aber so wird vorab ein Teil der Spannung rausgenommen. Was bleibt, ist das „Wie“ und so erwartet man das Unausweichliche und wie es danach weitergeht.


Fazit

Die gute Idee um das Schicksal der Nephilim scheitert an einer eher schwachen Umsetzung. „Der Kuss des Morgenlichts“ lebt von interessanten mythologischen Hintergründen und dem Zauber der Jugendliebe zwischen Sophie und Nathanael. Doch spätestens ab der Hälfte des Romans kippt das positive Bild und was bleibt, ist ein endloses, zu vorsehbares Ende, dem es an Kreativität und Konsequenz mangelt.


Pro & Contra

+ lebendige Beschreibungen von Salzburg und Hallstatt
+ zarte Liebesgeschichte zu Beginn des Romans
+ gut ausgearbeiteter mythologischer Hintergrund

- zum Ende hin ziemlich vorhersehbar
- klischeehafte Charaktere
- endlos in die Länge gezogener Showdown

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5


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