Die Invasion (Bernard Werber)



Heyne Verlag (April 2010)
Taschenbuch, 1408 Seiten, EUR 16,00
ISBN: 978-3453527263

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Als Jonathan Wells das Haus seines Onkels erbt, ahnt er nicht, was dort im Dunkel des Kellers lauert. Denn sein Onkel, ein ehrgeiziger Biologie und Ameisenforscher, hat in den abgelegenen Räumen des Hauses seine gefährlichsten Experimente untergebracht: Ameisenvölker, deren kollektive Intelligenz ein unglaubliches Niveau erreicht hat. Und die einen grausamen Vernichtungsfeldzug gegen die Menschheit planen…


Rezension

Der vorliegende Band vereint Werbers „Trilogie der Ameisen“ in sich und bietet auf 1400 Seiten „Unterhaltung der etwas anderen Art“. Und das in mehr als einer Hinsicht. Das bedeutet aber auch, dass man sich auf vieles einlassen und so manches hinnehmen muss.

Der Aufbau der Trilogie folgt einem recht ausgeklügelten Konzept. Grundlage hierfür ist eine dreibändige Enzyklopädie, die der verstorbene Edmond Wells verfasst hat. In jedem Teil der Trilogie finden die unterschiedlichen Protagonisten jeweils einen Band, dessen Inhalt ihr Leben nachhaltig verändert. Und so ist der mysteriöse Edmond Wells dann auch der heimliche Hauptcharakter, der posthum die Fäden zieht und seine spektakulären Ideen in die Köpfe des jeweiligen Protagonisten pflanzt.
Und diese Enzyklopädie ist nicht etwa, wie man erwarten könnte, ein nebulöses Etwas, sondern vielmehr eine Handfeste Sammlung der unterschiedlichsten Texte, von denen sicherlich weit über 100 im Buch abgedruckt sind. Von Interessantem, Witzigem, Überraschendem bis hin zu Skurrilem ist so ziemlich alles vertreten. Dabei sind die Texte so angelegt, dass sie die Geschichte meist sinnvoll ergänzen und den Leser mit zusätzlichen Informationen versorgen. Allerdings sind viele darüber hinaus so angelegt, dass sie den Leser beträchtliches an Nerven kosten. Denn nicht selten tischt Bernard diesem pseudoesotherisches Gewäsch auf; ein neunmalkluger Halbwüchsiger, der aus populärwissenschaftlichen Sachbüchern zitiert, könnte nicht schlimmer sein.

Ähnliches gilt leider auch für die Charaktere. So gut wie alle der zahlreichen handelnden Personen sind flach und lieblos beschrieben, wirken im besten Fall unglaubwürdig und im schlechtesten Fall unerträglich. Ihre Aktionen sind oftmals nicht im Geringsten nachvollziehbar – und wie auch, werden doch meist nur ihre Taten beschrieben, ohne die dazugehörigen Gefühle und Motive zu offenbaren. Die seltenen Fälle, in denen auf das Innenleben der Charaktere eingegangen wird, wirken schablonenhaft und gezwungen. Spätestens als die Protagonistin des dritten Teils dem „Mörder“ ihres Vaters, der diesem ein Betäubungsmittel verabreicht hat, lapidar mit den Worten „Sie konnten ja nicht ahnen, dass er allergisch darauf reagiert“ vergibt, bleibt einem nur noch, hilflos mit dem Kopf zu schütteln. Zumal dies nur als exemplarisch für dutzende weitere Fälle zu betrachten ist.

Der Clou an „Die Invasion“ sind indes die „nichtmenschlichen“ Charaktere, nämlich die Ameisen. Denn ein Gutteil des Romans ist aus deren Sicht geschrieben. Das bedeutet für den Leser natürlich erst einmal, sich auf diese ungewöhnliche Art des Erzählens einzustellen, sich darauf einzulassen.
Auf geschickte Art führt Werber den Leser immer näher an die „Kultur“ und „Lebensweise“ der Ameisen heran und verknüpft deren Handlungsstränge mit denen der menschlichen Charaktere. Dass man dabei quasi zum Experten in Sachen Ameisen wird, ist ein netter und gut in das Gesamtkonzept eingearbeiteter Nebeneffekt. Allerdings kommt Werber besonders gegen Ende nicht umhin, das Konzept der Ameisenperspektive gehörig zu strapazieren. Schon im früheren Verlauf sind jene Stellen nicht selten; wenn die Ameisen nämlich komplizierte Dialoge führen, die einfach nicht glaubwürdig wirken. Zwar will Werber die Entwicklung der Ameisen darstellen, zuweilen fragt man sich aber, ob er es damit nicht übertreibt: Feuer und Katapulte einsetzende, gar sich künstlerisch betätigende Ameisen lassen selbst jene zweifeln, die sich bewusst auf das Konzept eingelassen haben.

Überhaupt wäre weniger manchmal mehr gewesen. Auch so manche Schwäche in der Logik wäre durch nicht ganz so dickes Auftragen vermeidbar gewesen. So aber erscheinen viele Dinge schlichtweg an den Haaren herbeigezogen – nicht nur im Erzählstrang der Ameisen.


Fazit

Die dem Roman zu Grunde liegende Idee einer Veränderung der Welt vom Kleinen ausgehend ist durchaus reizvoll. Eine etwas stimmigere Umsetzung dieser Grundidee hätte jedoch den Lesespaß erheblich gesteigert. Dieser wird leider durch viele kleine und größere Mängel immer wieder empfindlich gedämpft.


Pro & Kontra

+ innovative Idee und Konzeption
+ oft sehr lehrreich

- flache Charaktere, deren Beweggründe oft nicht nachvollziehbar sind
- zu viele Abschnitte, in denen der Autor sich offenbar wahnsinnig schlau vorkam
- Logiklöcher
- oft zu dick aufgetragen

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4/5