Deine Juliet (Mary Ann Shaffer)

rororo (Januar 2009)
Seiten: 295, 8,95 EUR [D]
ISBN: 978-3-499-24593-0

Genre: Belletristik


Klappentext

London in den späten vierziger Jahren: Die temperamentvolle junge Schriftstellerin Juliet erhält eiens Tages einen erstaunlichen Brief. Absender ist Dawsey Adams, ein Bauer von der Kanalinsel Guernsey. Er hat antiquarisch ein Buch erworben, das zuvor ihr gehörte. Zwischen der Literatin und dem Bauern entspinnt sich ein Briefwechsel, durch den Juliet von der Existenz eines literarischen Clubs erfährt, den die Inselbewohner gründeten, um sich über die schwere Kriegszeit hinwegzuhelfen. Je mehr Juliet über Dawsey und die anderen erfährt, desto neugieriger wird sie. Sie beschließt, auf die Insel zu reisen. Dort stößt sie auf die Geschichten von Elizabeth und deren großer Liebe zu einem deutschen Offizier. Und sie lernt Dawsey kennen ...


Rezension

Mary Ann Shaffer arbeitete als Buchhändlerin und Bibliothekarin. Ihr erster und zugleich einziger (Brief-)Roman Deine Juliet wurde wenige Monate nach ihrem Tod veröffentlicht und kurz darauf ein ungeheurer Erfolg.

>> ... ich habe einen Brief von Juliet Ashton vorliegen und bin erstaunt über den Inhalt. Verstehe ich recht, dass ich eine Charakter-Empfehlung für sie abgeben soll? Schön, sei´s drum! Ich kann ihren Charakter nicht in Zweifel ziehen – nur ihren gesunden Menschenverstand. Sie hat keinen. <<

London 1946: Juliet Ashton ist erfolgreich, charmant und liebenswürdig. Mit humoristisch angehauchten Kriegsberichten hat sie sich einen Namen gemacht, doch nun, Monate später, möchten ihr keine Ideen mehr kommen. Kurz darauf erhält die nach Inspiration suchende Autorin einen Brief. Einen, der ihre Gedanken immer wieder entgleisen lässt und sie schließlich auf die Kanalinsel Guernsey zieht. Dort trifft sie Menschen, die ihr Leben verändern und ihr vor Augen halten, was das Wichtigste ist ...

Deine Juliet lässt sich im Grunde schon nach den ersten Seiten mit einem Wort beschreiben: "wunderbar". Denn von Beginn an ist es eine besondere Freude, die Protagonistin Juliet Ashton kennenzulernen. Ihre Ansichten, verworrenen Träume und Unsicherheiten begeistern. Als Autorin schreibt sie sich durch ihre kleine Realität und liebt es, ihren Alltag mit dem Schreiben von Briefen zu verbringen. Ein Tagesablauf, der etwas Verträumtes, aber doch auch Realitätsnahes zu bieten versteht. Mary Ann Shaffer überzeugt in diesem Punkt auf ganzer Linie und schafft es, ihre Leser im ersten Teil des Romans mit einer ausgewogenen Mischung aus Sarkasmus, Lebensweisheiten und Humor zu unterhalten. Immer wieder nimmt sich die Protagonistin selbst aufs Korn, erzählt berührend aus ihrem Leben oder schreibt über ernste Themen mit ihren Freunden. Es wird zusammen über den Postweg gelacht, geweint, geherzt und oftmals auch über Belangloses debattiert.

Was jedoch "wunderbar" anfängt, setzt Mary Ann Shaffer im zweiten Teil des Buches (leider) "wunderbarst" fort. Denn aus dem oftmaligen Lachen, Weinen und Herzen wird ein emotionaler Dauerzustand, der einfach nicht mehr enden will. Es ist schlicht zu herzlich, zu anstrengend und zu langweilig, den Protagonisten folgen zu wollen. Denn mit Dawsey Adams erstem Brief, einem auf einer Kanalinsel lebenden Bauern, entwickelt sich eine vorerst zarte Freundschaft, die schlussendlich auszuufern versteht. Mehr Briefe kommen an. Dawsey schwärmt für Juliets Freundlichkeit und die Protagonistin selbst für den „Club der Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf“ über den sie bald mehr erfahren möchte. Auf Dawseys Wunsch erklären sich viele Menschen bereit, Juliets Wissensdurst zu stillen und über die psychologischen Wirkungen der literarischen Gemeinschaft zu berichten. Und eben diese Menschen sind wieder einfach nur "wunderbar". Wunderbar verschieden, wunderbar freundlich, wunderbar herzlich. Spätestens zu dieser Zeit muss so mancher Leser die Stirn runzeln und sich fragen, warum die Autorin ihr Buch nach der ersten Hälfte so plötzlich in rosa Wölkchen packt. Denn je mehr sich die bezaubenden Freundschaften aufbauen, je mehr sich munter ausgetauscht wird, umso mehr läuft der Leser einen immer schmaler werdenen Pfad entlang. Die Freundschafen sind plötzlich alle so eng. Die Liebe zur Insel mit einem Mal so groß wie unbegrenzt; ein Kind wird aus heiterem Himmel, weil es so wunderbar ist, adoptiert, ein Cottage zur Verfügung gestellt und der Zusammenhalt der Gemeinschaft bis ins Unermessliche gestärkt. Alles ist schön, alles ist umgänglich und alles liebevoll. Schlicht und einfach: Alles ist viel, viel zu "wunderbar".

Und eben dieses Manko ist das größte und gewichtigste, denn es wird kaum Abwechlsung geboten, da im Mittelpunkt die Charaktere stehen. Nur der immer wieder auftauchende, ernste Unterton und die bedrückenden Beschreibungen der Belagerung im Zweiten Weltkrieg bringen die schlussendlich erwünschte Rettung. Es wurde gut recherchiert, wie man der Autorin zugestehen muss. Sie erzählt immer wieder Schreckliches über die Deutschen, die natürlich, im Vergleich mit der Süße des Buches, sehr diabolisch gezeichnet sind. Mary Ann Shaffer befindet sich in diesem Punkt dennoch auf gutem Wege, ebenso wie am Beginn ihres Romans. Hätte sie sich nicht dazu hinreißen lassen, schlussendlich eine Märchenwelt der Liebe zu erschaffen, so wäre dieses Machwerk mehr gewesen, als "nur" eine nette Abwechslung für Zwischendurch.


Fazit

Deine Juliet von Mary Ann Shaffer ist ein leicht zu lesender (Brief-)Roman, der in zwischenmenschlichen Bereichen gerne übertreibt. Er erzählt in liebevoll gestalteten Briefen die Geschichte von Juliet, die ein neues Leben für sich entdeckt und führt vor Augen, wie schön es doch sein kann, sich über die Post zu unterhalten. Herzlich und charmant. - Ein leichtes Buch, mit teilweise ungenutztem Potenzial für lange Winterabende.


Pro und Kontra

+ charmant geschriebene Briefe
+ (zu) liebeswerte Charaktere
+ (zu viel) wahre Freundschaft
+ nettes Lesevergnügen für Zwischendurch
+ stimmungsvoll, wenn auch übertrieben
+ teilweise tiefgründig

o einfacher, schmuckloser Stil
o liest sich wie ein Märchen

- überemotional
- verschenktes Potenzial
- immer wieder Längen vorhanden
- ab einem gewissen Punkt gibt es nur noch "Heile Welt"
- leider viel zu "wunderbar"

Bewertung:

Handlung: 3 / 5
Charaktere: 3 / 5
Lesespaß: 3 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5