Die Legende der scharlachroten Wolken Bd.1 (Saverio Tenuta)

scharlachroten wolken 1

Splitter-Verlag (Mai 2010)
Hardcover, Seiten: 47
Preis 13,80€
ISBN: 978-3868691399

Genre: Fantasy


Klappentext

Ein Samurai lehnt es ab, mit Waffen aus Bambus zu trainieren. Nur richtige Waffen können die Wahrheit offenbaren, da sie tödlich sind! Und der Unterricht eines Kriegers konzentriert sich auf einen einzigen Schlüsselmoment, jenen flüchtigen Augenblick, der im Kampf zwischen Leben und Tod entscheidet. Ein einziger blitzartiger Schwerthieb, und das Blut fließt zu Boden und reißt das Leben mit sich. Es ist nahezu unwichtig zu wissen, wer der Sieger und wer der Besiegte ist. Allein der entscheidende Augenblick zählt.


Rezension

Irgendwann im alten Japan, als noch Shogune regierten, sitzt Raido in der Stadt, die zum Himmel spricht, und genießt das Stück der Puppenspielerin Meiki. Nach einer Ewigkeit sind die Stimmen in seinem Kopf verstummt, die ihn Tag für Tag seit Jahren quälen und Meiki ist offenbar der Grund dafür. Seit er sich erinnern kann, sprechen die Dämonen zu ihm, aber auch das ist sein Problem, sein Gedächtnis ist ebenso weg wie sein linkes Auge und sein rechter Arm.
Seine Ruhe wird jäh gestört, als die Stadtwachen das Schauspiel unterbrechen und Meiki festnehmen wollen. Meiki versucht zu fliehen, doch ihre Häscher sind schneller. In diesem Moment greift Raido ein. Zusammen mit dem Mädchen flüchtet er sich in die eisige Wildnis, doch diese ist alles andere als sicher.

Saverio Tenuta führt den Leser in das alte Japan und erschafft eine epische Geschichte, die sich stark an der asiatischen Kultur und deren mystischen Legenden orientiert. So bedient er sich beispielsweise der japanischen Vorliebe für philosophische Untertöne wie der Frage, ob das Leben des Menschen vorbestimmt und er nur eine Puppe der Götter ist. Ebenso sind Magie sowie Kalligraphie und riesige Waffen zu finden. Gleichzeitig fließen Elemente der westlichen Kultur mit ein, was den Comic dem nicht-asiatischen Leser sehr zugänglich macht im Gegensatz zu manch einem Manga. Auf fliegende Kämpfer, die sich auf Baumwipfeln ein Schwertgefecht liefern, wird genauso verzichtet wie auf zu ungewöhnliche Fantasyelemente.
Der Anfang ist hektisch und blutig und wie der Protagonist weiß der Leser nicht, was sich eigentlich abspielt. Nach und nach wird aber, durch gekonnt gesetzte Rückblenden, die Wahrheit offenbart. Konzentration ist allerdings Voraussetzung, denn die Zeitsprünge kommen unangekündigt und können im ersten Moment verwirren.

Sich in die Gefilde der japanischen Fantasy zu bewegen, öffnet einem Künstler so ziemlich alle Türen. Auch Tenuta greift tief in die Skurrilkiste und erfindet vier Hauptfiguren, die alle von einer mystischen Aura umgeben sind. Allen voran steht Raido. Zweifelsfrei ist er ein Krieger, wovon seine fehlenden Gliedmaßen zeugen. Er muss viel durchgemacht haben und er trägt einen Korb bei sich, dessen Inhalt nicht verraten wird, aus dem jedoch Blut tropft.
Meiki, das Mädchen, das Raido aus nicht ganz uneigennützigen beschützt, ist zwar unscheinbar und doch muss es etwas Besonderes sein, denn die Stimmen in des Kriegers Kopf verstummen. Und aus einem unerfindlichen Grund will sie die Shogunai gefangen nehmen.
Die starre schneeweiße Miene der Herrscherin ist gruselig. Sie scheint gerissen und verfolgt gnadenlos ihre im Dunkeln verborgenen Ziele.
Der bizarrste Charakter ist aber Nobu Fudo. Sein schwarz-weiß bemaltes Gesicht und seine enorme Statur lassen ihn eher wie einen Dämon als einen Menschen wirken. Er bedient sich einer übernatürlichen Technik und sein Hass auf Raido ist endlos.

Wie immer sind die Zeichnungen das Herzstück des Comics und hier beweist Tenuta neben seinen Schriftstellerfähigkeiten seine wahre Stärke. Sehr schön fängt er die alte japanische Baukultur, herbstliche Natur und verschneiten Landschaften ein. Mit Liebe zum Detail kreiert er poetische Bilder, in der Gewalt und Blutvergießen Kunst sind und kein Mittel zum Zweck. Etwas ernüchternd sind gelegentlich die Gesichter. Die schwarzen, dünnen Lippen sind sehr gewöhnungsbedürftig und abgesehen von Nahaufnahmen wirken manche Zeichnungen weit unter den eigentlichen Fähigkeiten des Autors.

Band 1 "Die Stadt, die zum Himmel spricht" ist durchweg sehr spannend und macht Lust auf die weiteren 3 Bände, die nach und nach beim Splitter-Verlag veröffentlich werden. Für alle, die Mangas nicht viel abgewinnen können, sich aber durchaus für japanische Kultur und Mythen interessieren, dürfte dieser Comic genau das Richtige sein.


Fazit

Severio Tenuta wagt sich auf ungewöhnliches Terrain für einen Europäer. Mit einem Gefühl für ästhetische Bilder kreiert er aber eine poetische und blutige Legende, die geradezu strotzt vor individuellen Ideen und überraschenden Wendungen. Wer also glaubt, gute im alten Japan spielende Comics können nur aus dem selbigen Land kommen, wird hier definitiv vom Gegenteil überzeugt.


Pro und Kontra

+ ungewöhnliches Setting für westliche Comics
+ schöne Zeichnungen
+ spannende Story
+ gekonnt eingeflochtene Rückblenden
+ viele Geheimnisse werden noch nicht geklärt

- Zeichnungen von Gesichtern überzeugen nicht immer
- recht kurz

Beurteilung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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