Schwimmen im dunklen Fluss (Breena Clarke)

 


List Verlag, Berlin 2005
253 Seiten
ISBN 3-471-77273-1
21,00 € (D)
Historischer Roman



Im Fluss

Gefährliche Gedanken erwachen zum Leben, greifen um sich wie Funken im trockenen Unterholz. Lula könnte als Erste auf die Idee gekommen sein, vielleicht war es aber auch Tiny gewesen, möglicherweise auch Johnnie Mae. irgendwer sagte: „Gehen wir doch ein Stück weiter. Dort unten ist es kühler.“ [...] Der Nachmittag war heiß, auch die hereinbrechende Dämmerung brachte keine Linderung. Die Hitze klebte an den tief hängenden Ästen der Bäume und ließ kein Lüftchen zu, das sie hätte bewegen können. Das Gebüsch, das den Treidelpfad des C&O-Kanals säumte, dämpfte das raue Gelächter der Mädchen nicht. Sieben Paar bloßer Füße marschierten einfach westwärts auf die Three Sisters zu.

Washington D.C., 1925: Johnnie Mae liebt es, zu schwimmen, und da es farbigen Kindern verboten ist, im neu erbauten Freibad zu schwimmen, müssen sie und die anderen mit dem brackigen Flusswasser vorlieb nehmen. Doch der Fluss ist trügerisch, besonders an der erfrischenden Stelle bei den Three Sisters – und als Johnnie vergisst, aufzupassen, wird ihre Schwester Clara von einem Wirbel hinabgezogen ...

Weiterleben

Den Inhalt des Buches wiederzugeben gestaltet sich nicht sehr einfach. Als roten Faden könnte man vielleicht die Figur Johnnie Mae angeben, doch immer wieder wird für kurze Abschnitte der Fokus auch von ihr auf andere Personen verlagert – selbst der Tod Claras und seine Auswirkungen sind zwar wiederkehrende Motive, doch nicht Handlungsträger. Am ehesten könnte man wohl das Leben selbst nennen: Das Leben schwarzer Amerikaner zu der Zeit um 1925. Geprägt von Benachteiligung und Rassismus, der alltäglich ist, immer wieder beinahe selbstverständlich, immer wieder resigniert akzeptiert. Johnnie Mae, die dagegen rebellieren will, denn das Freibad lockt, wird für sie geradezu zum Symbol für ihre Ausgrenzung. Sie, die ausgezeichnete Schwimmerin, im Wasser daheim, muss hinter weißen Kindern zurückstehen – selbst, wenn diese viel unbeholfener im kühlen Nass herumplätschern.
Doch auch diese Benachteiligung ist nur ein Teil des Lebens. Es kommt zu Veränderungen – der Tod Claras, die Fixierung Johnnies darauf, finanzielle Notwendig- und Schwierigkeiten, Kommen und Gehen, Trauern und Feiern, alles fügt sich zusammen, in „Schwimmen im dunklen Fluss“ (Originaltitel: „River Cross My Heart“) hat alles seine Zeit.

Fragmente

Die Schwierigkeit, die sich aus der Erzählweise ergibt, ist, dass das Buch – wie auch das Leben – keinen eindeutigen Handlungsstrang hat, vielmehr besteht es aus Abbildern, vielleicht vergleichbar mit einem Fotoalbum, das nur manche Bilder zeigt, zwischen denen teilweise auch Lücken klaffen. Als Idee durchaus interessant vermag die Umsetzung nicht ganz zu überzeugen, die vielen auftauchenden Namen, die vielen Figuren und ihre Geschichten sorgen immer wieder dafür, dass es schwierig wird, den Überblick zu behalten. Die Charaktergestaltung fällt recht konventionell aus. Auch sprachlich und stilistisch warten hier keine Besonderheiten, eher lassen viele Stellen Gefühl und Spannung vermissen. Insgesamt bleiben zwar einige Szenen hängen, doch der Großteil des Romans verschwimmt – nicht dunkel, sondern blass und ohne Fluss.

Fazit

Wer nicht auf der Suche nach Unterhaltung ist, sondern stattdessen einen kleinen Einblick in das damalige Leben schwarzer US-Amerikaner gewinnen möchte, der kann gerne einmal in dieses Buch hineinschnuppern – vielleicht freundet er sich besser mit der Schreibweise an als ich. Insgesamt gibt es durchaus interessante Seiten an dem Roman, der historische Aspekt ist gut gelungen, allerdings bleibt es mir persönlich zu farblos, zu fragmentarisch. Auch wenn man ihre Beweggründe nachvollziehen kann, ist die Identifikation mit den Figuren kaum möglich, zu sehr sind sie auf Distanz – so wie nahezu alles: „Schwimmen im dunklen Fluss“ bleibt wenig eindrücklich und verschwindet schnell aus der Leseerinnerung.


Pro und Contra:

+ Meines Wissens nach authentische und detaillierte Darstellung des Lebens farbiger US-Amerikaner zu dieser Zeit
+ Charaktere, die tatsächlich existiert haben könnten, wenn auch konventionell entworfen

o Trockene, emotionslose Schreibweise

- Sehr viele Figuren und angerissene Geschichten, sodass man phasenweise den Überblick verliert
- Zum Teil fehlt doch empfindlich ein roter Faden
- Lässt nach einem guten Einstieg nach, oft zu blass und spannungslos, insgesamt wenig eindrücklich

Bewertung:

Handlung: ?/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 2/5



[Für die Handlung keine Beurteilung, da sie nicht wirklich zu erkennen ist]