Wintereis (Peter van Gestel)

Deutsch von Mirjam Pressler

Beltz & Gelberg 2008
334 Seiten, gebunden
ISBN 979-3-407-81040-3
Preis: € 17,90 (D)

Genre: Belletristik/ Jugendbuch

 

Rezension

1947, ein außergewöhnlich kalter Winter im Amsterdam der Nachkriegsjahre. Die Grachten sind fest zugefroren, die Kohle wird knapp. Der 12-jährige Thomas lebt mit seinem Vater in einer ärmlichen Wohnung. In der Schule lernt er den seltsam zurückhaltenden Zwaan kennen, später auch dessen Cousine Bet, die beide jüdisch sind. Die drei Kinder merken bald, dass sie etwas verbindet: Jeder von ihnen ist auf andere Art einsam, vermisst auf seine eigene Art jemanden, etwas. Aus der vorsichtigen Freundschaft wird mehr, als die Kinder langsam beginnen, über Dinge zu sprechen, über die sie bisher nur geschwiegen haben, über Gefühle, die sie gelernt haben, zu verbergen, und über Geschehenes, über das sie teilweise nichts gewusst haben, weil die Erwachsenen nicht darüber sprechen, endlich vergessen wollen.

Das Elend der Nachkriegszeit aus der Sicht eines 12-jährigen – atmosphärisch und fesselnd erzählt van Gestel eine Geschichte zwischen Kindheit und Jugend. Der Ton ist kindlich, doch keinesfalls kindisch, denn obwohl Erzähler Thomas frech und ungehobelt ist, ist er gleichzeitig unglaublich einfühlsam und nachdenklich. Ein Buch ohne Flauten, in das man sofort hineingezogen wird, das man, eh man sich’s versieht, bis zur Hälfte und dann ganz gelesen hat. Nicht im klassischen Sinne spannend und doch kann der Leser gar nicht anders, als sich völlig auf Thomas als Erzähler einzulassen, gebannt die langsame Annäherung von Thomas, Zwaan und Bet zu verfolgen und die Hintergründe der drei zu erforschen.

Ein stellenweise bedrückendes Buch durch die direkte Herangehensweise der drei Kinder, nicht direkt an die Gräuel des Nationalsozialismus, sondern an die Traumatisierung der Übergebliebenen, der Kinder nach dem Krieg, die sich teilweise schuldig fühlen, weil ihnen die Erinnerungen fehlen. Ein wunderschönes Bild einer keineswegs hoffungs- oder freudlosen Kindheit, einer Freundschaft und seelischen Weiterentwicklung.

Fazit

Wintereis gilt als Jugendbuch, darüber wird man sich aber erst sicher, nachdem man die Einteilung im Internet gefunden hat. Das Buch ist auch für Erwachsene wirklich, wirklich lesenswert und vieles von dem, was zwischen den Zeilen steht, was nebenbei erwähnt wird, kann man wohl auch erst ab einem gewissen Alter wirklich verstehen. Ein Buch, bei dem die Kindheit und die Freundschaft die Hauptrolle spielen und der Krieg, der Nationalsozialismus zwar präsent, aber im Hintergrund bleiben. Einfühlsam und lebensecht erzählt, wirklich schön zu lesen.

 

Bewertung

Handlung:5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5