Die Ketzerbraut (Iny Lorentz)

Verlag Knaur (2010)
Gebundene Ausgabe, 711 Seiten, 19,99 €
ISBN. 978-3-426-66244-1

Genre: Historik


Klappentext

Eigentlich sollte Veva den Sohn eines Geschäftspartners ihres Vaters aus Innsbruck heiraten. Doch auf dem Weg nach Tirol geschieht das Unfassbare: der Brautzug wird überfallen. Vevas Bruder ermordet und das Mädchen selbst von den Räubern entführt. Zwar gelingt es nach wenigen Tagen, Veva zu retten, doch nun glaubt ihr keiner mehr, dass sie noch unberührt ist. Um seine Tochter doch noch unter die Haube zu bringen, beschließt ihr Vater, sie an den als Weiberheld und Pfaffenfeind berüchtigten Ernst Rickinger zu verheiraten. Auch Ernsts Vater hat gute Gründe, seinen Sohn abzuschieben, und so werden die beiden kurzerhand in einer schlichten Zeremonie getraut und nach Augsburg verfrachtet, das zu dieser Zeit hochnäsig auf das bescheidenere München herabschaut. Hier wird das junge Paar von Jakob Fugger unter die Fittiche genommen, und Ernst verbreitet weiter heimlich die Schriften der Lutheraner ...


Rezension

Der Roman ist Mitte des 16. Jahrhunderts angesiedelt, zu der Zeit, als der Reformator Martin Luther mit seinen Thesen für Unruhe innerhalb der katholischen Kirche sorgt und das Bürgertum über die Kaufmannsgilden beginnt zu erstarken. Veva als Tochter eines Kaufmanns spielt, ganz wie es zu dieser Zeit üblich war, eine untergeordnete Rolle in der Familie. Sie wird über die Heiratspläne weder informiert noch dazu befragt. Ihr Vater sieht in ihr nur ein lästiges Familienmitglied, das man nach ihrer Entführung und den Gerüchten um den Missbrauch durch die Räuberbande nicht mehr wie geplant gewinnbringend verheiraten kann. Da der einzige Sohn tot ist, steht jetzt der Wunsch des Vaters nach einem Geschäftsnachfolger im Vordergrund. Da er selbst sehr krank ist, muss er rasch handeln und akzeptiert den Vorschlag seines Freundes, Veva mit dessen Sohn zu verheiraten, obwohl dieser einen sehr schlechten Ruf hat.
Sprachlich hält sich Iny Lorentz an die Zeit der Reformation, verwendet viele Begriffe des damaligen Sprachgebrauchs. Sie versucht das historische Bild zu schaffen, indem sie viele der geschichtlichen Ereignisse in den Roman einbaut. So kommt das junge Ehepaar zum Beispiel mit Jakob Fugger in engen Kontakt und Ernst Rickinger verteilt heimlich Flugblätter mit den Worten Martin Luthers. Der Leser könnte so einen interessanten Einblick in diese Epoche erhalten.
Könnte. Aber letztendlich vermittelt der Roman nur den Eindruck, die Menschen dieser Zeit wären allesamt liederlich, gewalttätig und völlig zügellos gewesen. Und dies bezieht sich vor allem auf den Aspekt der Sexualität, der so stark in den Vordergrund gestellt wird, dass es den Lesespaß gewaltig stört.

Die mühsam aufgebaute Spannung, angedeutete Geheimisse und Verschwörungen verlieren ihren Zauber, weil sie nur allzu leicht zu durchschauen sind. Die Helden der Geschichte agieren durchweg unlogisch. Obwohl sie zu jeder Zeit tiefgehende Überlegungen anstellen, wirken sich diese aber so gut wie nie auf ihre Entscheidungen und Handlungen aus. Die Charaktere entwickeln sich viel zu schnell und zu extrem. Die unbedarfte Veva, die von ihrem Vater nie in die Geheimnisse des Handels eingeweiht wurde, entpuppt sich unerklärlicher Weise als geschäftstüchtig. Ernst Rickinger, der lieber im Wirtshaus saß als bei seinem Vater etwas zu lernen, wird von Jakob Fugger vom ersten Tag an überdurchschnittlich unterstützt. Das junge Paar, das ohne Zuneigung und Einverständnis miteinander verheiratet wurde, akzeptiert nicht nur erstaunlich schnell diese Ehe, sondern findet auch rasch Gefallen daran. Kommissar Zufall ist stets parat, um der Erzählung die erforderliche Wendung zu geben. Und den ganzen Roman über grübelt der Leser über den Titel, dessen Wahl sich einem bis zum Schluss nicht erschließt. Einzig, dass sich die Handlung durchgängig um die Person Vevas dreht, scheint diesen Titel ein wenig zu rechtfertigen. Letztlich laufen alle Stränge der Erzählung immer wieder bei ihr zusammen. Dennoch fehlt ein harmonischer Erzählfluss, die Sätze wirken abgehackt und aneinander gereiht. Alle Entwicklungen und Auflösungen sind ab der ersten Seite vollkommen vorhersehbar.


Fazit

Thema verfehlt, würde ein Lehrer unter die letzte Seite schreiben. Hier wurde die Chance vertan, einen interessanten Historienroman aus der Sicht einer bürgerlichen Kaufmannstochter zu schreiben. Wenn Spannung aufgebaut wird, verebbt sie fast augenblicklich wieder, weil es für den Leser viel zu offensichtlich ist, was geschehen wird. Die ständigen derben sexuellen Handlungen sind zudem einfach unpassend und erscheinen auch in ihrer Summe überzogen.


Pro & Kontra

+ interessante Zeit in der Geschichte, als das Bürgertum gerade erstarkt und die katholische Kirche kurz vor der Spaltung steht

- Entwicklungen zu vorhersehbar, keine Spannung
- Hauptfiguren wirken übertrieben naiv in ihren Entscheidungen
- obwohl hochkarätige Personen der deutschen Geschichte wie Martin Luther und Jakob Fugger eine Rolle spielen, erfährt man nur wenig über die geschichtlichen Entwicklungen dieser Zeit - der Titel weckt Erwartungen an den Inhalt, die in keinster Weise erfüllt werden

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 1/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 1/5