Bis(s) zum Morgengrauen (Stephenie Meyer)




CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2006
500 Seiten
ISBN-10: 3551581495
ISBN-13: 978-3551581495
Preis: 19,90 € (D)
Jugendbuch / Vampirliebesroman



Gefährliche Gefühle

Ich hatte mir nie viele Gedanken darüber gemacht, wie ich sterben würde, obwohl ich in den vergangenen Monaten allen Grund dazu gehabt hätte. Und wenn, wäre meine Vorstellung ohnehin eine andere gewesen.
Mein Blick war auf die dunklen Augen des Jägers geheftet, der am anderen Ende des lang gezogenen Raumes stand und mich freundlich betrachtete. Ich atmete nicht. [...]
Wäre ich nicht nach Forks gegangen, würde ich jetzt nicht dem Tod ins Auge blicken, das stand fest. Doch trotz meiner Angst konnte ich mich nicht dazu bringen, die Entscheidung zu bereuen. Wenn einem das Leben einen Traum beschert, der jede Erwartung so weit übersteigt wie dieser, dann ist es sinnlos zu trauern, wenn er zu Ende geht.
Der Jäger lächelte und kam ohne Eile auf mich zu, um mich zu töten.


Als die Ich-Erzählerin Bella in die verregnete Kleinstadt Forks zu ihrem Vater zieht, um ihrer Mutter und deren Liebhaber mehr Freiraum zu gewährleisten, rechnet sie mit dem Schlimmsten. Doch der Beginn ihres neuen Lebens lässt sich ganz gut an, die neuen Mitschüler akzeptieren sie, sogar ein paar Verehrer schenken ihr mehr Aufmerksamkeit, als ihr eigentlich lieb ist – allein der unglaublich schöne und eigentümliche Edward Cullen reagiert geradezu beängstigend auf ihr Erscheinen. Niemals wäre Bella in den Sinn gekommen, welches Geheimnis er verbirgt und was ihn mit ihr verbindet ...

Raubtier und Mythos

Viele der althergebrachten Geschichten über Vampire seien nur Mythen, so lässt Stephenie Meyer eine ihrer Figuren sprechen. Stattdessen kreiert sie ein neues Bild, versetzt allerdings immer noch mit klassischem Gedankengut. Der Vergleich mit Raubtieren fällt immer wieder, doch auch der kultivierte Aspekt wird ausreichend unterstrichen; als Fazit bleibt: Der freie Wille ermöglicht den Triumph über jeden Instinkt. Keine unübliche Sichtweise.
Was jedoch teilweise überzogen anmutet, sind andere Eigenschaften, mit denen sie ihre Vampire ausstattet – deren Reaktion auf Sonnenlicht scheint geradezu unfreiwillig komisch, die übermenschliche Perfektion flach. „Wie Götter“, wird die Protagonistin nicht müde zu vergleichen, und tatsächlich bleibt wenig Raum für Menschlichkeiten. Schwierigere Fragen, zum Beispiel die Anpassung an den Wandel der Zeit oder die Verleugnung des eigenen Alters – immerhin müssen fünf jahrhundertealte Vampire die Highschool besuchen – werden nicht angeschnitten, viel eher scheint es, als wäre die Modernität und das gleichbleibende körperliche Alter selbstverständlicher Teil ihrer Identität.

Zurechtgeschliffen

Ohne tatsächliche Ecken und Kanten entwirft Stephenie Meyer die Liebesgeschichte, die Kernthema des Romans ist; auftauchende Konflikte werden schnell bereinigt und an dieser Stelle muss man Edward eine gewisse Geduld zugestehen, denn Bella hat das Talent, nervenaufreibend zu werden – da das Buch aus ihrer Sicht geschrieben ist, nicht unbedingt ein Pluspunkt. Die starke Anziehungskraft, die intensiven Gefühle der beiden wirken teilweise doch sehr wie ein auf Papier gebannter Wunschtraum romantischer Seelen, erneut eine Perfektion, die auf Kosten der Authentizität geht. Allein die (vorläufige?) Nebenfigur Jacob kann mit einem gewissen Charme aufwarten.
Auch der Spannungsbogen ist eigentümlich gezogen – dümpelt der Roman zu Beginn noch in äußerst zähen Gewässern, wird die Liebesgeschichte dann ausführlich ausgebreitet, bevor es gegen Ende zu einem gehetzten Finale kommt. Das Sahnehäubchen, um Opferbereitschaft und Zuneigung zu verdeutlichen? Nicht unbedingt gelungen.

Fazit

Ein Buch, das viele Anhänger gefunden hat und zweifelsohne seine Zielgruppe zufriedenstellt: Vor allem Freunde romantischer Erzählungen mit einem Hauch Phantastik dürften hier auf ihre Kosten kommen. Dieses Vergnügen will ich niemandem absprechen.
Wer über sprachliche Farblosigkeit (die durchaus auch an der Übersetzung liegen kann), kleine Unstimmigkeiten und ähnliches hinwegsehen kann, dafür Freude an einer endlich einmal sehr makellosen Liebesgeschichte hat, dem sei das Buch empfohlen, auch wenn es meinen Geschmack verfehlt.


Pro und Contra:

+ Lockere, leicht zu lesende Romantiklektüre für Fans von Vampirliebesgeschichten

o Stilistisch und sprachlich (zumindest in der Übersetzung) anspruchslos

- Flache, teilweise überperfekte Charaktergestaltung, nervenaufreibende Ich-Erzählerin
- Kein tatsächliches inner- und außerfigürliches Konfliktpotential
- Sowohl Längen als auch ein gehetztes Finale

Extras:

~ Dunkelrotes Lesebändchen

Bewertung:

Handlung: 1,5/5
Charaktere: 1/5
Lesespaß: 1,5/5
Preis/Leistung: 1/5



(Ein Stern laut meiner Wertung, einer zusätzlich für die offensichtliche Tatsache, dass Anhänger des Genres zufriedengestellt werden.)