Streuner (Manuel Charisius)

Heyne (Juli 2010)
Taschenbuch, Klappenbroschur,
576 Seiten, 11,8 x 18,7 cm
ISBN: 978-3-453-52702-7
€ 9,95 [D] | € 10,30 [A]

Genre: Fantasy


Klappentext

Im Land der Sieben Königreiche herrscht Aufruhr: der König des Nordens wurde ermordet! Für den Streuner Wolf von Tanár uns seine drei Gefährten beginnt eine wilde Jagd und das Abenteuer ihres Lebens ...

Mit STREUNER hat Manuel Charisius ein einzigartiges Fantasy-Epos geschaffen, eine faszinierende Welt voller Helden, wie man sie noch nirgendwo erlebt hat!


Rezension

Manuel Charisius, 1979 in Stuttgart geboren, erreichte einen Platz unter den fünf Finalisten des namhaften Schreibwettbewerbs „Schreiben Sie einen magischen Bestseller“ im Jahr 2009. Nach demDes Teufels Maskerade von Victoria Schlederer und Fledermausland von Oliver Dierssen im Winter des letztens Jahres einen Weg in die Buchregale fanden, folgte die spannende Geschichte der „Streuner“ ein halbes Jahr später auf den Fuß, um das geneigte Leserherz mit beeindruckenden Ideen und wild gewordenen Humor zu überzeugen.

>> Und wenn es das Letzte ist, was wir gemeinsam tun werden. Das Ostheer hat euren Boten übrigens nicht getötet. Dieser Bote hat sein Ziel gar nicht erst erreicht.“ „An Altersschwäche ist er aber nicht gestorben“, fauchte Zilber. „Nein, Schlächter von Orilac. An einem scharfen Messer.“ <<

Wolf von Tanár wollte und will einfach nur das Leben und die Liebe genießen. Die Zeit mit seiner Gefährtin verbringen, als Tischler sein Geld und in den teilweise heruntergekommen Tavernen seinen Respekt als trinkfester und ganzer Kerl verdienen. Als es ihn jedoch eines schönen Abends zur falschen Zeit an den falschen Ort verschlägt, wird er Zeuge eines geheimen Treffens. Bald wird klar: Ein Krieg zieht auf. Alle Könige der sieben Königreiche sollen ermordet werden und Wolf von Tanár sieht sich kurzer Hand mitten im nebulösen Geschehen, das auch ihn zu verschlingen droht ...

Debüt-Romane sind und bleiben, so muss auch an dieser Stelle gesagt werden, eine Sache für sich. Manche Autoren schaffen es auf Anhieb zu überzeugen und den Leser ins Geschehen zu ziehen, anderen enttäuschen auf ganzer Linie und offenbaren ihr lebloses Talent. Manuel Charisius möchte sich jedoch, wie der überwiegende Teil der Newcomer, weder in die eine, noch in die andere Schublade werfen lassen. Im Gegenteil, denn von Leblosigkeit ist in seinem Roman wenig zu sehen. Ebenso von wahrer Überzeugungsarbeit; dafür wirkt Streuner zu einseitig und linear angelegt. Denn geneigte Leser begleiten von Beginn an, und unliebsam treu, nur durch Wolfs Augen die gebotenen Abenteuer. Es werden Fronten geklärt, Streuner-Eigenschaften geschildert, neue, herzerweichende Gefährten an den lesewütigen Abenteurer gebracht und natürlich die dunklen Machenschaften des Schnitters (versuchsweise) durchkreuzt.

Abenteuer, die grundsätzlich gut unterhalten und dem Leser ein wohlwollendes und ernst gemeintes nett entlocken, jedoch den vorhandenen Spannungsbogen durch ihre Fülle erschweren. Zu undurchsichtig wirkt die Schritt-für-Schritt-Manier, deren sich Manuel Charisius bedient; zu hinausgeschoben manche Auflösungen. Mehr Raffinesse, mehr Einsichten in andere Charaktere und vor allem in die tieferen Beweggründer der Gegner wären erwünscht und interessant gewesen, um überzeugen zu können. Dennoch aber ist Streuner ein näheres Hinblicken wert. Gerade Liebhaber amüsanter und kämpfender Männertruppen werden in diesem Buch auf ihre Kosten kommen. Balder, Wolf und Falbe amüsieren, während Zilber in der Rolle des gefährlich Undeutbaren brilliert. Er ist durchweg am besten gelungen, ohne die anderen gefährlich in den Schatten zu stellen. Gemeinsam ziehen die vier Gefährten, teilweise flüchtend oder jagend, durch die Landschaften, um zu retten was zu retten ist. Menschenfrauen, gehörige Saufgelage und lesenswerte Schwierigkeiten beschäftigen die Streuer. Allem voran Wolf, der sich bald von der schönen Lacríma verführen lässt. Sehr zum Verdruss des Leser wankt Wolf als wichtigster Charakter zwischen seinen Entscheidungen und Gefühlen immer wieder hin und her, ohne den Leser wirklich und vollkommen teilhaben zu lassen. Es ist wenig nachvollziehbar warum er, um ein Beispiel zu nennen, erst die eine liebt, dann plötzlich die andere, um schlussendlich seine eigenen Gefühle erst recht wieder zu minimieren.

Das Ende und die gut (wenn auch vielleicht zu spät) eingebrachten Auflösungen sind hingegen gut gelungen. Die ersten Enthüllungen über den Schnitter und der tatsächliche Grund für die Ermordung der Könige fachen die Lesegeschwindigkeit an und beweisen, dass die Grundstimmung des Romans an sich gut funktioniert und Manuel Charisius sich durchaus in amüsanten, aber auch ernsteren Momenten zu beweisen versteht. Vor allem dann, wenn es schwungvoll wird. Seine Schilderungen verstehen gerade mitten im Kampf zu fesseln und schon vor den letzten Seiten wird klar, dass man die liebgewonnen Streuner (trotz aller Schwächen des Buches) vermissen wird. Ja sogar auf ein Wiedersehen hofft. Ein Wiedersehen, das bedauernswert plump durch einen einmaligen Perspektivenwechsel angekündigt wird. Wirklich Schade. Aber im Grunde dennoch schön bleibt die still keimende Vorfreude auf ein weiteres Miteinander der drei Gesellen, die das Herz ihrer Leser durch ihre schroffe, trinkfeste und wunderbar amüsante Art heimlich erobert haben und ein weiterführendes Interesse garantieren.


Fazit

Streuer von Manuel Charisius ist ein nett zu lesender und für die gebotene Seitenanzahl sehr preiswerter Roman. Als Zwischenmahlzeit für jeden Leselustigen kann man dieses Buch gerne und ohne Bedenken empfehlen, sofern man sich vor Augen hält einen Debütroman in den Händen zu halten. Humor trifft epische Fantasy und ein besonderes, neu entworfenes Volk. In diesem Punkt stimmt man Bernhard Hennen völlig zu: „Tierisch gut!“


Pro und Kontra

+ zum Ende hin tolle Wendungen
+ gut ausgearbeitete Streuner-Rasse
+ amüsant und humorvolle Gesellen
+ natürlich wirkende Zwischenwesen
+ unvergesslich: Zilber, Schlächter von Orilac
+ gut durchdachte Fantasy-Welt

o massentaugliches Grundthema unverbraucht präsentiert

- Handlungsaufbau nicht völlig geglückt
- einseitige Perspektive = verschenktes Potenzial
- Längen vorhanden

Bewertung:

Handlung: 2,5 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 3,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


Interview mit Manuel Charisius (19.01.2011)