Himmelwärts (Rebecca Hohlbein)

Verlag: Heyne, September 2010
Hardcover, 624 Seiten, € 19,99
ISBN: 978-3453266889

Genre: Fantasy


Klappentext

Die Nacht fängt nicht gut an für Tabea. Auf der Jagd nach frischem Blut erwischt die junge Vampirin den Falschen und landet – von den unerlaubten Substanzen im Blut ihres Opfers umgeworfen – im pathologischen Institut Oberfrankenburgs. Das Erste, was sie bei ihrem Erwachen sieht, ist ein unwiderstehlich duftender, schneeweiß gekleideter Jüngling mit blonder Lockenpracht, der sich über sie beugt: Alvaro. Etwa zwei Stunden zuvor musste besagter Alvaro hilflos von oben mit ansehen, wie sein Schützling Lennart aus Versehen von einem Querschläger getroffen und getötet wurde – natürlich bevor er seine Aufgaben als künftiger Prophet antreten konnte! Nicht zuletzt um die eigene Karriere zu retten, fliegt der Himmelskrieger heimlich zur Erde, um Lennart wiederauferstehen zu lassen. Doch dann kommt es zu dramatischen Verwicklungen, in denen ein russischer Ganove, die vorlaute Tochter des Pathologen sowie das Auftauchen der Schergen des Teufels keine geringe Rolle spielen. Denn die Krieger des Himmels und der Hölle wählen die Erde zum Schauplatz eines beispiellosen Kampfes, und nur wenn Alvaro und Tabea schleunigst ihre Streitigkeiten in den Griff bekommen, kann die Welt und Oberfrankenburg gerettet werden!


Die Autorin

Rebecca Hohlbein, 1977 geboren, hat bereits früh ihre Liebe zu märchenhaften Stoffen entdeckt. Ob künstlerisch – bis heute malt und modelliert sie Trolle und Elfen – oder schriftstellerisch: Sie führt das Erbe ihrer berühmten Familie weiter und hat bereits mehrere Jugendbücher geschrieben und sich einen Namen als Autorin bei gemeinsamen Projekten mit ihrem Vater, Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein, gemacht. Mit Himmelwärts legt sie ihr erstes großes Werk vor. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Neuss.


Rezension

Klamauk – reiner, unverdorbener und äußerst phantasievoller Klamauk, anders kann man die Geschichte von Rebecca Hohlbein nicht beschreiben. Wer mit diesem Gedanken an die Geschichte herangeht, erlebt eine Ansammlung von aberwitzigen Ereignissen, bei denen der rote Faden oft sehr locker gewebt ist. Die Autorin findet unglaubliches Gefallen daran, unwesentliche Kleinigkeiten groß aufzubauschen, nur um in einem Nebensatz anschließend ihre Unwichtigkeit zu erwähnen. Sie fabuliert um des Fabulieren willens. Man sollte nicht auf eine logische Geschichte hoffen, die gibt es nämlich nicht, dafür aber Situationen, die völlig losgelöst von der Geschichte zu wahren Lachsalve animieren.

Alvaro ist ein Schutzengel. Seine einzige Aufgabe ist es, Lennart, den neuen wahren Propheten zu beschützen, alles Unheil abzuwenden und dafür zu sorgen, dass Lennart ein sorgen- und skandalfreies Leben führt. Ausnahmsweise an seinem 18. Geburtstag schlägt Lennart über die Stränge, als er von seinem Freund in einer Kneipe in Oberfrankenburg eine Stripperin geschenkt bekommt. Geblendet von ihrem essbaren BH ist Alvaro kurze Zeit abgelenkt, schon bekommt Lennart eine Kugel verpasst. Da hilft nur eines, der Engelskuß, der Lennart wiedererweckt. Dafür muss Alvaro aber auf die Erde nieder – und die ist mit Fallen für einen unschuldigen und naiven Engel nur so gespickt. Als er in der Pathologie auf Lennarts Leiche wartet, trifft er dort auf Tabea, eine junge Vampirin, die zum Abendessen das falsche Blut getrunken hat und durch den Drogenflash handlungsunfähig war. Da die Sanitäter keinen Puls gefunden hatten, wurde sie als unbekannte Tote eingeliefert. Dort trifft sie dann nach einer kurzen Erholungszeit auf Alvaro, der sich über sie gebeugt hat. Aus einem Impuls heraus beißt sie ihn und setzt damit für beide ungeahnte Konsequenzen in Gang. Alvaro verliert wieder einmal den jungen Propheten, wird dadurch aus dem Himmel verstoßen und muss sich mit seinem neuen Erdenbürgertum abfinden, wobei ihm Tabea tatkräftig zur Seite steht. Zusammen kämpfen sie gegen die russische Mafia, den Teufel und Dämonen, die auf einmal überall auftauchen und ihr Unwesen treiben. Das ist im Groben der rote Faden, den Rebecca Hohlbein gerne zwischendurch mal verliert und sich in ausschmückende Nebensächlichkeiten ergeht.

Der Schreibstil ist flüssig und gut geschrieben, durch die vielen Kleinigkeiten fliegen die Seiten schnell dahin. Der Inhalt ist dagegen schon wesentlich gewöhnungsbedürftiger, denn die Mitwirkenden sterben wie die Fliegen, auf grausame und ungewöhnliche Weise, die aber gar nicht grausam wirkt. Es wirkt wie im Märchen, da wird die Hexe auch in den Ofen gestossen, ohne detailliert zu beschreiben, was im Ofen passiert. Die Getöteten sind meistens irgendwelche Nebenfiguren, die lang eingeführt werden, um hingemeuchelt zu werden. Alvaro und Tabea, die beiden Hauptpersonen, lernt man dagegen sehr gut kennen, ihre Charaktere sind wandelbar, sie lernen aus ihren Erfahrungen. Alvaro hat überhaupt viel zu lernen, als Engel hat man keine Gefühle – und auch keine Eier. Tabea unterstützt ihn großartig und unterhaltsam, beim Entdecken von Freude, Lachen und auch Trauer. Wegen sämtlicher anderer Kleinigkeiten besucht er ständig einen freundlichen Arzt, der sehr viel Geduld mit ihm hat. Rebecca Hohlbein hat eine Unmenge an Charakteren erschaffen, bei deren Auftreten dem Leser schon mal leicht schwindelig werden kann. Manchmal ist es schwer, den Überblick zu behalten, zum Glück muss man sich aber nicht jede Person merken.

Immer wieder nimmt die Geschichte unerwartet und äußerst skurrile Wendungen, vorhersehbar ist sie zu keiner Zeit. Das Ende zieht sich allerdings ziemlich hin und erschöpft die Geduld der Leser. Irgendwann ist einfach Schluss mit lustig, man möchte keine Witze mehr sondern lediglich ein gut durchdachtes Showdown – aber bitte nicht zu ausschweifend. Können Alvaro und Tabea noch Satans Weltherrschaft verhindern? Furios prasseln die Ereignisse hernieder, über Umwege kommt man endlich zum Schluss des Buches und fragt sich konsterniert, was man da eigentlich gelesen hat. Absurd persifliert Hohlbein gekonnt Ereignisse, sie zieht sie dermassen ins Lächerliche, dass es schon wieder witzig wirkt. Das Cover glänzt in einem herrlichen Pink, die Umschlaggestaltung ist wirklich edel geworden.


Fazit

Engel haben keine Eier – und auch keine Gefühle. Werden sie vermenschlicht, müssen sie alles neu erlernen, das Lachen sowie das Weinen. Mit viel Phantasie, Ironie und Situationskomik hat Rebecca Hohlbein eine Persiflage auf alle gängigen Muster geschaffen, sie verliert sich in Nebensächlichkeiten, die interessanter sind als die eigentliche Geschichte. Mit der richtigen Einstellung findet man aberwitzige Situationen und skurrile Gestalten – normal ist hier überhaupt nichts. Den Ernst sollte man hintenanstellen, er ist zu keiner Zeit erwünscht. Einen Tick zu lang zieht es sich hin, die Autorin beweist allerdings ihr enormes Talent, sinnfreie Beiträge in ein spannendes Gewand zu packen.


Pro und Contra

+ Ironie
+ skurrile Situationen
+ merkwürdige Charaktere
+ unvorhersehbar
+ selbst Nebensächlichkeiten wirken interessant
+ Phantasie

o man braucht die richtige Einstellung zum Lesen
o viele Wendungen, die von der Geschichte ablenken

- das Ende zieht sich zu lange hin
- niemals realistisch
- zu viele Meuchelungen

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5