Ascan von Bargen (23.02.2009)

Interview mit Ascan von Bargen

Literatopia: Hallo Ascan! Stell Dich doch bitte unseren Leser kurz vor – wer bist Du und welche Genres schreibst Du?

Ascan von Bargen: Hallo Judith! Und ein herzliches Hallo allen LITERATOPIA-Lesern und –besuchern! Ich bin Ascan von Bargen, 33 Jahre, Schriftsteller und Drehbuchautor. - Ich schreibe hauptsächlich in den Genres Horror, Fantasy, Action-Thriller und Krimi. Außerdem auch Mystery-Abenteuer und düster-erotische Dark Fantasy.

Literatopia: Dein Roman „Lilienblut“ spielt Ende des 19ten Jahrhunderts und hat mit den modernen, eher romantisch angehauchten Vampirromanen wenig gemein. Lilienblut ist tiefschwarz und morbide. Warum hast Du dieses Setting gewählt? Was reizt Dich am Paris dieser Zeit?

Ascan von Bargen: Grundsätzlich einmal finde ich sowohl Paris als auch diese spezielle Epoche äußerst reizvoll. Ich habe eine Menge über diese Zeit gelesen, unter anderem Biographien über Oscar Wilde, der in Paris ja auch seine letzten Lebensjahre verbracht hat und dort bestattet liegt. Aber auch über Kaiserin Elisabeth von Österreich („Sissi“) und eine Reihe anderer Persönlichkeiten der vorletzten Jahrhundertwende.

Diese Epoche hat ihr ganz eigenes, „morbides“ Flair – und davon abgesehen, ist es auch eine in sich gespaltene, im Wandel begriffene Zeit, die einerseits an der Schwelle zur Moderne steht, dabei aber geistig noch teilweise in einer stark verknöcherten Vergangenheit fest hängt. Die allgemeine Stimmung in Europa glich damals einem Pulverfass, das jeden Augenblick in die Luft gehen konnte – und irgendwann auch musste, was 1914 schließlich geschah.

Und genau in diese angespannte Aufbruchs- und Umbruchsstimmung hinein bricht ein Grauen, das man allenfalls in den abergläubischen Landstrichen des Balkan vermutet. Dieser Kontrast ist einfach wahnsinnig stark und hat mich sofort angezogen.

Vampire in abgelegenen Schlösser Rumäniens oder in jugoslawischen Dörfern – das kennen wir doch schon alles in- und auswendig. Spukgeschichten, die in Großbritannien spielen auch. Zugenüge. Und so dachte ich mir eines schönen Tages: Warum eigentlich immer das Unheimliche und Unerklärliche in düsteren, fremden Randgebieten oder alten Herrenhäusern und Schlössern Europas suchen – und nicht inmitten einer pulsierenden, ganz aufs Weltliche ausgerichteten Metropole?

Am Anfang einer spannenden Geschichte steht ja immer eine Frage: Was wäre, wenn...?
Ich dachte mir: „Was wäre, wenn in eine blasierte und völlig selbstverliebte, technikgläubige Gesellschaft, die alles Übernatürliche leugnet und allenfalls der Kirche überlässt, genau dieses übernatürliche Element einbricht?“

Literatopia: Was hältst Du von den angesprochenen romantisch-verklärten Vampirromamen? Liest Du sie gerne oder nimmst Du eher Abstand davon? Hast Du vielleicht die Romane Deiner Kollegin Jeanine Krock gelesen?

Ascan von Bargen: Nein, ich persönlich halte davon ungefähr überhaupt gar nichts. Ist nicht meins.

Literatopia: Wie bist Du eigentlich zum Thema „Vampire“ gekommen? War da von Kindheit an eine gewisse Faszination bei Dir oder hast Du die Thematik zu einem bestimmten Zeitpunkt entdeckt? Wann war das? Und wodurch?

Ascan von Bargen: Das erste Mal, dass ich etwas mit „Vampiren“ zu tun bekommen habe, das war wohl durch ein „Dracula“-Hörspiel, das ich als Kind extrem gruselig und unheimlich fand.
Später habe ich dann Christopher Lees „Dracula“-Filme gesehen und auch Roman Polanskis Film „Tanz der Vampire“. Und natürlich bin ich immer wieder mal in diversen Romanen auf die untoten Blutsauger gestoßen.

Literatopia: Die Resonanz zu „Lilienblut“ war allgemein sehr positiv. Du hast es geschafft, Deine Leser extrem zu begeistern. Wie fühlt sich das an? Fühlst Du Dich in solchen Momenten bestätigt in dem, was du tust? Und motivieren Dich positive Rezensionen?

Ascan von Bargen: Es fühlt sich, wie man sich vielleicht denken kann, ziemlich gut an. -- Ich entwickele und erarbeite stunden-, wochen- und monatelang Charaktere, Handlungsstränge, Dialoge und so weiter, einzig mit dem Ziel, den Leser zu bannen, ihn zum Weiterblättern und –lesen zu bringen. Wenn der Leser zusammenzuckt, wo ich es wünsche, wenn er schmunzelt oder sich sein Herzschlag beschleunigt, wenn er mit meinen Figuren mitfühlt und dabei den Ärger des Alltags für ein paar Stunden einfach vergessen und sich ganz in meine Romanwelt flüchten kann – und wenn er dann am Ende das Buch zuschlägt und sich dabei befriedigt, glücklich und hervorragend unterhalten fühlt – erst dann habe ich mein Ziel erreicht.
Klar, das ist ein ganz phantastisches Gefühl!

Rezensionen und Kritiken sind so eine Sache für sich. Ich versuche ich selbst zu bleiben, und mich nicht zu sehr von der Meinung anderer Leute abhängig zu machen. Dazu gehört auch, dass ich es weder zulassen darf, aufgrund einer negativen Rezension sofort den Kopf hängen zu lassen und alles hinschmeißen zu wollen, noch, aufgrund einer positiven Rezension sofort einen Höhenflug zu kriegen. Mittlerweile habe ich gelernt, so etwas nicht mehr all zu nah an mich heranzulassen.

Nur ist mir aufgefallen, dass sich ein altes Wort bedauerlicherweise sehr oft bewahrheitet, auch wenn es um Kritiken und Rezensionen geht: „Den Besten fehlt’s an Überzeugung, die Bösen haben Leidenschaft im Übermaß.“

Diejenigen, die ein Buch mit Begeisterung gelesen haben, denken leider nicht direkt als erstes daran, z.B. bei Amazon oder in einem Forum ihre Meinung darzulegen, weshalb sie so davon begeistert sind, oder was ihnen besonders gut daran gefallen hat.

Jemand, der sich hingegen sehr über ein Buch / einen Film, etc., geärgert oder aus irgendeinem Grund aufgeregt hat, wird sehr viel eher dazu tendieren, alle Welt darüber schnellstmöglich informieren zu wollen – wodurch in der Öffentlichkeit notgedrungener Weise ein gewisses „Meinungs-Zerrbild“ entstehen muss. Unter diesem Gesichtspunkt allein freue ich mich allerdings wirklich sehr über jede einzelne positive Rezension.

Literatopia: Erzähl uns etwas über „Die Legenden des Abendsterns“ – Dein erstes bei UBooks veröffentlichtes Buch. Worum geht es? Und wie bist Du zu UBooks gekommen? Hast Du es zuvor bei anderen Verlagen versucht?

Ascan von Bargen: „Die Legenden des Abendsterns“ ist ein packendes Phantastik-Abenteuer, irgendwo zwischen Historischem „Mantel und Degen“-Roman und Dark Fantasy angesiedelt. Vom Stil und der Mixtur her am ehesten mit den „Fluch der Karibik“-Abenteuern vergleichbar: Duelle, Magie, mutige Helden, schöne Frauen, übernatürliche Phänomene, Flüche, verwunschene Wesen und Gegenstände, Orakel, etc.

Historische Fakten vermischen sich hier mit phantastischen Elementen. Nur dass es bei mir nicht besonders viele Schiffe und Piraten gibt, da die Story an Land spielt.

Es ist die Geschichte des 21jährigen Duncan Clairebourne, der für die Sünden seines Vaters gerade stehen muss. Dieser war nämlich das Haupt eines schwarzmagischen Ordens, der beim Versuch einen der „Toten Götter“ zu beschwören einen verhängnisvollen Fehler begangen hat, wodurch der Dämon außer Kontrolle gerät und eine schreckliche Katastrophe auslöst.
Duncan, obwohl an diesem Geschehen selbst unbeteiligt, muss dieses Unheil wohl oder übel ausbügeln. Doch dafür bleiben ihm nur wenige Tage Zeit. Erschwerend kommt hinzu, dass er durch ein schreckliches Missverständnis von Kopfgeldjägern verfolgt wird, die ihn für einen gesuchten Mörder halten. Eigentlich hat er schon alle Hände voll damit zu tun, selbst am Leben zu bleiben. Doch um den Dämon zu stellen, muss er gleichzeitig auch noch alles tun, was in seiner Macht steht – und das ist nicht besonders viel...

Den UBooks Verlag habe ich eines Tages beim Stöbern im Internet entdeckt. Sie hatten damals so einen ungewöhnlichen Slogan über „außergewöhnliche Literatur“, der meine Aufmerksamkeit erregte. Da ich von den „Legenden“ absolut überzeugt war, habe ich den Roman kurzerhand UBooks angeboten, die dann ebenso schnell davon überzeugt waren. Der Rest ging dann vonstatten, wie bei jedem anderen Verlag.

Ja, ich habe vorher schon diverse Kurzgeschichten und Heftromane bei anderen Verlagen veröffentlicht.

Literatopia: Woher holst Du Dir die Inspiration für Deine tiefdunklen Geschichten? Und gehört da das klischeehafte Schreiben bei Nacht dazu? Was hältst Du von solchen Klischees? Woher kommen sie Deiner Meinung nach?

Ascan von Bargen: Viele Autoren arbeiten wirklich so „klischeehaft“ nachts, aus dem einfachen praktischen Grunde: Sie sind dann ungestört.

Denn um schreiben zu können, muss man sich ungestört der inneren Bilderwelt zuwenden – und gleichzeitig von der Außenwelt abwenden können. Es gibt gewisse Rituale, die einem dabei helfen, diese Art der „Bewusstseinsverschiebung“ zu erleichtern oder rasch herzustellen.

Balzac z.B. hat sich immer nachts in einer weißen Mönchskutte an den Tisch gesetzt und viel zu starken Mokka getrunken, um diese gewisse „Stimmung” und innere Spannung zu erzeugen, die er zum Schreiben brauchte.
Simenon bevorzugte eine Flasche Rotwein anstelle der weißen Kutte.
Ian Fleming den Blick auf weißen karibischen Sandstrand und türkises Meer, einen Cocktail neben seiner Reiseschreibmaschine.

Manche Schriftsteller benötigen zum Schreiben ihren ganz speziellen Montblanc-Füller oder eine bestimmte Papiersorte, einen besonderen Raumduft, eine bestimmte Umgebung, etc. Natürlich könnten sie auch genauso gut mit einem Kugelschreiber oder Bleistift auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier schreiben. Aber es geht dabei gar nicht wirklich um diese Äußerlichkeiten, sondern eben um die Gewohnheit. Das Ritual, das einem hilft, sich nach innen zu wenden. Denn da – um somit auch die Frage nach der „Inspiration“ zu beantworten – spielen sich die abgefahrensten Abenteuer und Wunder ab. Wunder, die dein Leben von Grund auf verändern können...

Literatopia: Ist für Deine Romane Recherche notwendig, zum Beispiel die historischen Aspekte betreffend? Wie hoch ist Dein Rechercheaufwand allgemein? Und wie gehst Du dabei vor?

Ascan von Bargen: Absolut! Allein für „Die Legenden des Abendsterns“ war beispielsweise eine gewaltige Menge an Recherche notwendig, da ich mich über Besonderheiten der Barockzeit in England informieren musste. Der Roman spielt ja im Jahr 1687.

Ich verschlinge in so einem Fall alles, was ich kriegen kann. Von Wikipedia-Artikeln über Romane, Filme, TV-Dokumentationen, Biographien über Persönlichkeiten der betreffenden Epoche, Historische Nachschlagewerke über Kriege, Waffen, Mode, Gesellschaftliches, Religion, und-und-und. Dinge, die mir dabei besonders nützlich erscheinen, notiere ich mir dann, sodass ich jederzeit auf die Informationen zurückgreifen kann.

Literatopia: Deine schriftstellerische Karriere hat mit Romanen für Heftroman-Serien begonnen. Welche waren das? Musstest Du dabei gewisse Vorgaben erfüllen? Wenn ja, war das anstrengend oder hattest Du keine Probleme damit?

Ascan von Bargen: Das waren in erster Linie Heimat-, Liebes- und Adelsromane, mit so hübschen Titeln wie „Sophies Herz in Sehnsucht“ oder „Der Kuss, der alles veränderte“. (lacht) Ja, natürlich gibt es dabei recht strenge Vorgaben. Die Leserschaft ist an einen bestimmten Tonfall bzw. Erzählstil gewöhnt, den man treffen muss. Auch der Aufbau der Geschichten, an 100 DIN A4-Seiten angepasst, die man für einen klassischen Heftroman benötigt, ist recht „streng“ geregelt.
Nein, das war weder anstrengend noch hatte ich Probleme damit. Ich erzähle Geschichten, die den Leser unterhalten. Ob in einem Schloss ein Gespenst umgeht, oder ob dort eine intrigante Zicke versucht, sich das Erbe oder den Ehemann ihrer Schwester zu ergaunern, das macht für mich als Autor keinen Unterschied.

Literatopia: Auf der Seite vom UBooks-Verlag steht, Du warst einmal Comic-Zeichner. Wie lange hast Du in diesem Beruf gearbeitet? Hast Du das damals hauptberuflich gemacht oder eher als Nebenjob? Was kam damals bei Deiner Arbeit heraus? Hast Du Vampirgeschichten gezeichnet?

Ascan von Bargen: Richtig. Ich habe damals eine Ausbildung zum Grafik-Designer absolviert und hatte die Gelegenheit einige Jahre in diesem speziellen Metier tätig zu werden. Haupt- und Nebenberuf haben sich sozusagen fliegend abgelöst, sich überschnitten. Dabei kamen ein paar witzige Comics heraus, wie „Inspektor Brain“, „Mensch, Stefan!“ oder auch „Crazy & Cool“. Vampirgeschichten habe ich nicht gezeichnet, nein.

Literatopia: Mit Agnieszka Szuba hat UBooks wirklich eine tolle Künstlerin an der Hand. Wie gefallen Dir ihre Cover? Bist Du zufrieden damit? Und wurden die Bilder speziell für Deine Romane gefertigt oder „nur“ dafür ausgesucht?

Ascan von Bargen: Agnieszka ist cool! Absolut. Und ihre Arbeit natürlich auch. Allerdings, ich bin mit den Covern, die sie für meine Romane entworfen hat, sehr zufrieden! – Nein, da wurde nichts vorgefertigtes „ausgesucht“. Da steht hinterher schließlich mein Name auf dem Cover, daher bin ich in solchen Dingen extrem pingelig. Ich habe seitenweise Beschreibungen, Fotomaterial, etc., zusammengesucht und ganz genau beschrieben, wie das jeweilige Cover aussehen sollte. Wenn mir etwas nicht gefiel, habe ich Agnieszka ihre Entwürfe wieder neu überarbeiten lassen, solange bis sie wirklich so waren, dass ich völlig überzeugt sagen konnte: „Okay, auf diesem Cover darf mein Name gerne erscheinen!“ Anfangs gingen unsere Vorstellungen etwas auseinander, aber ich glaube, irgendwann hat es „Klick“ gemacht und sie hat verstanden, auf welcher Frequenz ich gefunkt habe.

Literatopia: Wer hat eigentlich die Klappentexte für Deine Bücher geschrieben? Hast Du als Autor Einfluss darauf oder musst Du sozusagen nehmen, was Du kriegst?

Ascan von Bargen: Jein. Einen gewissen Einfluss darauf habe ich schon, aber letzten Endes bestimmt das der Verlag, in welcher Form und Wortwahl der Klappentext abgedruckt wird. Und das ist auch gut und richtig so. Denn als Autor neigt man schnell dazu, das ganze Buch noch mal schreiben zu wollen, damit es direkt in voller Pracht schon mal als Klappentext gelesen werden kann. Die Verleger gehen da mit wesentlich kühlerem Kopf und mehr Distanz heran. Die wissen schon, worauf der Kunde Wert legt, welche Infos wichtig sind und was man getrost wegkürzen kann.

Literatopia: Wann und warum hast Du eigentlich mit dem Schreiben angefangen? Und hast Du Deine ersten Gehversuche aufgehoben? Wo bzw. bei wem hast Du Dir am Anfang Feedback geholt?

Ascan von Bargen: Als Kind habe ich ab und zu mal kürzere Geschichten angefangen, fast nie zu Ende gebracht, natürlich. Und es war mir immer ein Rätsel, wie es nur möglich sein konnte, so dicke, mehrere Hundert Seiten umfassende Bücher zu schreiben, weil mir schon nach drei Seiten einfach nichts mehr einfallen wollte. Aber damals war ich acht oder neun! (lacht)
Die ersten ernsthafteren Gehversuche habe ich dann etwa mit zwölf Jahren gestartet, nachdem ich meine heißersehnte elektrische Schreibmaschine geschenkt bekommen hatte.
Ja, einiges von dem alten Zeug habe ich noch aufgehoben, klar. Aber das zeigt man besser nicht herum... - Feedback habe ich in erster Linie von Freunden und Verwandten erhalten.

Literatopia: Was hältst Du von Internetforen, die sich mit dem Schreiben beschäftigen? Siehst Du diese als gute Möglichkeit, seine Geschichten mal einem fremden Publikum vorzustellen, dass wirklich nur die Geschichte sieht und nicht einen selbst? Oder hältst du eher wenig davon? Hast Du Dich überhaupt schon mal mit der Thematik befasst?

Ascan von Bargen: Mein persönliches Ziel war es immer, Geschichten, Romane / Hörspiele zu schreiben, die dann professionell veröffentlicht, gekauft und gelesen bzw. angehört würden. Insofern habe ich mich nie besonders um derlei Foren gekümmert, weil ich wusste: Das bringt mich keinen einzigen Schritt weiter.

Aber – und das ist sicher ein sehr positiver Aspekt dieser Foren – für Autoren, die ihre aller ersten Gehversuche machen und Wert auf ein Feedback von Unbekannten legen, mag es ein erster Schritt sein, um sich voranzutasten.

Literatopia: Du hast ja über 30 Hörspieldrehbücher geschrieben bzw. als Co-Autor mitgewirkt. Wo siehst Du die Herausforderung dabei? Was muss man besonders berücksichtigen? Und was genau kann man sich unter einem „Hörspieldrehbuch“ vorstellen?

Ascan von Bargen: Die Herausforderung beim Hörspiel ist ganz klar, dass man sich im Wesentlichen auf einen Sinn beschränken muss: Den Gehörsinn nämlich. Oft strapaziert aber dennoch treffend ist die Beschreibung: „Ein gutes Hörspiel ist Kino für die Ohren.“

Im Roman kann man Gefühle, Gedanken, ebenso wie äußere Eindrücke beschreiben. Im Film ist man hingegen darauf konzentriert, eben nicht allzu viele Worte zu machen, sondern den Großteil der Informationen rein visuell zu vermitteln. (Die frühen Schwarzenegger-Filme sind ein gutes Beispiel dafür. „Sind Sie Sarah Connor? – Ich komme wieder...“ Das ist so ungefähr der gesamte Text, den er im ersten TERMINATOR-Film von sich gegeben hat. Der Rest wird durch Bilder und Handlung erzählt.)

Beides ist in einem Hörspiel unmöglich. Bilder / visuelle Eindrücke können logischerweise nicht geboten werden, wenn man vom Cover mal absieht. Und sobald eine romanhafte, beschreibende Erzählerpassage eingeschoben wird, die länger als vier Sätze ist, fangen die meisten Hörspielfans schon an zu gähnen. Sollten in den fünf bis sechs Erzählersätzen dann auch noch anmaßender Weise detaillierte Beschreibungen, geschweige denn Adjektive / Adverbien, enthalten sein, hagelt es sofort Proteste, in denen es allerdings wiederum auch massig Adjektive und Adverbien wie „blumig“, „ausschweifend“, „zu ausführlich“, etc., hagelt. (Das bedeutet: Kritiker dürfen ungestraft Adjektive und Adverbien verwenden, Autoren nicht... merkwürdig...)

Jedenfalls, das moderne Hörspiel muss in der Lage sein, alle notwendigen Informationen durch Dialoge und Soundeffekte zu transportieren. Stimmungen werden dabei natürlich durch den Tonfall der Sprecher wie auch durch die verwendeten Musikstücke erzeugt und dem Hörer vermittelt.

Eine Herausforderung im Bereich Hörspiel für mich persönlich liegt also darin, Dialoge zu verfassen, die einerseits so natürlich wie möglich klingen, die andererseits aber auch alle notwendigen Infos beinhalten, ohne dabei zu „ausschweifend“ und „blumig“ zu werden .
In alten 80er-Jahre-Hörspiele hört man oft Sätze, wie: „Oh, sieh nur Benjamin...!“ „Nanu, was ist denn das?“ „Eine Hauswand, die jemand rot angestrichen hat!“ „Tatsächlich!“ -- So spricht ja kein Mensch, der sie noch alle beisammen hat! (lacht)

Und die zweite große Herausforderung liegt natürlich darin, dass ein durchschnittliches Hörspiel circa auf 50 Minuten Spielzeit beschränkt ist. Innerhalb dieser kurzen Zeit muss eine ganze Geschichte, mit Exposition, Hauptteil und Wendepunkten, sowie eine befriedigende Auflösung (Showdown) geboten werden.

„Hörspieldrehbuch“... der Begriff ist eigentlich nicht ganz das richtige Wort. „Dialogbuch“ trifft es allerdings auch nicht. Ich nenne es gerne neudeutsch „Script“, weil der Begriff nicht diesen Einschränkungen unterliegt. Es ist im Grunde eine Manuskriptmischung, irgendwo zwischen Filmdrehbuch und Theaterstück.
Ein Hörspielscript ist in mehrere Szenen unterschiedlicher Länge unterteilt, und neben den Namen der Charaktere sowie deren Texten (Takes, fortlaufend durchnummeriert) finden sich darin sowohl Regieanweisungen für die Schauspieler/Sprecher wie auch für den Regisseur und den Tonmeister, damit diese sich vorstellen können, an welcher Stelle welche Art von Musik, welche Soundeffekte oder Übergänge zu hören sein sollen – Überblendung, Schnitt, usw.
Auch dabei muss man das rechte Maß treffen, denn all diese Leute haben ja auch ihren eigenen Kopf und eigene Vorstellungen davon, wie das fertige Hörspiel klingen soll.

Um es anschaulicher zu machen, hier ein kurzer Auszug aus meinem Hörspiel-Script zu „DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY“, nach dem Roman von Oscar Wilde:


DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY


Written by:
Ascan von Bargen

(Based on characters
created by:
Oscar Wilde)


Production Draft: 24.05.2008


FADE IN:

Wir hören MUSIK, die sofort Spannung aufbaut und eine sinistre Stimmung erzeugt. Es sind düstere, orientalische Klänge, denn wir sind in...


1. ÄGYPTEN.IM TAL DER KÖNIGE, 1866. AUSSEN/TAG
Lieutenant Clayton; Khaled; Sprecher; ein Beduine

Es ist ein heilloses Chaos! Ringsum preschen Pferde wiehernd durch die Wüste. SCHÜSSE jagen uns um die Ohren. DAS GESCHREI angreifender BEDUINEN ist zu hören, ebenso wie die Schreie BRITISCHER SOLDATEN. Darunter zwei besondere Männer: LIEUTENANT DORIAN CLAYTON, (38), und sein ägyptischer Führer KHALED, (25).

 
001 CLAYTON
(brüllend)
CAPTAIN FENMORE! VORSICHT!
HINTER IHNEN!

Ein Pferd PRESCHT HERAN.

002 BEDUINE
(Kampfschrei)
YAAAARGH!

Wir hören einen KRUMMSÄBEL fauchend durch die Luft schwingen, dann ein SCHRECKLICHES SPLATTER-GERÄUSCH, als ein Mann enthauptet wird.

003 CLAYTON
(schockiert) 
NEEEIIIIN!

Clayton eröffnet wütend das Feuer.

004 SPRECHER
“Ägypten, 1866.
Im Tal der Könige.“

005 KHALED
(brüllt in das Chaos)
Es hat keinen Sinn mehr,
Lieutenant! Die Tuareg sind in
der Überzahl! Wir müssen uns
ergeben!

006 CLAYTON
(brüllend)
Niemals, Khaled! Hast du gesehen,
was diese Wilden Captain Fenmore
angetan haben?! Sie werden keinen
einzigen von uns am Leben lassen!
Ich kenne die Bräuche der Wüsten-
nomaden! Sie werden nicht eher
ruhen, bis auch der letzte
britische Offizier tot in seinem
Blut liegt! Wir müssen kämpfen!

007 KHALED
(brüllend)
Ich habe Sie gewarnt, Engländer –
niemand dringt ungestraft ins
Gebiet der Beduinen ein! Die
Wüste gehört den Toten und den
Tuareg, die über die Ruhe der
Toten wachen. Dies ist ihr Reich.
Und ihre Gesetzte sind
unantastbar!


SCHNITT ZU:

INTERVIEW – FORTSETZUNG – LITERATOPIA, 2009 – KURZ DARAUF



Literatopia: Was wird uns in Zukunft von Dir erwarten oder besser gesagt „blühen“? Bleibst Du Deiner morbid-schaurigen Schreibweise treu oder planst Du, in eine vollkommen andere Richtung zu gehen?

Ascan von Bargen: Die Frage ist tatsächlich nicht ganz unberechtigt. In meinem Kopf spielen sich ja ständig irgendwelche neuen Abenteuer ab, manche davon sind unheimlich und düster, andere wieder eher skurril-witzig. Und manchmal hätte ich wirklich nicht übel Lust dazu, eine komödiantische Sache zu schreiben, im Stil von Tom Sharp oder Terry Pratchett. – Aber zunächst einmal wird es wohl noch ein paar düstere und unheimliche Storys von mir geben.

Zurzeit arbeite ich an einigen Dark Fantasy-Kurzgeschichten für Anthologien, die Alisha Bionda herausgibt. Außerdem schreibe ich neue Hörspiele für meine Thriller-Reihe DARK TRACE – SPUREN DES VERBRECHENS und auch für eine ganz neue Hörspiel-Serie, die den Titel „DIE MORDE DES ÉMILE POIRET“ trägt. Klassische Krimis, eine Hommage an die berühmten Storys von Agatha Christie. – Als nächstes wird es übrigens ein Hörspiel von mir geben, das die Länge eines abendfüllenden Spielfilms hat, (Doppel-CD).

Denn für die Hörspielreihe „MEISTER DES SCHRECKENS“ habe ich den weltberühmten Roman „DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY“ von Oscar Wilde als Hörspiel bearbeitet, (siehe Hörspielscript-Auszug oben). Das wird ein Ereignis, das viele Hörspielfans überraschen wird! Es erscheint nächsten Monat, also März 2009 – kann aber jetzt schon vorbestellt werden.


Leserfragen 

Leserfrage: Ist 'Ascan von Bargen' eigentlich ein Künstlername? Wenn ja, weshalb hast Du Dir einen Namen mit Adelstitel zugelegt? Wenn nein, wann und wie hat ihn Deine Familie bekommen? Verbindest Du etwas mit diesem kleinen 'von'?

Ascan von Bargen: Nein, „Ascan von Bargen“ ist kein Künstlername, aber – wie ich immer gerne sage – es ist der Name eines Künstlers. – Oh, die Familienlinie und so... das ist jetzt aber eine lange Geschichte, die einige Jahrhunderte zurückreicht. Ich denke, dafür wird die Zeit nicht reichen. Aber es ist eine kriegerische und recht blutige Geschichte, die mit dem Aufstieg einer normannischen Familie ihren Anfang nimmt und über die Schlachtfelder Livlands und Brandenburgs bis hin zu den ersten Markgrafen von Bargen führt. – Vielleicht schreibe ich mal einen Roman über diesen spannenden Stoff.

Ja, das kleine „von“ weckt in mir immer so eine Art „Beschützerinstinkt“. Vor allen Dingen, wenn irgendwelche Leute, die, (aus welchen Gründen auch immer), eine Abneigung gegen Adelsprädikate, etc., haben, meinen, sie dürften mich mit „Herr Bargen“ anreden. Oder aus von Bargen einfach „van Bergen“ machen. Dann fange ich schon mal an zu buchstabieren und wiederhole meinen Namen gerne so geduldig und so oft, bis mein Gegenüber ihn fehlerfrei aussprechen und schreiben kann. Das ist für mich eine Sache des Respekts, ganz unabhängig vom kleinen „von“. Auch wenn ich „Meier“ heißen würde, wollte ich nicht, dass man mich „Leier“ oder „Maja“ oder so nennt.

(Anmerkung Literatopia: Vorsicht, die nächste Frage bezieht sich sehr konkret auf den Inhalt von „Lilienblut“ – wer nicht zu viel wissen will, Frage und Antwort überspringen!)

Leserfrage: Bei „Lilienblut“ beschreibst Du auf den letzten Seiten eine Vergewaltigung. Ich fand die Szene ziemlich heftig, aber auf jeden Fall passend! Nur wie schreibt man als Autor so etwas authentisch? Ich meine, findet man das nicht selbst zu abstoßend?

Ascan von Bargen: Achtung, Spoiler! (lacht) Wir können doch nicht jetzt schon das Ende verraten! – Im Grunde genommen gibt es nur zwei Möglichkeiten Szenen, welcher Art auch immer, authentisch zu beschreiben. Entweder man zieht los, testet die Sache mal in Natura und beschreibt dann aus der Erfahrung heraus – (wovon ich in diesem Fall aber eher abraten würde...) – oder man lässt eben die Phantasie spielen.

Man sieht beim Schreiben ja eine Art „Film“ auf der Leinwand vor dem geistigen Auge vorbeiziehen und braucht das dann nur noch aufzuschreiben. Wenn man dabei auch noch die richtigen und treffenden Worte dafür findet, steht die Chance ganz gut, dass der Leser dann hinterher einen ganz ähnlichen, vielleicht sogar denselben Film, zu sehen bekommt. – In Kategorien von „abstoßend“ oder „grausam“ oder sonstigen moralischen Schubladen darf man nicht denken, wenn man schreibt. Denn dann würde man sich ja ständig selbst zensieren, (und damit die Arbeitsplätze der „Jugendschützer“ gefährden) und denken: „Oh-oh... das ist jetzt aber böse, unmoralisch, arrogant, etc. Was, wenn die Nachbarn das hier lesen? Was sollen die dann von mir denken?“

Im Buch „Belladonna“ von Karin Slaughter, z.B., wird eine Szene beschrieben, in der ein religiöser Fanatiker eine blinde Rollstuhlfahrerin auf einer öffentlichen Toilette überwältigt, ihr mit einem Messer den Brustkorb mit zwei Schnitten in Kreuzform aufschlitzt, und sie dann vergewaltigt – während sie aber noch lebt. Und zwar penetriert er sie genau an der Stelle, wo die beiden Schnitte sich kreuzen...

Klar, das ist einigermaßen ungesund und nicht unbedingt alltäglich, geschweige denn leichte Kost. Aber, und da liegt für mich immer ein großer, wichtiger Unterschied, es ist Fiktion. Es dient einem dramaturgischen Zweck und automatisch stehen wir auf der Seite der Ermittlerin, die diesen Killer zur Strecke bringen will. – Ich denke also besser nicht in Kategorien von: „Ist das nicht zu heftig? Ist das nicht zu abstoßend?“, sondern ich denke beim Schreiben eher in Kategorien von: „Ist das innerhalb des fiktionalen Rahmens und Kontext glaubwürdig? Ist es vielleicht sogar dramaturgisch notwendig? Dient es der Charakterisierung? Oder dient es als Kontrast? usw. usf.“

Leserfrage: Wer hat Deine Vita auf Deiner Homepage geschrieben? Denkst Du, Du wirst dieser Beschreibung gerecht?

Ascan von Bargen: Die Pflege meiner Homepage obliegt den sympathischen PR-Leuten von „Evenstar Media“, die sich mit meiner Öffentlichkeitsarbeit, etc., befassen. Aber, um ein Missverständnis gleich zu Beginn aus dem Weg zu räumen - ich habe noch nie einen Roman, ein Drehbuch oder eine Kurzgeschichte geschrieben, mit dem Ziel irgendeiner Beschreibung gerecht zu werden. (Allenfalls könnten Beschreibungen mir gerecht werden.) Ich schreibe in erster Linie, um durch meine Arbeit viele Menschen spannend und kurzweilig zu unterhalten.

Literatopia: Vielen Dank, Ascan, für das ausführliche Interview!

Ascan von Bargen: Vielen Dank, Judith - und natürlich allen Lesern und Besuchern von Literatopia.


Autorenfoto: Copyright by Florian von Bargen (Quelle)

Mehr über Ascan von Bargen auf seiner Homepage!

Rezension zu "Die Legenden des Abendsterns"

Rezension zu "Lilienblut"


 Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.