Das Flüstern der Nacht (Peter V. Brett)

Heyne (August 2009)
Paperback, 1008 Seiten,
ISBN: 978-3-453-52611-2
€ 16,00 [D] | € 16,50 [A]
Leseprobe

Genre: Fantasy


Klappentext

Innen

Furcht regiert in der Dunkelheit, denn mit Einbruch der Dämmerung steigen Dämonen aus den finsteren Nebeln der Erde auf und machen Jagd auf alle Lebewesen. Die einzige Zuflucht bieten magische Siegel, hinter denen sich die Menschen des Nachts verstecken, und die Hoffnung auf einen verheißenen Retter der Menschheit. Als die Städte des Nordens von einer gewaltigen Armee von Wüstenkriegern überrollt werden, angeführt von Jardir, dem selbsternannten Erlöser, scheint alle Hoffnung verloren. Doch Jardir ist nicht der Einzige, der um die verschollen geglaubten Kampfsiegel weiß: Arlen, der Tätowierte Mann, hat mit ihm noch eine tödliche Rechnung offen ...


Rezension

Peter V. Brett studierte englische Literatur sowie Kunstgeschichte und arbeitete zehn Jahre als Lektor für medizinische Fachliteratur, bevor er sich endgültig dem Schreiben von phantastischen Geschichten zu widmen begann. Sein Debütroman Das Lied der Dunkelheit wurde weltweit von Lesern und Kritikern als vielseitig angelegter Sensationserfolg gefeiert. Nach der kleinen Sammlung gestrichener Szenen und Kurzgeschichten in Der große Basar ist Das Flüstern der Nacht sein drittes, in deutscher Sprache erschienenes Werk, das erneut die Leserherzen und Freunde alternativer Fantasy zu erfreuen versteht.

>> Die Stadtmauer von Fort Rizon war ein Witz. Knapp zehn Fuß hoch und lediglich einen Fuß dick war die Verteidigungsanlage, die die gesamte Stadt sichern sollte, kümmerlicher als der Schutzwall des bescheidensten Palastes eines Damaji. Die Aufpasser brauchten nicht einmal ihre mit Stahl beschlagenen Leitern, sie sprangen einfach hoch, hielten sich am Rand der winzigen Umfriedung fest und schwangen sich darüber. „Menschen, die so schwach und nachlässigen sind, verdienen es, besiegt zu werden“, meinte Hasik. Jardir brummte zustimmend, erwiderte aber nichts. <<

Im Jahr 333 nach der Rückkehr hat sich die Welt nicht verändert. Immer noch kämpfen Arlen, Leesha, Rojer und Jardir darum, die Dämonen zu besiegen, die in großer Zahl dem Horc entsteigen. Und immer noch tut jeder dies auf seine eigene Art. Während es dem tätowierten Mann obliegt von einem Dorf zum Dorf zu reisen, um die Macht der vergessenen Siegel zu lehren, mausert sich die Heilerin Leesha immer mehr als Kräuterkundige im Tal des Erlösers. Hierbei sieht sich die junge Frau von Monat zu Monat mit immer schlimmeren Aufgaben konfrontiert, denn Jardirs Streitmacht aus Krasia rückt vor. Ein Volk, das ausgezogen ist, um die grünen Ländern zu erobern und die für sie notwendige Disziplin und Härte zu bringen. Nur so können sie, wie Jardir glaubt, in vielen Jahren gemeinsam Seite an Seite kämpfen und das Land von allem Bösen befreien.

Während Jardir sich Schritt für Schritt jede einzelne Entwicklung schwer erarbeiten musst, versucht Rojer immer noch seine eigene Kunst, die Dämonen mit Hilfe von Musik zu bannen, zu lehren. Jedoch ohne vorzeigbaren Erfolg. Und so wird sich auch der junge Jongleur immer mehr bewusst, dass sie nur gemeinsam und vereint, eine friedlichere Welt erschaffen können. Doch ist der Preis der Freiheit es wert, sich stattdessen den Wüstenkriegern aus Krasia unterwerfen zu müssen, die für sich beanspruchen den Erlöser der bekannten Welt zu stellen?

Lange ließ die Fortsetzung des inzwischen sehr bekannt gewordenen Romans Das Lied der Dunkelheit auf sich warten. Eine Zeit die nur langsam verging, sich jedoch gelohnt zu haben scheint. Denn Peter V. Brett setzt sein Debüt ebenso beeindruckend wie vielseitig fort. Schnell zieht der Autor den Leser zurück ins Geschehen und beweist hierbei ein geradezu wunderbares Gefühl dafür, geneigte Langstreckenleser erneut in die einzelnen, ausschweifenden Handlungen finden zu lassen. Sein Konzept scheint vorerst aufzugehen, verliert jedoch mit dem Voranschreiten der Seitenzahl deutlich an Schwung. Dennoch aber fesselt die Geschichte von Arlen, Leesha, Rojer und Jardir einmal mehr, deren Hintergründe erneut im Focus des Betrachters stehen. Darüber hinaus hat Peter V. Brett es nun endlich vollbracht sein muslimisch anmutendes Wüstenvolk ausführlich zu präsentieren. Er zeigt wie wunderbar, aber auch hart eine solche Forum von Kultur und das sie bestimmte Schwächen, aber auch Stärken besitzt. Eine Tatsache, die gefällt. Und ebenso glücklich ist man damit, endlich mehr über Jardir lesen zu können, der im ersten Band den Leser schon zu bestechen verstand und dessen Lebensgeschichte, ebenso wie Arlens in Das Lied der Dunkelheit, nun von Beginn an aufgerollt wird. Man liest durchgehend und über dreihundert Seiten lang wie es um seine frühere Freundschaft zu Abban stand und welche Kraft er schlussendlich benötigte, um sich über die seine Brüder in der Nacht zu stellen und als Erlöser feiern zu lassen. An Arlen, Leesha und Rojer verschenkt man in dieser Zeit nur wenige Gedanken und schlussendlich fällt es so manchem Leser vielleicht gerade auch deshalb schwer, sich von den Krasianern und ihre Kultur trennen zu lassen, um den Entwicklungen der anderen Charaktere zu folgen.

Ein Bruch der nicht unerwartet kam, dennoch aber schmerzlich ist. Denn von einem Moment zum nächsten wird der Leser erneut auf eine gänzlich unterschiedliche Seite gezogen, die wieder allumfassend, leider aber auch langatmiger erzählt wird. Zwar kann die Idee, eine so lange Geschichten in solche Teilbereiche zu gliedern, in der Theorie durchaus faszinieren, doch begeistert die Umsetzung dann weniger, als zu erwarten war. Dem Zugrunde scheint in erster Linie der Aufbau des Gesamtgerüstes zu liegen. Schlussendlich wird sich zu viel Zeit gelassen. Zu viel und beinahe zu ausführlich erzählt, um flüssig unterhalten zu können. Peter V. Brett hat zwar schon im ersten Band bewiesen, ein Mann vieler Worte zu sein, doch diesmal scheint er sich in der Idee, eine möglichst lange Geschichte zu schreiben, verrannt zu haben. Das Flüstern der Nacht hat dieser Tatsache zum Trotz jedoch auch ein paar wirklich wundervolle und außergewöhnliche Höhepunkte. Vor allem das letzte Drittel weiß wahrlich zu begeistern, in dem es dem Autor gelingt, die einzelnen Handlungsstränge für eine kurze Zeit zusammen zu führen. Und auch die gesellschaftlichen Wirrungen haben ihren Reiz. So erlebt man (unter anderem) wie ein muslimisch anmutendes Volk ein dem Christentum ähnliches Stück für Stück zu bezwingen versucht. Es werden neue Dämonen gesichtet und neue Wege gezeigt. Wie man schlussendlich zwei so unterschiedliche Völker einander näher bringt bleibt hierbei schlussendlich die große Frage, die üblicherweise zum dritten Band verweist. In diesem Punkt darf man erneut sehr gespannt sein. Somal sich Peter V. Brett dafür rühmen kann, undurchblickbar in seinen Vorhaben zu sein.

Stilisch bleibt Peter V. Brett souverän in seiner Spur und so überrascht es kaum, dass sich auf über eintausend Seiten wieder viel entwickelt; vor allem charakterlich. Immer noch stehen die einzelnen Personen im Vordergrund und müssen sich so einigen Widrigkeiten gegenüber sehen. Am faszinierernsten bleibt hierbei Jardir selbst. Er ist einer der Charaktere, die diesem Buch wahrlich Farbe verleihen. Sein Wille die Völker zu einen und seine Fähigkeit, sich selbst zu disziplinieren, sind einfach nur bemerkenswert. Zu keiner Zeit wünscht man ihm insgeheim einen Misserfolg, trotz aller Brutalität die Krasia über die grünen Länder bringt. Und eben genau dieser Wunsch macht Das Flüstern der Nacht bemerkenswert, da es dem Autor gelingt eine wunderbare Grauzone zu erschaffen, die durch und durch mit ihren moralischen Momenten überzeugt; es schwer werden lässt, zu urteilen und eine der beiden Seiten nicht zu verstehen.


Fazit

Das Flüstern der Nacht ist ein würdiger Nachfolger, auch wenn man sich diesen zweiten Band berauschender vorgestellt hat. Peter V. Brett beweist Tiefgründigkeit, ohne dabei Angst vor Längen zu zeigen, die jedoch das Lesevergnügen leider immer wieder schmäler. Dennoch aber ist auch dieser Band es wert gelesen zu werden. Besonders für Fans einer stillen, intelligenten Fantasy jenseits von Gut und Böse.


Pro und Kontra

+ wunderbare Ideen
+ bemerkenswerte, intelligente Fantasy
+ (manchmal ausufernder) Detailreichtum
+ tolle, glaubwürdige Protagonisten
+ viele Wendungen
+ angenehmer Stil

- größere Längen im Mittelteil
- kein fortlaufendes Vorankommen in der Handlung

Wertung:

Handlung: 3,5 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 3,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5