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Pater Brown

brown inselDie meisten Menschen, die hierzulande den Namen "Pater Brown" hören, müssen wohl an die Kinofilme mit Heinz Rühmann denken, die immer wieder mal im Fernsehen gezeigt werden. Oder an die TV-Serie Pfarrer Braun mit Ottfried Fischer, die sich allerdings nur lose an die literarische Figur anlehnt. Die Krimifigur von Gilbert K. Chesterton erfreute sich von Beginn an großer Beliebtheit, ist seit den 1930er Jahren eine wiederkehrende Film- und Serienfigur, zuletzt in England von der BBC verfilmt (seit 2013), zu sehen seit 2014 im deutschen Fernsehen als Father Brown – Immer einen Tick voraus.

Pater Brown, der sein Debüt 1910 in der Erzählung The Blue Cross (Das blaue Kreuz) gab, ist eine von Chesterton bewusst als Anti-Holmes konzipierte Figur. Er ist ein unscheinbarer, kleiner, rundlicher katholischer Priester, der in einer kleinen Gemeinde in Essex arbeitet, später in einem schmuddeligen Londoner Vorort. Er wirkt oft zerstreut, tolpatschig, naiv, wenn er sich in seinem "keulenartigen" Regenschirm verheddert oder seine Arme durch die Luft rudern, als seien sie "Windmühlenflügel". Man sieht dem unscheinbaren Pater den analytischen Verstand und die außerordentliche Beobachtungsgabe nicht an. Bei seiner Arbeit als Amateur-Detektiv vertraut er jedoch weniger auf seine rationalen Fähigkeiten - man sieht ihn selten auf der Suche nach Fußspuren oder Fingerabdrücken -, als auf seinen Glauben, seine Menschenkenntnis und seine Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzudenken. Als Beichtvater kennt er nicht nur alle Tricks der Ganoven, er weiß auch um das Böse, das in jedem Menschen, auch in ihm selbst, steckt.

Sein Kampf gegen das Verbrechen ist ein Kampf gegen das Böse und ein Kampf um die Seelen der Kriminellen. Pater Brown läutert einige Verbrecher, darunter auch den Meisterdieb Flambeau, der ein ehrlicher Detektiv und sein bester Freund wird. Chesterton überhöht die Geschichten bisweilen ins Märchenhafte oder Unheimliche, umgibt sie mit einer phantastischen Aura, so dass das Verbrechen als übernatürliches Phänomen erscheint. Der Kriminelle greift - wie Satan - zum Mittel der Täuschung, verkleidet und maskiert sich, betätigt sich als Lügner und Erfinder von Legenden. Pater Brown ist zwar gläubig, aber nicht abergläubisch. Er vertraut wie Sherlock Holmes auf den Verstand und entlarvt das aufgebaute Lügengerüst. Er ist der weiße Magier, der die Welt der schwarzen Magie bekämpft.

brown diogenesAm Ende jeder Geschichte rollt er den Tathergang auf und entlarvt den Täter, sehr zur Überraschung des Lesers, der meistens nicht auf Pater Browns Informationsstand ist. Allerdings ermöglicht das relativ starre Grundgerüst, mit zunehmendem Lesepensum die Geschichten besser zu durchschauen und die Auflösung des Falls zu antizipieren. Mitmenschlichkeit, Toleranz, Bescheidenheit und sein paradoxer Witz haben den nicht immer sanftmütigen Pater Brown zu einer der beliebtesten Detektivfiguren gemacht. Chesterton war ein gläubiger Katholik und benutzte die Detektivgeschichten nicht nur, um den Leser mit ausgeklügelten, bisweilen abenteuerlich absurden, bar jeder Logik konstruierten Rätselspielen zu unterhalten, sondern um seine englischen Mitbürger, bekannt als Anti-Papisten, gleichzeitig dem Katholizismus näherzubringen. Besonders die späteren Geschichten sind von dieser Sympathiewerbung geprägt. Pater Brown kann, weil er, wie er einmal erklärt, das Verbrechen selbst begeht, soll heißen, dass er sich in den Täter hineinversetzt, als ein Vorläufer von Ermittlerfiguren gesehen werden, die heute, mit Profilerqualitäten ausgestattet, ihre Fälle lösen (Clarice Starling, Tony Hill etc.).

Die Erzählungen erschienen zunächst lose in verschiedenen Zeitschriften und wurden anschließend in fünf Bänden zusammengefasst:

  • The Innocence of Father Brown, 1911 (Priester und Detektiv, 1920)
  • The Wisdom of Father Brown, 1914 (Das Paradies der Diebe, 1927)
  • The Incredulity of Father Brown, 1926 (Ein Pfeil vom Himmel, 1927)
  • The Secret of Father Brown, 1927 (Das Geheimnis des Pater Brown, 1929)
  • The Scandal of Father Brown, 1935 (Wer war der Täter? 1948)

Die Bücher gibt es in einer Vielzahl von Übersetzungen, die renommiertesten stammen von Diogenes und Insel. Seit Auslaufen des Urheberrechts sind die Erzählungen in ihren ursprünglichen Übersetzungen Online im Projekt Gutenberg zugänglich.

Viel Spaß beim Stöbern!

Eure Almut

Literatopia liest “You - Du wirst mich lieben”

ck-you-currentlyreadingEs wird dir so leidtun, wenn du erkennst, was ich wegen dir tun musste ...
Doch keine Sorge, ich bereue nichts.
(Klappentext auf der Rückseite)


"You - Du wirst mich lieben" von Caroline Kepnes ist auf einigen Umwegen in meinen Besitz gelangt. Erschienen im Mai, hatte ich es schon mehrfach in der Buchhandlung in die Hand genommen, mit den Klappentext angeschaut und dann doch mit einem Hauch Skepsis wieder zurückgestellt. Die Story an sich klang interessant, aber irgendwie wollte der Funke nicht so richtig überspringen. Und so zogen die Monate ins Land, bis ich schließlich auf der Frankfurter Buchmesse vom Leselurch förmlich zum Regal gezerrt und begleitet von den Worten "Du musst das unbedingt lesen, wenn Du einmal angefangen hast, wirst Du nicht mehr aufhören können, und überhaupt und aaaaaaaah!" mit der Nase drauf gestoßen wurde. Ich ergab mich meinem Schicksal und versprach, mal einen ausgiebigeren Blick reinzuwerfen.

Ein paar Tage nach der Buchmesse erhielt ich dann ein kleines Päckchen - der Inhalt? Natürlich "You - Du wirst mich lieben", was denn auch sonst. Ich habe das Lesen noch ein paar Wochen rausgezögert, weil andere Titel Vorrang hatten oder ich schlichtweg gerade keine Lust auf einen Stalker-Thriller hatte. Letzte Woche konnte ich mich dann aber nicht mehr entziehen, direkt beim Aufwachen lachte es mir entgegen und so habe ich auf dem Weg ins Museum angefangen. Na ja, und was soll ich sagen? Nach dem ersten Kapitel war ich überzeugt, dass meine Skepsis berechtigt war. Mir sagte das Buch gar nicht zu, was vor allem an der Erzählperspektive lag - die Geschichte wird nämlich aus Sicht des Stalkers erzählt. Aber da ich versprochen hatte, dem Buch eine Chance zu geben, und da ich generell offen für neue Dinge bin, habe ich nach Schichtende natürlich weitergelesen. Und weitergelesen. Und weitergelesen.

Der Sog von "You - Du wirst mich lieben" kommt nicht wie bei anderen Thrillern (und wie ich es für gewöhnlich sehr schätze) direkt auf den ersten Seiten zum Einsatz. Tatsächlich muss man ein wenig Geduld mitbringen und ein wenig durchhalten. Genervt ist man zwischendurch zwar immer mal wieder, aber dranzubleiben lohnt sich auf jeden Fall. Auf eine erstaunliche Weise schafft Caroline Kepnes es, den Stalker sympathisch rüberzubringen, während mir die weibliche Hauptrolle, Beck, einfach nur tierisch auf die Eierstöcke gegangen ist. Sobald sie irgendwie persönlich auftauchte, verlor ich kurzzeitig die Lust am Weiterlesen. Da ich aber wusste, dass Joe bald wieder allein ans Sprachrohr kommt, las ich weiter. Und weiter. Und weiter.

Bis das Buch zu Ende war. Und jetzt? Jetzt habe ich Glück, dass im Juni schon der nächste Stalker-Thriller um Joe Goldberg, nämlich "Hidden Bodies - Ich werde dich finden", bei Egmont Ink (ihr dürft mich gerne schon als potentielle Leserin vormerken ;)) erscheinen wird. Mit einer weiblichen Hauptfigur, die man bereits in "You - Du wirst mich lieben" kurz kennengelernt hat und die zumindest bei mir eine große Vorfreude auslöst. Weil sie viel, viel toller ist als Beck ...

Ihr seid neugierig geworden, aber noch nicht so ganz überzeugt? Dann schaut doch mal auf der Verlagsseite vorbei und werft einen Blick in die Leseprobe :)


Dies ist ein Gastbeitrag von Schattenwege.net, der privaten Seite unserer Chefredakteurin Jessica.

Literatopia liest “Morgen ist leider auch noch ein Tag”

katze-depression«Ziemlich unkreative Diagnose», sage ich nach der obligatorischen Schweigeminunte und wische mir die letzte Träne von der Wange. «Irgendwie hatte ich mir da was Ausgefalleneres erhofft. Ich meine, wenn ich schon was haben muss, dann doch nicht so eine Wald-und-Wiesen-Erkrankung.»
«Ja», meint mein Therapeut, «tut mir leid, dass Sie da nichts Besonderes sind. Das ist natürlich hochgradig tragisch.»
(aus dem Klappentext)


Nach dem Schreibmarathon der Buchmessenberichte brauchte ich erstmal eine kleine Schreibpause. Wobei das nicht ganz richtig ist, denn genauer gesagt wurde ich in den vergangenen Tagen tatsächlich dafür bezahlt, dass ich lese und schreibe. Doch nun habe ich auch endlich mal wieder etwas Luft für euch, und die möchte ich gerne nutzen, um euch einen Titel vorzustellen, dessen Autor mich bereits letztes Jahr auf dem Weg zur Frankfurter Buchmesse in einem Artikel über Depressionen in der "db mobil" unglaublich angesprochen und berührt und nun tatsächlich auch ein Buch auf den Markt gebracht hat. Welches mir wiederum auf der diesjährigen Fahrt, ebenfalls in der "db mobil", schmackhaft gemacht wurde und umgehend auf meine Leseliste gewandert ist. Dank meiner Kontakte zum Rowohlt-Verlag konnte ich "Morgen ist leider auch noch ein Tag" von Tobi Katze direkt auf der Messe entgegennehmen und habe auch nahezu sofort mit dem Lesen begonnen.

Tja, und was soll ich sagen? Tobis Geschichte hat mich direkt getroffen. Betroffen. Denn ich habe mich oder auch Freundinnen in seinen persönlichen Erzählungen wiedergefunden. Einige Ausschnitte mit ihnen geteilt, das Buch inzwischen mehrfach empfohlen und eine ganz bestimmte Freundin darf sich in den nächsten Tagen auch über ihr persönliches Exemplar freuen. Das Schöne an "Morgen ist leider auch noch ein Tag" ist, dass man hier als Leser die verschiedenen Gesichter der Depression kennen lernt, allerdings auf eine unglaublich humorvolle und mitreißende Art. Das Buch bringt zum Lachen, obwohl das Thema ja nun wirklich ein sehr ernstes ist, und an manchen Stellen auch zum Weinen. Es macht nachdenklich und es macht Mut. Mut dazu, selbst offener mit der eigenen Depression umzugehen, im Kreis von Freunden, Familie, Arbeitskollegen. Ich persönlich gehe schon seit einigen Jahren recht offen mit diesem Thema um, seit dem Tag, an dem ich festgestellt habe, dass ich alleine keine Chance gegen diese dunklen Abgründe habe. Allein das ist schon ein großer Schritt in Richtung Besserung, und der Herr Katze - übrigens nicht nur im Buch ein sehr sympathischer Charakter - versteht es ziemlich gut, das Thema in all seinen Facetten auf eine besondere Weise zur Sprache zu bringen.

Denn Depressionen sind keine coole Modeerscheinung und haben auch nichts mit "ab und zu mal traurig sein" zu tun. Der Leser nimmt hier sicherlich keinen klassischen Ratgeber zur Hand, und doch findet man zahlreiche Hinweise für einen besseren Umgang - als aktiv und auch als passiv Betroffener. Für mich persönlich gehört "Morgen ist leider auch noch ein Tag" zu den wichtigsten Büchern, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Nicht weil ich mich an diesem privaten "Schicksal" ergötzen, sondern weil ich mich damit identifizieren kann. Mit Sicherheit ein Titel, den ich im Laufe meines Lebens noch öfter zur Hand nehmen werde, um die zahlreichen markierten Stellen noch einmal zu lesen und festzustellen, dass ich in solchen Momenten in ähnlichen Situationen stecke oder diese gerade gemeistert habe, ohne daran oder an mir selbst zu scheitern.

Deshalb möchte ich Tobi an dieser Stelle danke sagen. Danke für Deinen Mut, Deine ganz privaten Erfahrungen mit der Welt zu teilen. Danke für Deine Offenheit im Umgang mit der Depression und die aufgezeigten Wege - wie es geht und wie es nicht geht. Danke für die Möglichkeiten, die Du Deinen Lesern damit eröffnest. Und danke für das Gespräch, das wir "privat" geführt haben.

Rationales Denken hilft mir in solchen Momenten erstaunlich wenig. Den ganzen Tag im Bett zu liegen, weil mich der Frust darüber, im Bett zu liegen, am Aufstehen hindert, ist eine perfide Endlosschleife von geradezu weltironischen Ausmaßen.
(Seite 10)


Ihr seid neugierig geworden, aber noch nicht so ganz überzeugt? Dann schaut doch mal auf der Verlagsseite vorbei und werft einen Blick in die Leseprobe :)


Dies ist ein Gastbeitrag von Schattenwege.net, der privaten Seite unserer Chefredakteurin Jessica.

#fbm15 - Buchmessennachwehen

Hallo zusammen,

wie am Samstag bereits angekündigt, möchte ich noch einen kleinen Abschlussbericht zur Buchmesse verfassen. Die fette Erkältung kuriert sich laaangsam aus und rückblickend gibt es noch ein paar Dinge, die unbedingt erwähnt werden sollten:

buechereuleAm Freitagnachmittag traf ich mich unter anderem mit Henning Mützlitz am emons:-Stand, wo er mir seinen neuen Roman „Im Schatten der Hanse“ ausführlich vorstellte. Der Verlag betitelt das Buch als historischen Kriminalroman, Henning dagegen versicherte mir, dass es sich vielmehr um einen Abenteuerroman im historischen Gewand handelt. Einer der Protagonisten ist ein Kaufmannssohn, dessen Vater und ältester Bruder plötzlich versterben und der sich von nun an als Familienoberhaupt behaupten muss. Dabei erwartet ihn eine Hiobsbotschaft nach der anderen, denn der Vater hat Schulden angehäuft und sich mit den falschen Leuten eingelassen. Als Henning erzählte, dass unter anderem Piraten in der Geschichte vorkommen, wurde ich hellhörig und beschloss, dem Roman eine Chance zu geben. Historik ist eigentlich nicht ganz meine Ecke, aber Abenteuerromane schätze ich und so bin ich gespannt, was das vierzehnte Jahrhundert zu bieten hat.

Durch das Treffen mit Henning kamen Jessica (die später dazukam) und ich noch mit dem emons:-Verlag ins Gespräch, der neben vielen Regionalkrimis auch ein paar Thriller oder historische Spannungsromane zu bieten hat. Jessica entdeckte ein graues Buch mit der pink leuchtenden Aufschrift „Amok Baby“, was natürlich perfekt in ihr Beuteschema passte. Bei emons: erscheinen übrigens auch die 111 Orte, die man in Stadt XY gesehen haben sollte. Das Ganze gibt es als 55 ½ außergewöhnliche Orte auch für die Handtasche.

Einer der letztes Mal angesprochenen Leckerbissen, die im neuen Jahr auf uns warten, ist „Drei Killer für ein Halleluja“ von Anonymus, der herrlich schräge Bücher mit fetzigen Dialogen, abgewrackten Protagonisten und jeder Menge sinnlosem Blutvergießen schreibt. Quasi Quentin Tarantino in Romanform, inklusive zahlreicher Musikzitate. Man liebt diese Bücher oder man hasst sie – ich liebe sie.

Am Donnerstag traf ich mich mit Ann-Kathrin Karschnick zum Mittagessen (jaa, Pizza!!!), wo sie mir gleich den Abschluss ihrer „Phoenix“-Trilogie in die Hand drückte. Auf dieses Buch habe ich schon sehnsüchtig gewartet, denn diese Mischung aus Teslapunkt und Dark Fantasy ist wirklich einmalig. Auch „Kinder der Glut“ wartet mit einer schönen Verarbeitung inklusive seitlichem Schnörkeldruck auf den Buchseiten auf.

buchmesse2015Mit Ann-Kathrin plauderte ich dann ein wenig über die deutsche Kleinverlagsszene, aus der momentan der Papierverzierer-Verlag ein bisschen heraussticht – schlichtweg, weil er seinen Namen sehr ernst nimmt und wirklich wunderschöne Bücher fabriziert. Besonders gefallen mir die sogenannten Smartcover, welche man am ehesten als Paperback mit richtiger Buchbindung bezeichnen könnte (quasi als Hardcover zum Paperback-Preis).

Dieses Jahr war die Messeplanung relativ entspannt und neben ausgewählten Verlagsterminen habe ich mich hauptsächlich mit Autoren getroffen und schöne Gespräche geführt. Dazwischen blieb mir kaum Zeit, mich auf der Messe umzuschauen, allerdings hatte ich erkältungsbedingt auch keine wirklichen Ambitionen, das Gelände weitläufig zu erkunden. So war ich eigentlich nur in Halle 3 unterwegs, wo man allerdings auch alle fünf Messetage verbringen könnte, so viel gibt es da zu erkunden.

So, das war’s jetzt aber – vorerst. Es gibt einiges aufzuarbeiten und viele von den Titeln, die wir auf der Messe entdeckt haben, werden wir Euch in den nächsten Monaten auf Literatopia vorstellen. Übrigens konnten wir bereits ein paar tolle signierte Bücher für unser Weihnachtsgewinnspiel organisieren – ihr dürft gespannt sein! :)

Viele Grüße

- Judith