Unsichtbare Schätze - Kleinverlagsperlen Teil 2

Liebe LeserInnen,

kürzlich habe ich Euch einige tolle Bücher aus Kleinverlagen vorgestellt und mich dabei auf aktuelle Titel konzentriert. Dieses Mal will ich  Bücher ins Rampenlicht rücken, die mich in den letzten Jahren nachhaltig beeindruckt haben - und die Ihr natürlich immer noch bei den jeweiligen Verlagen erwerben könnt (oder online oder im Buchhandel).

Britta Strauß ist eine jener Autorinnen, die eine ganz besondere, dichte Atmosphäre in ihren Büchern schafft. Besonders gefallen hat mir "Hunter's Moon", ein einzigartiger Mix aus Dark Fantasy und Historik. Ende des 18. Jahrhunderts kämpfen Siedler in den Rocky Mountains ums Überleben. Der Winter ist extrem hart und zu allem Übel durchstreifen grauenerregende Kreaturen den Wald um das Fort. Der Indianerkrieger Kainah soll der Einzige sein, der jemals einen dieser sagenumwobenen Kocodjos getötet hat. Kainah denkt nicht daran, den weißen Menschen zu helfen, doch durch eine List wird er dazu gezwungen. Kate, eine der letzten Frauen im Fort, ist fasziniert von dem Indianer. Man könnte jetzt an einen seichten Liebesroman denken, doch "Hunter's Moon" ist eine sehr düstere, schmerzhafte und aufrichtige Liebesgeschichte. Zunächst wirkt Kate unsicher, da die Männer im Fort sie in die Rolle der schwachen Frau drängen, die kochen soll und Wunden verarzten. Kainah hingegen behandelt sie respektvoll und sieht sie als gleichwertige Partnerin. Es ist rührend zu lesen, wie die beiden sich näherkommen und wie Kate sich dabei selbst besser kennenlernt - und man ist abgestoßen von der Ignoranz und den Vorurteilen der Nebencharaktere. "Hunter's Moon" ist klirrend kalte Dark Fantasy mit einer starken Protagonistin, die über sich hinauswächst und dabei durchweg authentisch bleibt. Sehr lesenswert ist auch Britta Strauß' Fantasyroman "Indigo & Jade".

(bestellbar bei Drachenmond)

Als Steampunk-Fan sollte man unbedingt einen Blick in das Programm von Art Skript Phantastik werfen. Verlegerin Grit Richter bescherte uns unter anderem die beiden wundervollen Steampunk-Anthologien "Steampunk Akte Deutschland" und "Die dunkelbunten Farben des Steampunk". Wie bei den meisten Kurzgeschichtensammlungen gibt es einige durchschnittliche und gute Beiträge, aber dazu auch immer einige herausragende Perlen, die die Leserschaft begeistern. Beide Anthologien bieten eine große Viefalt an Themen und Genreschwepunkten (klassischer Steampunk, Fantasy, Mystery), hinzu kommt die unglaublich liebevolle Gestaltung. Insbesondere "Die dunkelbunten Farben des Steampunk" ist mit seinen bunt gedruckten Texten ein Hingucker. Die neuste Steampunkanthologie von Art Skript Phantastik heißt übrigens "Aeronautica - Logbuch der Lüfte" und dürfte ebenfalls ein kleines Juwel sein (wird demnächst angeschafft).

(erschienen bei Art Skript Phantastik)

Mit "Die Seelenlosen - Die Stadt der Maschinenmagie" hat Tanja Meurer einen komplexen Steamfantasy-Roman verfasst, der stark von der Entwicklung der Charaktere lebt. Protagonist Gwenael ist die Machtspiele und Intrigen in seiner Familie leid und flüchtet in die Stadt Valvermont, wo er sich als neuer Commandant der Stadtwache Respekt verdienen muss und dabei auch noch gleich mit einem Mord konfrontiert wird. Sein langjähriger Lebensgefährte Orin begleitet ihn, doch die Liebe beginnt zu zerbrechen und Gwenael muss schmerzhaft erkennen, dass Orin dunkle Geheimnisse hat. Gwenael leidet natürlich unter dem Verlust, aber er wächst auch daran und lernt sich selbst neu kennen. Einerseits bringt er als Protagonist viel Lebenserfahrung mit, andererseits ist er ein herzensguter Charakter, der sich stark auf das Positive konzentriert und daher manchmal fast naiv erscheint. Der Krimiplot bietet einige Überraschungen und ist durchaus unterhaltsam, interessanter sind jedoch die Stadt Valvermont, die Mitteralter und Industrialisierung in sich vereint, und ihre Bewohner. Insbesondere die sehr gebildete Marianne mit ihrem losen Mundwerk und der junge Dieb Jaleel, der aufgrund seiner Herkunft ausgegrenzt wird, kommen gut bei der Leserschaft an.

(bestellbar bei Dead Soft)

Zum Abschluss kommt jetzt noch was Aktuelles. Feder & Schwert ist einer jener Kleinverlage, die in diesem Jahr leider Insolvenz anmelden mussten. Umso wichtiger ist es, dass ihr bei "Hexagon - Pakt der Sechs" von Henning Mützlitz schnell zuschlagt. Der Autor inszeniert eine finstere Gothic Novel im Frankfreich des 17. Jahrhunderts und lässt fiktive Charaktere an der Seite von historischen Persönlichkeiten wie César de Rochefort gegen die Ausgeburten der Hölle kämpfen. Während die Männer im Roman sich oftmals überschätzen, punkten viele Frauenfiguren mit Stärke und Besonnenheit. Selbst die anfangs klischeehaft schwach dargestellte Cécile erblüht im Angesicht der diabolischen Schrecken zu einer Hoffnungsträgerin. Dazu gibt es äußerst unterhaltsame und teils herrlich sarkastische Dialoge und die Charaktere müssen diverse Rückschläge verkraften, was die Spannung hochhält. Ich war anfangs etwas skeptisch, ob "Mantel und Degen" und höllische Dark Fantasy gut miteinander harmonieren, aber die Mischung ist Henning Mützlitz ganz ausgezeichnet gelungen. (bestellbar bei Feder & Schwert)

Ich hoffe, der eine oder andere Titel spricht Euch an, demnächst folgen mehr Tipps aus der Kleinverlagsszene.

Viele Grüße von Eurer

Judith

Unsichtbare Schätze - Kleinverlagsperlen Teil 1

Liebe LeserInnen,

während sich die großen Publikumsverlage meistens an irgendwelchen Trends abarbeiten, geht es in der deutschen Kleinverlagsszene oft vielfältiger und bunter zu. Viele meiner Lieblingsbücher der vergangenen Jahre stammen aus kleinen Verlagen, die 2019 mehr denn je um ihre Sichtbarkeit, aber vor allem um ihre Existenz kämpfen. In den großen Buchhandelsketten sind phantastische Kleinverlagsbücher quasi nicht existent und nun listet Großhändler Libri auch noch viele dieser Bücher aus, was sie endgültig in eine dunkle, schattige Ecke verdrängt. Oft bleibt dann nur Amazon, doch der Onlineriese steckt den Löwenanteil ein - besser, man bestellt direkt beim Verlag oder nutzt kleine und große Messen, um sie direkt beim Verlag zu kaufen. Da die Frankfurter Buchmesse und der Buchmesse Convent allmählich näher rücken, hier ein paar Tipps für Eure Einkaufsliste (für alle, die nicht warten wollen, füge ich die Links zu den Verlagsshops ein):

Wer gerne Fantasy abseits des Mainstreams liest, sollte sich mal beim Amrûn-Verlag umschauen. Dort erscheint unter anderem die düstere Fantasyreihe "FAAR - Das versinkende Königreich" von Christian Günther. Ich mochte bereits die Cyberpunkromane des Autors, war aber zunächst etwas skeptisch, ob Fantasy wirklich sein Genre ist. Doch bereits mit dem ersten Band "Die Aschestadt" waren alle Zweifel beseitigt. FAAR ist eine extrem reizvolle, zerfallende Fantasywelt, bedroht von entstellten Meereskreaturen und einem düsteren Wald, der das Land regelrecht verschlingt und seine Bewohner in bizarre Kreaturen verwandelt. Christian Günther schreibt unheimlich atmosphärisch und seine Protagonisten sind einzigartige Charaktere mit Stärken und Schwächen, die gegen äußere und innere Dämonen kämfen. Bisher sind drei Romane und eine Novelle erschienen, wobei sich letztere gut zum "Reinschnuppern" eignet.

(bestellbar beim Amrûn-Verlag)

Selten packt mich ein Buch so sehr, dass ich es an 1-2 Tagen verschlinge. "Berlin - Rostiges Herz" von Sarah Stoffers gehört zu den wenigen, die es geschafft haben, mich bis tief in die Nacht zu fesseln. Von der ersten Seite an begeistert der Roman mit seiner lebendigen, magischen Steampunkwelt und insbesondere mit seiner charismatischen Protagonistin Mathilda Sturm, die ihrem Namen alle Ehre macht. Sie und der charmante Zauberer Fidelio lieben dieselbe Frau, was die beiden zunächst zu Konkurrenten und sogar Feinden macht. Als Mathilda ein Verbrechen angelastet wird, jagt Fidelio sie und der Leser kommt in den Genuss eines wahnsinnig unterhaltsamen Katz-und-Maus-Spiels, das ganz anders ausgeht als erwartet. Begeistert hat mich vor allem die dichte Atmosphäre des Romans, der mit viel Liebe zum Detail geschrieben wurde und mir so ein sehr intensives, buntes Leseerlebnis bescherte.

(bestellbar beim Amrûn-Verlag)

Zwerge gehören zu jenen Fantasyvölkern, mit denen ich so gar nichts anfangen kann. Ich mag sie nicht, ich finde sie auch nicht interessant. Sie stören mich sogar. Swantje Niemann hat es allerdings geschafft, mich trotz Zwergen für ihren Roman "Drúdir - Dampf und Magie" zu begeistern. Protagonist Drúdir ist Nekromant - und damit für die Zwerge, die mitten in einer industriellen Revolution stecken, eine Bedrohung. Während Dampfmaschinen und Elektrizität den Zwergen Fortschritt und Wohlstand bringen, wird Magie verabscheut und im Falle von Drúdir gefürchtet. Also versteckt er seine Fähigkeiten, was umso schwieriger wird, da er sie dringend braucht, um den Mord an seinem Lehrmeister aufzuklären. "Drúdir" besticht insbesondere durch tolle Ideen wie einem demokratischen Zwergenstaat und starke, weibliche Nebencharaktere, die den schwermütigen Drúdir aktiv unterstützen.

(bestellbar bei Edition Roter Drache)

Nachdem ich die letzten Jahre überwiegend dystopische Science Fiction gelesen habe, genieße ich die Abwechslung durch bunte Space Operas wie "Feuerschwingen" von Sabrina Železný. Inkas im Weltraum klingt einfach herrlich skurril, auch wenn sich der Weltenbau leider auf wenige Planeten und Raumschiffe beschränkt. Die Autorin lässt den alten Konflikt zwischen Inkas und Iberern wieder aufleben und galaktische Ausmaße annehmen, während ihre Protagonisten Manco und Gonzalo nichts Geringeres als das legendäre El Dorado suchen. Vorurteile erschweren ihre Zusammenarbeit, umso schöner ist es zu lesen, wie sie diese nach und nach überwinden. "Feuerschwingen" punktet vor allem mit der Darstellung der Inka-Kultur und der langsamen Annäherung der Protagonisten, über die man anfangs noch schmunzelt und die man am Ende richtig ins Herz geschlossen hat. Achja, Killerlamas gibt es auch (Fanservice). (bestellbar beim Verlag ohneohren)

So, fürs Erste soll es das gewesen sein, demnächst folgen weitere Lesetipps aus der Kleinverlagsszene. Und denkt dran, wenn euch was interessiert, kauft möglichst direkt beim Verlag! :)

Viele Grüße von Eurer

Judith

Ausblick auf den Bücherherbst 2019

Liebe LeserInnen,

bereits Anfang des Jahres habe ich einen kleinen Ausblick auf das Bücherjahr 2019 gewagt, wobei entsprechend des frühen Zeitpunkts nur Titel aus dem Winter / Frühjahr dabei waren. Zwei davon sind bereits rezensiert: "Die Stadt der Symbionten" von James A. Sullivan sowie "Gold & Schatten - Das erste Buch der Götter" von Kira Licht. Auf "Miami Punk" von Juan S. Guse hatte ich mich besonders gefreut, allerdings liegt das Buch seit zwei Monaten bei mir und ich habe noch nicht einmal das erste Drittel gelesen. Thematisch hat mich der Roman sehr gereizt, wobei mir die hohe Seitenzahl zu Denken gab. Leider zieht sich das Buch tatsächlich in die Länge, was vor allem daran liegt, dass der rote Faden kaum erkennbar ist. Der Stil von Juan S. Guse ist detail- und abwechslungsreich inklusive einiger cooler Formulierungen, doch "Miami Punk" liest sich alles andere als flott weg. Ich lese jetzt erst einmal etwas anderes und kehre später zu diesem durchaus interessanten, aber gänzlich anders als erwarteten Roman zurück. "Nekkiri" von Alex Kühnert hat dagegen noch nicht den Weg in mein Regal gefunden, einfach, weil ich momentan wenig Lust auf diese Art von Fantasy habe, auch wenn ich die Idee nach wie vor spannend finde.

Da inzwischen beinahe alle Herbstvorschauen online sind, hat sich meine Wunschliste entsprechend erweitert. Insofern schiebe ich hiermit einen Ausblick auf den Bücherherbst 2019 nach ;-)

wasteland vogt"Wasteland" von Judith C. Vogt und Christian Vogt (Oktober 2019)

Ich mag den Stil und die Figuren von Judith und Christian Vogt unglaublich gerne, insofern bin ich froh, dass die beiden weiterhin sehr produktiv sind und nach dem grandiosen zweiten Band der "13 Gezeichneten" mit der "Mad-Max-Utopie" "Wasteland" im Herbst nachlegen. Die Autoren haben Mut zu ungewöhnlichen Settings und entführen die Leser diesmal in eine Dystopie, die gleichzeitig Utopie sein soll. Man fühlt sich tatsächlich an Mad Max erinnert, wobei "Wasteland" nicht in der Wüste spielt, sondern in einer tristen Zukunft, in der die Menschheit von einer Seuche dezimiert wurde und Protagonistin Laylay als Einzige immun zu sein scheint. Sie soll den Sohn einer alten Händlerin aus dem Ödland retten und kommt einem Geheimnis auf die Spur ... so weit, so gut, die Handlung klingt nicht neu, aber die Stärken von Judith und Christian Vogt sind ohnehin die Authentizität ihrer Charaktere und die dichte Atmosphäre, die mit vielen originellen Details besticht. Egal ob Eiszeit-Steampunk, römisches Sternenreich oder napoleonische Fantasy - als Leser versinkt man in ihren Welten und fiebert mit den Protagonisten mit (und steigert sich in den Hass auf die Antagonisten hinein).

neon birds"Neon Birds" von Marie Grasshoff (November 2019)

Mit Cyberpunk kriegt man mich eigentlich immer. "Neon Birds" bietet darüber hinaus einen gehörigen Schuss Solarpunk sowie skurrile Charaktere, wenn man dem angekündigten Klappentext glauben darf: "Ein Supersoldat, der seine glorreichen Tage hinter sich hat. Ein Träumer mit einem düsteren Geheimnis. Ein Untergrundkämpfer mit Todeswunsch. Eine Jägerin mit Verbindung zu einer dunklen Macht." Auch wenn da durchaus Klischees dabei sind, sind das doch Charaktere, die man in einem Cyberpunksetting wünscht. Dazu gibt es ein technisches Virus, eine mächtige KI, die über in Cyborgs verwandelte Menschen herrscht, und Supersoldaten, die diese Cyborgs abschlachten und dafür gefeiert werden. Im Prinzip ist also alles für einen temporeichen, dreckigen, moralisch fragwürdigen, schillernden Cyberpunkroman vorhanden. Da ich allerdings bisher nichts von der Autorin gelesen habe, bin ich gespannt, ob sie meine Hoffnungen erfüllt oder ob ich ähnlich wie bei "Miami Punk" erstmal umdenken muss ... unabhängig davon sind Titel und Cover schon mal geil. Übrigens ein Trilogieauftakt.

rebellion von laterre"Die Rebellion von Laterre" von Jessica Brody und Joanne Rendell (November 2019)

Als Planetary Romance fällt "Die Rebellion von Laterre" in mein Beuteschema, vor allem da ich ewig nichts in der Richtung gelesen habe. Auch wenn mich die Ankündigung "Les Misérables in einer mitreißenden Neuinterpretation" ein bisschen abschreckt. Ich schätze gute Liebesgeschichten, es darf auch gerne Drama sein, aber bitte nicht zu viel Kitsch und künstlich herbeigeführte Eskalation. Aber da ich beide Autorinnen noch nicht kenne, bin ich vorerst guter Dinge und lasse mich überraschen. Ich freue mich auf einen fremden Planeten mit archaischen Machtstrukturen, eine aufziehende Revolution sowie junge Charaktere aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Eine Diebin, eine Bibliothekarin und der zweifelnde Sprössling einer mächtigen Familie - das kann eine gute Mischung werden. Wenn das Setting dann auch noch gut ausgearbeitet ist, umso besser. Aber wie gesagt, ich kenne die Autorinnen noch nicht, kann es nicht einschätzen. Aber der Titel hat mich sofort fasziniert.

neptunation"Neptunation" von Dietmar Dath (September 2019)

Von Dietmar Dath wollte ich schon lange mal etwas lesen, schließlich klingen die Klappentexte immer interessant und der Autor wird von so manchem hochgelobt. Aber irgendwie sind die Titel immer an mir vorübergezogen. Mit "Neptunation" erscheint im September ein neuer Roman, dessen Cover an "Venus siegt" erinnert, weshalb ich mich spontan gefragt habe, ob ich "Venus siegt" gelesen haben sollte. Allerdings spielt "Neptunation" ín der nahen Zukunft und scheint ein Einzelroman zu sein. Kurz vor dem Ende des Kalten Krieges haben Sowjetunion und DDR ein Himmelfahrtskommande ins All geschickt. Über dreißig Jahre später begibt sich ein deutsch-chinesisches Team auf eine Rettungsmission. Hat diese überhaupt Aussicht auf Erfolg? Was finden die Astronauten in unserem Sonnensystem? Dietmar Dath wirft spannende Fragen auf ("Was hat Politik mit Schwerkraft zu tun?"), aber 688 Seiten schrecken mich etwas ab, vor allem da bereits einige andere ähnlich dicke Brocken auf meiner Wunschliste stehen. Dabei mag ich dicke Bücher eigentlich nicht, denn so viele Seiten muss man richtig ausfüllen.

Tja, irgendwie ist hier wenig Fantasy dabei, was vor allem daran liegt, dass ich mit der klassischen Fanatsy recht wenig anfangen kann. Ich mag lieber Urban Fantasy, aber das Genre ist (in Deutschland) gerade ziemlich tot und bei den wenigen Titeln ist kaum etwas dabei, das mich richtig anspringt. Doch es gibt zwei Ausnahmen:

schwarzer leopard roter wolf"Schwarzer Leopard, roter Wolf" von Marlon James (Oktober 2019)

Hier hat mich das Cover sofort angefixt - und die fast tausend Seiten zurücktaumeln lassen. Doch afrikanische Urban Fantasy klingt ungemein spannend, zumal der Roman sowohl hochgelobt als auch übelst zerrissen wurde. Auf dem Cover wird Neil Gaiman zitiert, der von einem "gefährlichen, halluzinatorischen, vergangenen Afrika" spricht und Autor Marlon James gar mit Tolkien vergleicht (wobei ich solche Vergleiche nicht mag und Tolkien trotz seines beeindruckenden Werkes nicht meinen Geschmack trifft). Die Handlung ist vergleichsweise simpel: Protagonist Tracker ist, wie sein Name schon verrät, Jäger und soll einen Jungen aufspüren. Sein Weg führt durch Wälder und Städte und er begegnet dabei Ausgestoßenen, Gestaltwandlern und Hexen. Es wird darauf ankommen, wie Marlon James seine Fantasy gestaltet, ob Setting und Figuren überzeugen und ob er so viele Seiten tatsächlich ausfüllen kann. Mal schauen, ob ich mich trotz des Umfangs heranwage. Hier würde ich tatsächlich mal zur Leseprobe greifen. Übrigens auch ein Trilogieauftakt ...

im schatten des fuchses"Im Schatten des Fuchses" von Julie Kagawa (September 2019)

Julie Kagawa ist eine Autorin, von der ich schon oft gehört, aber noch nie etwas gelesen habe. Viele ihrer Titel erschienen mir bisher zu mädchen- und klischeehaft, allerdings greift sie in "Im Schatten des Fuchses" japanische Mythologie auf, wofür ich als Mangafan fast immer zu haben bin. Protagonistin Yumeko ist Gestaltwandlerin (na, was wohl? Eine Füchsin natürlich) und soll in einem Kloster lernen, mit ihren Fähigkeiten umzugehen. Doch das Kloster wird angegriffen und die flüchtende Yumeko gelangt in den Besitz einer alten Pergamentrolle, die Teil einer uralten Beschwörung ist. Sie trifft auf den Samurai Tatsumi, der eben diese Pergamentrolle sucht - allerdings weiß er nicht, dass Yumeko sie hat. Und sie weiß nicht, welch tödliches Geheimnis Tatsumi bewahrt. Klingt nach einer typischen Jugendbuch-Liebesgeschichte, doch das japanische Setting könnte "Im Schatten des Fuchses" zu einer interessanten Lektüre machen.

Sicher habe ich noch nicht alles auf dem Schirm und ich denke, dass mich dieses Jahr noch ein paar Überraschungen erwarten werden. Vor allem bei den Kleinverlagen reicht die Vorschau oftmals noch gar nicht bis zum Ende des Jahres, sodass da sicherlich noch ein paar tolle Bücher dazukommen, die ich dann spätestens im Jahresrückblick erwähnen werde. Der Trend bei mir persönlich gehts zur Science Fiction und dieses Jahr bietet da gefühlt etwas mehr, auch von Autorinnen - wenn ich jetzt schreibe, dass es Zufall ist, das drei (von vier) meiner SF-Wunschtitel von Frauen sind, dann glaubt mir das keiner. Aber es ist so. Die Damen haben diesen Herbst die interessanteren Ideen ;-)

Viele Grüße von Eurer

- Judith

Verlage besuchen – Swantje bei Periplaneta und FISCHER Tor

Im Rahmen der Aktion „Verlage besuchen“ erlaubten zahlreiche Verlage Neugierigen einen Blick hinter die Kulissen. Ich habe zwei dieser Gelegenheiten wahrgenommen (wobei ich mich hinter den Kulissen von Periplaneta bereits vorher relativ gut auskannte).

Am 4.05. bot Periplaneta (Verlag, Buchladen, Lesebühne & Literaturcafé) ein umfangreiches Programm für seine Gäste an. Thomas Manegold, der als eines von nur drei festen Teammitgliedern Produktionsleiter, Projektmanager, Redakteur und Administrator ist, hielt einen Vortrag über die Arbeit des Verlags. Es folgte eine Lesung aus „Laut Los Zweifeln“, der neu erschienenen, den vorgetragenen Geschichten nach zu schließen sehr witzigen Bühnentextsammlung Matthias Niklas‘.

Im Anschluss hielt ich einen Vortrag darüber, was „Realismus“ bei Weltenbau und Charakteren in Fantasyromanen ausmacht. Darin ging es um die großen Zusammenhänge – Wie wirkt sich Magie auf die Wirtschafts- und Herrschaftsstrukturen einer Welt aus? Wie schaffe ich glaubwürdige fiktive Kulturen? Ist es wirklich glaubwürdig, wenn Werwölfe und Vampire, die sich ständig große Schnitzer bei der Geheimhaltung ihrer Existenz leisten, noch niemandem aufgefallen sind? – ebenso wie um die kleinen Details, z.B. wie sehr ein viktorianisches Kleid bei Karateschlägen tatsächlich im Weg ist. Für Letzteres konnte ich auf den aufschlussreichen Selbstversuch der Autorin Marie Brennan verweisen.

Nach mir war Ralph Mönius mit einer Lesung aus „Grimmatorium – Eine deutsche Chronik“ an der Reihe, einem Buch über eine schräge WG, in der neben Jakob und Wilhelm Grimm auch Frosch, Rapunzel und viele andere Märchenfiguren und „Wörter“ leben. Ralphs Lesung beinhaltete sogar einen musikalischen Teil, währenddessen er uns mehrfach daran erinnerte, dass wir uns vorstellen sollten, das Klavier, auf dem er sich bei einem Rap begleitete, sei eine Gitarre.

Später am Abend konnten Zuhörer bei der „Nacht der Drachenfliegerinnen“ neben den Bühnentexten von C.C. Holister („Inferno für Anfänger“), Bella Bender („Die artgerechte Haltung von Gedanken“, Alma Maja Ernst („Der kleine schwarze Vogel“) und mir („Drúdir") auch echter Gitarrenmusik lauschen – Singer-Songwriterin „She goes North“ ergänzte den literarischen Teil des Abends um berührende Musik.

Am übernächsten Tag öffnete FISCHER Tor seine Türen für Besucher*innen. Der zu den Fischer-Verlagen gehörende Berliner Verlag verlegt Phantastik in all ihren Spielarten, primär Übersetzungen aus dem Englischen. Fünf Mitarbeiter*innen erklärten den zahlreichen Interessierten im Schnelldurchlauf, wie der Weg von der Idee zum Verlag aussah, was es bei einem Cover zu beachten gilt (z.B. sollte, auch wenn die Covergraphik bei einem übersetzten Buch übernommen wird, die Position des Namens des/der Autor*in geändert werden, um deutschen Sehgewohnheiten zu entsprechen), was im Lektorat passiert, wie lange eine Übersetzung dauert (mindestens 2-4 Monate) und viel mehr.

Es gab auch einen Ausblick auf die Titel, die im Herbst erscheinen werden: Es werden mehrere dritte Bände erscheinen, z.B. von Bernhard Hennens „Die Chroniken von Azuhr“- und Jay Kristoffs „Nevernight“-Serie, aber auch Serienauftakte wie V.E. Schwabs Superheldenroman „Vicious“, dessen rotes Cover ein echter Blickfang ist. Ebenfalls geplant ist eine kommentierte Prachtausgabe von Bram Stokers „Dracula“, bei der mich bereits das englische Original überzeugen konnte. Einige von Leslie S. Klingers sachkundigen Anmerkungen sind genauso spannend wie der Text selbst.

In der großen Gesprächsrunde konnten die Besucher*innen dann allgemeinere Fragen loswerden, z.B. ging es im Gespräch um die Frage nach der Platzierung von „Young Adult“-Titeln in Buchläden oder kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland und den USA, die dafür sorgen, dass Titel wie N.K. Jemisins „Broken Earth“/„Zerissene Erde“ dort Sensationserfolge und hier eher Geheimtipps sind.

Bis zum 12.05. sind noch zahlreiche weitere Veranstaltungen im Rahmen von "Verlage besuchen" geplant, zum Beispiel Tage der offenen Tür bei Lyx oder Loewe. Eine Liste der teilnehmenden Verlage gibt es hier.

Swantje auf der Leipziger Buchmesse 2019

Während die Leipziger Buchmesse letztes Jahr im Schneechaos versank, ertappte ich mich am Donnerstag bei dem Gedanken, dass es ein Fehler war, vorsorglich mit Winterjacke und warmem Schal anzureisen, da ich zeitweise im T-Shirt draußen herumlaufen konnte. Allerdings lernte ich meine warme Kleidung zwischen Messe, Abendveranstaltungen und Unterkunft und auch am deutlich kühleren Sonntag wieder zu schätzen. Über dieses weitaus freundlichere Wetter als letztes Jahr freuten sich bestimmt die Cosplayer, die wieder in fantasievollen Kostümen, die das ganze Spektrum von absolut minimaler Bekleidung bis Ganzkörperrüstung oder -Fellanzug abdeckten, vor allem in Halle 1 strömten. Dort fand die Comiccon statt und es wurden Comics, Mangas, Fanartikel, Zeichenzubehör, japanische Süßigkeiten, Steampunk-Mode und noch viel mehr feilgeboten. Ich habe am Freitagmorgen dort vorbeigeschaut, war an den anderen Tagen aber davon abgeschreckt, wie voll und wuselig es in der Halle wurde. Da ich am Freitag etwas zu früh da war, stand ich mit vielen Gästen vor noch verschlossenen Glastüren und genoss die Atmosphäre der Vorfreude.

Meist war ich allerdings in der Phantastik-Ecke von Halle 2 unterwegs und nutzte es voll aus, dass ich als Autorin Zugang zur Lounge des Phantastik Autoren Netzwerks (PAN e.V.) hatte. Hier gab es Kaffee, Tee und von unermüdlichen Standhelfer*innen immer wieder aufgefüllte Schalen mit Snacks – vor allem aber viele großartige Gespräche. Natürlich entstanden dabei auch – nicht ganz ernstgemeinte – Plotideen: Sabrina Železný, die am Samstag aus ihrem „Inkapunk“-Roman „Feuerschwingen“ vorlas, möchte die Völkerfantasy um „Die Lamas“ erweitern, und ich habe mit Laura Dümpelfeld und Alessandra Reß (glaube ich) über das ultimative Phantastiksubgenre-Crossover „Zombie-Elfen im Weltraum“ gewitzelt.

Diese Leipziger Buchmesse stand ganz im Zeichen aktueller Debatten in der Phantastikszene. Drei Mitglieder des Nornennetzes hielten ein Panel zum Thema Diversität und Repräsentation in Phantastik und mussten dabei den Spagat dazwischen meistern, dass sie vor Menschen sprachen, von denen sich viele bereits eingehend mit dem Thema beschäftigt hatten, aber mindestens genauso viele eben noch nicht. Meiner Meinung nach ist ihnen das gut gelungen, weil sie zwar viele bekannte Punkte ansprachen, z.B. die Bedeutung von gründlicher, respektvoller Recherche, aber den Fokus weniger auf die in diesem Zusammenhang am häufigsten diskutierten Themen von sexueller Identität und/oder Orientierung und Ethnie gelegt haben, sondern ausführlich auf die Darstellung von Menschen mit Behinderung eingegangen sind.

Auch bei der Verleihung des „Seraph“, des Literaturpreises der Phantastischen Akademie, am Spätnachmittag wurde ein Thema angesprochen, das gerade viele Menschen in der Szene beschäftigt: die (noch ausbaufähige) Sichtbarkeit von Science-Fiction-Autorinnen. Der von Theresa Hannig initiierte und von vielen Autor*innen leidenschaftlich unterstütze Versuch, diese mit einer entsprechenden Wikipedia-Liste zu fördern, stieß auf verblüffenden Widerstand (und einige herablassende Kommentare) in der Wikipedia-Community. Das wurde natürlich nicht unkommentiert hingenommen, sodass dieses Thema gerade wohl nicht nur meinen Twitter-Feed dominiert und auf der Messe sehr präsent war.

Auf der Seraph-Shortlist machten Autorinnen allerdings mehr als zwei Drittel der Nominierten aus. Während beim Indie-Seraph mit „Hexensold“ und „Das Erbe der Rauhnacht“ von Birgit Jaeckel, das dann auch gewann, zwei düstere Märchen- bzw. Sagenadaptionen vertreten waren, waren viele der anderen Titel Science-Fiction-Romane oder Dystopien – und auch in den Regalen der Verlage sah es ganz so aus, als gäbe es neben einer kontinuierlichen Entwicklung zu Phantastik, deren Verfasser*innen zunehmend einen wachen Blick auf die politischen Implikationen ihrer Texte haben, auch wieder einen Aufschwung der Science Fiction. Außer Birgit Jaeckel gewannen Bernhard Hennen (Bestes Buch: „Die Chroniken von Azuhr – Der Verfluchte“) und Kris Bryn (Bestes Debüt: „The Shelter – Zukunft ohne Hoffnung“).

Wenige Stunden später lasen die drei Gewinner*innen im Werk zwei vor hunderten Zuschauern aus ihren Büchern vor. Ebenfalls auf der Bühne: etablierte Stars der Szene wie Kai Meyer, der mit „Das Fleisch der Vielen“ eine Horror-Geschichte vorstellte, die von dem Musiker ASP und dem Comiczeichner Jurek Malottke adaptiert wurde, oder Markus Heitz, der in „Die dunklen Lande“ die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges mit Fantasy- und Horrorelementen verflechtet. Monika Peetz, die ihre Schreibkarriere als Drehbuchautorin begann, stellte ihren Zeitreise-Jugendfantasy-Roman „Das Herz der Zeit“ vor, Lena Kiefer präsentierte ihre Jugenddystopie „Ophelia Scale – die Welt wird brennen“ und Maja Ilisch las den atmosphärischen Prolog zu „Die Neraval-Sage – Das gefälschte Siegel“ vor. Mit Maja konnte ich mich am übernächsten Tag ausführlich unterhalten. Wir sprachen unter anderem über eigenwillige Figuren, die Entstehung ihres Covers und die Schwierigkeit, unverkennbar zu kommunizieren, dass ein Charakter asexuell ist.

Der Messefreitag fand für mich mit der Lesung aus „Dunkle Ziffern“ einen sehr emotionalen Abschluss. Die von der Geschichte der Künstlerin Napolde inspirierte Anthologie ist ein Herzensprojekt der Herausgeberinnen Isa Theobald, Diana Kinne und Fabienne Siegmund. In Holger Kliemannel von „Edition Roter Drache“ fanden sie einen Verleger, der sich sofort für die Idee einer Benefizanthologie für die Opfer sexueller Gewalt begeistern ließ. Da viele der Autor*innen, die, teils schonungslos direkt, teils in phantastische Bilder verpackt, Geschichten von Traumata, aber auch deren Überwindung erzählen, selbst entsprechende Erfahrungen gemacht hatten, wurde es ein Abend voller Tränen und Umarmungen.

In Halle 5, in der neben viel politischer Literatur auch diverse Veranstaltungen für im Literaturbetrieb Beschäftigte (oder die, die es werden wollen) angeboten wurden, hörte ich mir am Samstag einen Vortrag zum erfolgreichen Bewerben auf Stellen in Verlagen und einen zum Urheberrecht an. Ich hatte auch Gelegenheit, ausführlich mit Jenny-Mai Nuyen zu sprechen, deren neuestes Buch, „Die Töchter von Ilian“, erst vor kurzem bei Fischer Tor erschienen ist. Am Abend war ich jedoch zu müde, um den Heyne-Fantasyabend an der Bahnhofsbuchhandlung zu besuchen, den ich eigentlich eingeplant hatte – schließlich wollte ich ja für meine Lesung am Sonntag ausgeschlafen sein.

Diese lief überraschend gut – mir wurden erst danach die Knie weich. Anschließend unterhielt ich mich noch lange mit Bernhard Hennen über Lesungen und das surreale Gefühl, wenn die Autor*innen, die einen einst für Phantastik begeistert haben, plötzlich Kolleg*innen sind. Dann folgten Abschiedsszenen, die mich ein wenig an den Brexit erinnerten: Ich verabschiedete mich vorsorglich von anderen Autor*innen, nur, um ihnen dann doch nochmal über den Weg zu laufen. Schließlich machte ich mich schwer beladen auf den Heimweg – obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich bei dieser LBM zurückzuhalten, hatten es dann doch vier Bücher und allerlei anderes in meine Tasche geschafft.