Winterwelt (Chuck Dixon, Jorge Zaffino)

winterwelt classic

Verlag: Cross Cult; (Februar 2015)
Gebundene Ausgabe: 152 Seiten; 18 €
ISBN-13: 978-3864255908
Genre: Dystopie


Klappentext

In einer zukünftigen Welt ist die Erdkruste mit Eis und Schnee überzogen. „Wärme“ ist ein Wort, das kaum mehr eine Bedeutung hat in dieser raubeinigen Welt, in der es ums nackte Überleben geht und die Zivilisation der Vergangenheit angehört. Der Händler Scully kämpft sich alleine durch – bis er Wynn und Rahrah begegnet. Und plötzlich geht es nicht mehr nur um sein eigenes Überleben.

WINTERWELT, geschaffen von Chuck Dixon und Jorge Zaffino, ist ein Comic-Highlight der 1980er. Nach rund 20 Jahren erscheint der Klassiker nun endlich in deutscher Sprache und beinhaltet neben einem Bonusteil zusätzlich das Sequel WINTERSEE.


Rezension

Es ist eine trostlose Welt, in der der Händler Scully mit seinem Dachs Rahrah durch die Gegend zieht. Mit seinem Kettenfahrzeug kämpft er sich durch den ewigen Schnee und das Eis, nur um an kleinen, gottverlassenen Orten Handel zu treiben. Menschen gibt es kaum noch und die allermeisten sind nur auf ihr Überleben bedacht und neigen dazu, sich alles mit brutaler Gewalt anzueignen.
In dieser Welt hat Scully bereits lange resigniert und die Hoffnung aufgegeben, die Menschheit könnte sich noch einmal erheben und zurück zur Zivilisation finden. Alles ändert sich, als er Wynn begegnet und sie aus den Händen einer Bande rauer Männer befreit. Ihre gemeinsame Reise dauert allerdings nicht lange an. Sie werden von Sklavenhändlern gefangen und an einen Ort gebracht, an dem sie für einen grausamen Bandenanführer auf Feldern in einem ehemaligen Stadion, das nun als Gewächshaus dient, arbeiten müssen. Scully gelingt die Flucht. Er müsste sich nicht um Wynns Schicksal kümmern, aber er geht zurück und hat sich zuvor Hilfe besorgt.
In Wintersee, der zweiten enthaltenen Geschichte machen sich Wynn und Scully auf die Suche nach Wynns Eltern, die von einer Insel stammen, auf der geradezu paradiesische Zustände herrschen. Ist es dort doch warm und es gibt genug Nahrung und vor allem höher entwickelte Technik. Aber selbst dort finden sie keine Ruhe, da auch andere Gruppierungen auf den Ort aufmerksam geworden sind.

Bereits weit vor The Walking Dead befasste sich Chuck Dixon mit dem Thema, was Menschen sich gegenseitig in Extremsituationen antun können - wozu sie in Extremsituationen fähig sind. Dazu brauchte er nicht einmal Zombies, bei ihm ist eine Naturkatastrophe für die postapokalyptische Zukunft verantwortlich. Eine Zukunft, die gar nicht mal so unrealistisch wirkt. Schließlich lässt die nächste Eiszeit bereits länger auf sich warten.
So ist es die Welt des Eises, die bei Dixon die Menschen wieder um Jahrhunderte zurückwirft und in eine Zeit fallen lässt, in der das Recht des Stärkeren und die Macht der Gewalt regiert. Die einstige Zivilisation scheint hinweggefegt und der Mensch nur noch auf das Überleben konzentriert, höhere Ziele sind scheinbar unwichtig geworden. Chuck Dixon erforscht so weit es in einer actionorientierten Handlung geht, wie das Leben in einer wortwörtlich eiskalten Welt aussehen könnte, was es mit den Menschen macht und wie sich die Menschheit entwickeln würden. Und sein Blick auf eine solche Zeit ist nicht gerade positiv. Die Menschen sind bei ihm nicht viel mehr als Tiere - mit etwas mehr Verstand. Selbst die später auftauchenden, zivilisierter wirkenden Menschen der Feuerinsel, sind letztlich nicht anders als die Barbaren auf dem Festland. Alle wollen nur eins: Überleben um jeden Preis. Chuck Dixon verpackt seine Gedanken in eine spannende Geschichte, die mit Scully einen Protagonisten besitzt, der nicht sympathisch ist, aber zu dem der Leser automatisch hält, scheint er nicht wie der Rest der Menschheit vom Wahnsinn befallen. Mit Wynn bekommt er im weiteren Verlauf sein weibliches Gegenstück an die Seite gestellt, wenn sie auch idealistischer als er selbst ist, den die Jahre allein in der Kälte zu sehr mitgenommen haben.
Sicher können Parallelen zu Mad Max oder anderen ähnlich gelagerten Geschichten gezogen werden, aber es fällt auf, dass Chuck Dixons Winterwelt bodenständiger wirkt. Er braucht keine Freaks oder Mutanten, der Mensch an sich reicht ihm, um ausreichend Gefahr für seine Protagonisten zu generieren. Die mögen zwar nicht ganz so ausgearbeitet sein, wie in einem anderen der mittlerweile vielen Genrevertretern, aber zu seiner Zeit war Dixons Ansatz wegweisend. Nicht umsonst erinnert so manches an The Walking Dead, welches erst sehr viel später seinen Weg in die Popkultur finden sollte.

Jorge Zaffina hat Chuck Dixons Geschichte in fesselnde schwarz-weiß Bilder gefasst. Seine Zeichnungen sind rau und kantig, genau wie die Charaktere und lassen die Kälte der Welt und des Eises spürbar werden. Er erschafft eine düstere, bedrückende Atmosphäre, die die Charaktere auslaugt und verroht, was in ihren Gesichtern deutlich abzulesen ist. Selbst so skurrile Einfälle, wie ein Skimmer in Schifform wirken nicht lächerlich, sondern absolut bedrohlich. Es mag vielleicht nicht immer die ganz hohe Kunst sein, aber sie ist genau richtig für diese dreckige, düstere Geschichte. Die Welt Winterwelts ist schroff und gefährlich und der zu früh verstorbene Jorge Zaffino fängt genau das ein.

Das Bonusmaterial ist umfangreich ausgefallen, mit dem Vorwort von Chuck Dixon zur 1988er Sammelausgabe, einer Galerie und einem sehr interessanten Nachwort von Christian Endres.


Fazit

Winterwelt ist eine Dystopie mit enormer emotionaler Wucht, wenn sich der Leser darauf einlässt. Aber auch als schonungsloser Blick auf die Menschen funktioniert Winterwelt wunderbar. Spannend, interessant, etwas kritisch und hart in der Action, legt Chuck Dixon das Wesen der Menschen offen.


Pro & Contra

+ geradlinig, spannend erzählt
+ logisch aufgebaut
+ die Welt des Eises ist ein eigener Charakter

Bewertung: sterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4,5/5

 

Tags: Dystopie, Winter, Eiszeit