Liebe LeserInnen,
in drei Wochen ist Weihnachten und auch wir überlegen, was wir unseren Liebsten schenken sollen. Für alle Bücherfreunde haben wir auch in diesem Jahr wieder ein paar Geschenktipps parat, den Anfang machen unsere Redakteurinnen Almut und Swantje:
Almut
2019 war, auch wenn es noch ein paar Tage dauert, ein Jahr, in dem die Bundesrepublik sich selbst auf Apokalyptik gebürstet und zugleich im aktuellen „Glücksatlas 2019“ der Deutschen Post als überaus glücklich deklariert hat. Was liegt da näher, als einen Geschenktipp für Weihnachten abzugeben, der dieses Spektrum abdeckt. Deshalb ist meine Empfehlung, und dies jenseits jeglichen vernünftigen Zweifels, „Schwarzer Leopard, roter Wolf“ von Marlon James. James erzählt eine Geschichte in einer Vielzahl von Geschichten, die Quest eines Ich-Erzählers mit dem sprechenden Namen Sucher. Eine sprachliche Herausforderung, überbordend imaginativ, voller schöner oder obszöner Sätze und Bilder, explizit in allen Darstellungsbereichen, Weltenbau vom Feinsten, eine Vielzahl fremdartiger Wesen. Tausendundeine Nacht afrikanischer Mythen und Legenden, erheblich gewalttätiger als die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Mit Charles Dickens und „Eine Geschichte aus zwei Städten“ gesprochen: Es ist das beste Buch, es ist das schlechteste Buch, eine Geschichte der Weisheit, eine Geschichte des Unsinns. Je nach Herangehensweise und Erwartungshaltung. Es ist ein Buch über das Licht und die Dunkelheit. Nun ja, meist über die Dunkelheit. Und es ist eins der besten Bücher des Jahres, oder seit langer Zeit.
Als weiteren Geschenktipp möchte ich einen Roman empfehlen, der gerade erschienen und auf Literatopia noch nicht rezensiert ist. John le Carré hat mit "Federball" ein Monster von einem politischen Thriller vorgelegt. Der 88-jährige Schriftsteller verpackt in eine Geschichte über das Wiederaufkeimen des Ost-West-Konflikts, auch bekannt als Kalter Krieg, eine scharfe und saubere Analyse Großbritanniens von heute: der Brexit, der Ausverkauf Londons durch Eliten an Oligarchen, das korrupte Netzwerk, das Superreiche aus dem Osten und Politiker aus England bilden. Le Carré lässt eine Figur äußern, dass die Briten von einem „Haufen reicher, elitärer Schwindler, die sich als Männer des Volkes gerieren, über die Klippe gescheucht“ werden. Der Inhalt ist mit geringen Anpassungen auf andere Länder übertragbar. Wen interessiert, warum beispielsweise Politiker nichts gegen offensichtliche Missstände und Fehlentwicklungen unternehmen, für den oder die ist dieser spannende und unterhaltsame Thriller ein schönes Geschenk.
Swantje
Ich war von Mark Lawrence’ „Book of the Ancestor“-Serie begeistert – und freue mich daher sehr, dass Fischer Tor sie jetzt als „Waffenschwestern“ („Red Sister“), „Klingentänzer“ („Grey Sister“) und „Schattenkämpfer“ („Holy Sister“) auch deutschen Leser*innen zugänglich macht. Es handelt sich um eine teilweise recht blutige Geschichte in einer apokalyptischen Welt, aber es gibt auch Hoffnung, tiefe Freundschaften und einprägsame (Frauen-)Figuren, deren Beziehungen zueinander so vielfältig sind wie sie selbst. Dazu kommt noch Mark Lawrence’ poetische Sprache.
Ich war ebenfalls von Judith und Christian Vogts Serie um „Die 13 Gezeichneten“ sehr angetan – Flintlock Fantasy ist ein Mini-Subgenre von dem ich gerne mehr sehen würde. Fans davon kann ich auch „Die tausend Namen“ von Django Wexler und die „Powder Mage“-Reihe von Brian McClellan empfehlen.
Darüber hinaus bin ich endlich dazu gekommen, einen Beinahe-Klassiker der Phantastik zu lesen: China Miévilles „Perdido Street Station“, der in eine originelle und beängstigende Fantasy-Metropole entführt. Ungewöhnliche Charaktere, ein Hintergrund voller politischer Spannungen, ein atmosphärisches Setting und unheimliche Antagonisten machen das Buch zu einem besonderen Leseerlebnis.
„Space Opera“ ist mit seiner schrillen Ästhetik das absolute Kontrastprogramm zum düster-industriellen New Crobuzon. „Der Eurovision Song Contest im Weltraum“ klingt erstmal wie eine alberne Idee, und das ist es auch. Trotzdem schafft es Catherynne M. Valente, einen völlig abgedrehten Plot voller absurdem Humor auch mit echten Emotionen und expliziten Bezügen zu politischen Missständen zu füllen.
Eine Sachbuch-Empfehlung wäre „Bullshit Jobs“ von David Gräber, der mit anschaulichen Beispielen die Frage stellt, welche der Jobs, denen Menschen einen Großteil ihres Lebens widmen, wirklich eine Berechtigung haben, und was es mit Menschen macht, wenn sie ihre Arbeit als sinnlos empfinden.
Wir wünschen allen eine besinnliche Adventszeit. Demnächst folgen weitere Geschenktipps von unserer Redaktion. Und natürlich lohnt es sich immer, auch die Tipps der vergangenen Jahre anzuschauen ;)
Viele Grüße von Eurem
LiteratopiaTeam
Geschenktipps 2011: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~ Teil 4 ~*~*~
Geschenktipps 2012: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~ Teil 4 ~*~*~
Geschenktipps 2013: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~ Teil 4 ~*~*~
Geschenktipps 2014: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~ Teil 4 ~*~*~
Geschenktipps 2015: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~ Teil 4 ~*~*~
Geschenktipps 2016: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~ Teil 4 ~*~*~
Geschenktipps 2017: ~*~*~ Teil 1 ~*~*~ Teil 2 ~*~*~ Teil 3 ~*~*~