Hallo zusammen,
der zweite Messetag begann für mich mit einiger Verzögerung, da mein ohnehin verspäteter Zug ca. 10 Minuten von Frankfurt einfach stehen blieb und untersucht werden musste, sodass ich über eine Stunde Verspätung hatte … den ersten Termin bei Droemer Knaur habe ich daher verpasst. Aber Eva Bergschneider von phantastisch-lesen.com war da, genauso wie bei unseren anderen Terminen. Denn der Freitag stand bei mir ganz im Zeichen der Phantastik.
Entsprechend konzentrierten wir uns bei Heyne auf die Science-Fiction- und Fantasy-Titel (während Jessica durch die Roman- und Thrillervorschau blätterte / die haben jetzt übrigens auch Bäume (siehe rechts), allerdings nicht so schöne wie der von Lübbe). Bei zwei Neuerscheinungen, die erst im nächsten Sommer kommen, habe ich mir ein Ausrufezeichen hingemalt, die da wären: „Robo Sapiens“ von C. Robert Cargill, eine gesellschaftskritische Zukunftsvision, in der es nicht etwa den typischen Konflikt zwischen Mensch und Roboter gibt, sondern zwischen Roboter und Roboter. Herausgestochen ist für mich auch „Die Siliziuminsel“ vom chinesischen Autor Chen Qiufan, der sich mit der Frage, was aus unserem ganzen Müll werden soll, beschäftigt. Für unsere Fantasyfans könnte die „Königsfall“-Trilogie von Jeff Wheeler interessant sein. Das Besondere daran: Man muss nicht lange auf die Fortsetzungen warten, sie erscheinen im Zwei-Monats-Rhythmus.
Den frühen Nachmittag verbrachte ich mit mehreren Autoren und gönnte mir zuerst mit James Sullivan Pommes (mit Bratensoße bei mir, Western Style bei ihm) – auf den Pizzastand mussten wir ja leider verzichten. Nachdem sich ein Vortrag als schnöde Fragestunde entpuppt hatte, stieß seine bezaubernde Frau Heike zu uns, sowie Judith und Christian Vogt, die sich ein wenig Zeit freischaufeln konnten. In kleiner Runde verbrachten wir den Nachmittag unter Bäumen (siehe Foto). Für mich der schönste Moment auf der Messe, weil mit anderen Phantasten quatschen können immer schön ist und ich nirgendwo hinrennen musste. Marie Mönkemeyer von den Teilzeithelden schaute auch noch kurz vorbei und twitterte abends fleißig über „Think Ursula“ (dazu kommen wir später).
In den vollen Gängen von Halle 3.0 traf ich mich noch mit Sefanie Mühlsteph, die mit „Game Over – You’re Lost“ gerade einen eSports-Thriller veröffentlicht hat – und gerne Rezepte aus Mangas nachkocht. Kira Licht, von der im Februar „Goldschatten“ erscheint, kam auch noch dazu – und andere Leute, die ich nicht kenne, aber das ist auf der Buchmesse normal. Ich habe auch gestern von einer netten Autorin einen Glückskeks geschenkt bekommen, habe sie aber noch nicht erwähnt, weil ich mir ihren Namen nicht gemerkt habe. Ich bin davon ausgegangen, dass Jessica sie kannte, aber Pustekuchen – also, unbekannterweise, danke für den Keks!
Bei Fischer TOR, deren erste Programme wirklich gelungen waren, gibt es leider wenige neue Titel und wie bereits im aktuellen Herbstprogramm vermisst man Originelles wie die Romane von Becky Chambers oder Annalee Newitz. Dennoch seien hier drei Neuerscheinungen erwähnt, die ihr euch anschauen solltet: Andreas Eschbach wagt sich an einen großen „Perry Rhodan“-Roman, der vor Beginn der Reihe spielt und somit auch für alle, die die SF-Saga nicht kennen, interessant ist. Jenny-Mai Nuyen kehrt mit „Die Töchter von Ilian“ in die Fantasy zurück und widmet sich den Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen – wir hoffen auf ein magisches Lesevergnügen mit Botschaft. Mit „Space Opera – Der metagalaktische Grand Prix“ erscheint von Catherynne M. Valente ein humorvoller SF-Roman, den man kurz mit „Eurovision Song Contest im Weltall“ umschreiben kann (wobei dem letzten Platz die Vernichtung seiner Spezies droht). Das kann ein außergewöhnlicher und wirklich lustiger Titel werden, das kann aber auch daneben gehen.
Abschließend waren wir beim Piper-Verlag, der wie in all den Jahren zuvor einiges an interessanten Fantasy- und SF-Titeln bot. Ich persönlich freue mich vor allem auf „Die Stadt der Symbionten“ von James Sullivan, der mir bereits beim Mittagessen ein bisschen davon erzählt (und mich sehr neugierig gemacht) hat. Der Roman bietet vieles, was mich begeistert: Implantate, Künstliche Intelligenzen und einen urbanen Schauplatz. Erwähnenswert ist hier außerdem „Der Besucher“ von Tyler R. Parsons, in dessen Roman ein im Weltall gestrandeter Mensch im Schwerefeld eines Alienschiffs mitreißen darf. Mit „Prophezeiungen für Jedermann“ gibt es einen spannenden neuen Titel von Nicole Gozdek („Die Magie der Namen“) und von Alexey Pehov erscheint mit „Tag der Geister“ ein neuer Reihenauftakt – und erstmals steht auch seine Frau mit auf dem Cover. Die beiden schreiben ja schon lange zusammen.
Think Ursula
"Wenn wir mit der Science Fiction etwas über die Zukunft aussagen wollen, dann brauchen wir viele Perspektiven, nicht den einzelnen Bestseller." (Judith Vogt)
Jetzt habe ich schon ziemlich viel geschrieben und komme jetzt erst zu „Think Ursula“ – endlich mal eine SF-Veranstaltung auf der Buchmesse! Eine, die schon im Vorfeld hohe Wellen geschlagen hat, weil man ausgerechnet bei einer Veranstaltung zu Ehren der großen Ursula K. Le Guin die Autorinnen in der Berichterstattung zuvor (und auf Plakaten) unterschlagen hat. Es wurden nur die "großen" Namen genannt und die restlichen Autoren gingen unter – aber jetzt mal ernsthaft, es waren acht Autoren und die kann man doch bitte alle erwähnen: Judith Vogt, Dmitry Glukhovsky, Theresa Hannig, Dietmar Dath, Andreas Brandhorst, Annette Juretzki, Bernhard Hennen und Jens Lubbadeh.
"Science Fiction ist von innen größer als von außen." (Dietmar Daht)
Die Veranstaltung begann mit einem Gespräch mit Karen Nölle, der Übersetzerin von Ursula K. Le Guin, welches ich leider größtenteils verpasst habe (Terminüberschneidungen), das aber jede Menge Publikum angelockt hat. Der Pavillon war fast voll. Zur Podiumsdiskussion war ich rechtzeitig da und bereits zu Beginn wurde deutlich, dass die beiden Moderatoren offenbar nicht gut vorbereitet waren. Die Autoren saßen in der ersten Reihe mit dem Rücken zum Publikum und sollten wohl nacheinander befragt werden. Auf Initiative von Judith Vogt zogen jedoch alle auf die Bühne um, sodass eine echte Diskussionsrunde entstand – zumindest optisch. Denn die Gesprächsführung war wirklich ausbaufähig, da überwiegend Standardfragen gestellt wurden und gerade die Autorinnen doch recht wenig zu Wort kamen. Theresa Hannig hat eine ganze Stunde lang keinen einzigen Satz gesagt und als man sie endlich ansprach, wurde sie nach 2-3 Sätzen bereits wieder abgewürgt. Einen Bernhard Hennen lässt man dagegen fünf Minuten alleine reden – und das geht jetzt nicht gegen Bernhard Hennen, dem man gerne zugehört hat. Das geht gegen die Moderatoren, die spürbar einzelne Autoren (alle männlich) mehr zu Wort haben kommen lassen. Auch von Anette Juretzki habe ich leider nur wenig gehört und auch eine Judith Vogt, die mit „Roma Nova“ gerade einen wirklich originellen SF-Roman veröffentlicht hat, musste sich um Gehör bemühen. Bleibt die Frage, woran liegt das? Ist das Denken, dass Männer mehr zu sagen haben, so in uns verankert, dass den Moderatoren gar nicht aufgefallen ist, dass sie die Damen der Runde ignorieren? Hat man sie (unbewusst) als weniger wichtig eingestuft? Eigentlich will ich hier nicht die Sexismus-Keule auspacken, weil ich es nach wie vor ganz toll finde, dass es überhaupt so eine Veranstaltung wie „Think Ursula“ gibt, aber wie kann man ausgerechnet bei einer Veranstaltung zu Ehren von Ursula K. Le Guin die Autorinnen so wenig zu Wort kommen lassen?
"Auch in einer Utopie wird man neue Utopien brauchen, nach denen die Menschen streben, um die Gesellschaft zu verbessern." (Theresa Hannig)
Aber auch für die männlichen Kollegen lief die Gesprächsführung suboptimal, da jeder eher für sich allein geredet hat und eine richtige Diskussion nur schwer in Gang kam. Als Zuschauer hatte man das Gefühl, dass die Moderatoren sich nicht ausreichend mit den anwesenden Autoren beschäftigt hatten und so wurde die Podiumsdiskussion etwas mühselig. Die Autoren haben mit ihren klugen Äußerungen vieles herausgerissen, ihnen allen hört man gerne zu und sie alle hatten wirklich etwas zu sagen, aber ich war doch ziemlich von dem dahinplätschernden Chaos auf der Bühne enttäuscht (vielleicht ist den Veranstaltern ja auch aufgefallen, dass sich nach einer Stunde die Zuschauerplätze sichtbar gelichtet haben).
So, jetzt habe ich mich ein bisschen ausgekotzt, aber ich hoffe dennoch darauf, dass es auch im nächsten Jahr eine Veranstaltung wie „Think Ursula“ geben wird, dann vielleicht mit mehr Autorinnen und mit mehr echter Diskussion statt vereinzeltem Fragenabarbeiten. Gerade in der Phantastikszene gehen wir doch sehr offen miteinander um, wir haben uns etwas zu sagen, also lasst die Autoren nächstes Mal auch reden und beschäftigt euch mit ihnen und ihren Werken.
"Wir als Science-Fiction-Autoren sind die Exoten. Und ich bin zutiefst überzeugt davon, dass wir als Gesellschaft diese Exoten brauchen." (Jens Lubbadeh)
Trotz diesem Ärgernis am Abend war es für mich ein wirklich toller Messetag voll interessanter Gespräche und erheiterndem Unsinn. Und einige spannende Titel fürs nächste Jahr habe auch entdeckt, was will man mehr? (Pizza …)
Viele Grüße
- Judith
(Judith Vogt eröffent die Podiumsdiskussion - die von den Moderatoren leider nicht gut vorbereitet war)