Liebe LeserInnen,
endlich ist er da, der wichtigste Monat für alle Bibliophilen in Deutschland – die Frankfurter Buchmesse 2014 steht vor der Tür und auch ein Teil der Literatopia-Redaktion wird sich nächste Woche aufmachen, um für euch mit den Verlagen über die kommenden Programme zu sprechen, live von der Messe zu berichten und vielleicht auch das eine oder andere Schmankerl zu ergattern. Bevor es jedoch losgeht, gibt es natürlich noch unseren Rückblick auf den September, der wieder vielseitig war. Heute präsentieren wir euch wieder die wichtigsten Rezensionen und liefern so vielleicht so manchen Wunschlistenzuwachs oder unterstützen einige Kaufentscheidungen. Viel Spaß!
Belletristik
Hinter einer wunderschönen Aufmachung verbirgt sich eine einfühlsame und traurige Geschichte – in "Das Reich der Tränen" befasst sich Janine Wilk mit dem Kummer eines heranwachsenden Mädchens, das sich mit Schwierigkeiten im Elternhaus auseinandersetzen muss und sich immer wieder in eine Fantasy-Welt flüchtet, wenn es mal wieder Ärger gibt. Eine wunderschöne Umsetzung eines ernsten und viel zu häufigen Themas, das nicht unbedingt für die Zielgruppe ab elf Jahren geeignet ist, aber von vielen Menschen gelesen werden sollte.
Eine schöne Geschichte für ein paar vergnügliche Stunden, ein etwas ungewöhnlicher Plot und merkwürdige Charaktere - der steife Erbsenzähler neben der Chaotin per se. In "Fräulein Schläpples fabelhafte Steuererklärung" von Catrin Barnsteiner, das Buch mit dem merkwürdigen Titel wird auf unterhaltsame Weise die Frage geklärt, ob die beiden wirklich zueinander passen. Am Ende ist man dann erstaunt, wie viel die beiden einander wirklich zu geben haben.
Historik
Mit "Der Berg" lässt Dan Simmons eines der großen Menschheitsabenteuer des zwanzigsten Jahrhunderts aufleben. Wie stets schafft er es, den Leser durch seine elegante und bildhafte Sprache direkt ins Zentrum des Geschehens zu holen. Leider will Simmons diesmal mehr als gut für die Geschichte ist und überfrachtet das schlichte und dennoch spannende Grundthema mit einer arg weit hergeholten Abenteuerkomponente.
Dark Fantasy
"The Farm" ist der Auftakt zu einer neuen, spannenden Trilogie, die sowohl jüngere wie auch ältere zu unterhalten vermag. Emily McKay nimmt bekannte Zutaten (Vampire, ein tödlicher Virus und die Menschheit am Abgrund), wandelt das Rezept allerdings ein wenig ab, so dass man sich auf einige Wendungen gespannt machen darf. Die gut ausbalancierten Charaktere, vorneweg Lily und ihre autistische Zwillingsschwester Mel, geben der Geschichte die passende Würze.
Mit "Geliebter Krieger" veröffentlicht Paige Anderson den Auftakt ihrer Saga um die Drachenkrieger. Stereotype Charaktere ohne Tiefe treffen auf eine schwache Handlung, wenn der attraktive Darian das hilflose Orakel Mercy aus den Klauen rotäugiger Monster befreit und so in eine Verschwörung stolpert. Die Liebesgeschichte steht eindeutig im Vordergrund, definiert sich aber über Unmengen an Sex und krankhaftem Besitzanspruch, der nahezu ohne Widerspruch bis hin zur Selbstaufgabe akzeptiert wird. Die übergroße Schrift sorgt so für schwache Unterhaltung zu überhöhtem Preis.
Fantasy
Mit dem Auftakt ihrer neuen Fantasy-Reihe bringt Lauren Kate eine innovative Idee und man merkt dem Buch deutlich an, dass sie sich im Vergleich zur Engels-Reihe enorm weiterentwickelt hat. "Teardrop" ist um einiges erwachsener und kann trotz einiger Schwächen mehr überzeugen. Lange Erzählpassagen lassen den Lesefluss zwischendurch immer wieder stocken, doch insgesamt macht das Forschen nach Eurekas Erbe Spaß und definitiv Lust auf mehr. Vor allem die letzten Seiten versprechen eine gute Fortsetzung und lassen den Leser hoffnungsvoll und ungeduldig zurück.
Michael J. Sullivan setzt mit "Der Turm von Avempartha" seine Reihe rund um das Gaunerduo Hadrian und Royce stimmig fort. Auch diesmal gibt es ein paar kleine Schwächen, über die man aber problemlos hinwegsehen kann, denn die Abenteuer der beiden Auftragsdiebe sind spannend, unterhaltsam und machen einfach Spaß.
Horror / Mystery
Mit "Im Herzen die Rache" startet die Furien-Trilogie direkt mit einem reißerischen Thema, das sicher viele jugendliche, aber auch erwachsene Leser beschäftigt – was passiert, wenn man einen Fehler begeht, den man nicht wieder gut machen kann? Einen Fehler, den man zwar bereut, man aber auch irgendwie weiß, dass Reue nicht genügt? Elizabeth Miles verpackt das Thema in einer interessanten Geschichte, die ein wenig nach dem Schema GossipGirl aufgebaut ist, dieses aber mit mystischen Legenden verbindet. So wird das Ganze zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, nach welchem man so manches zwei Mal überdenkt, bevor man tatsächlich handelt.
Science Fiction
"Steampunk Akte Deutschland" bietet reichlich Abwechslung und einige Perlen, die gerne den Umfang eines Romans hätten haben dürfen. Wo man sich auf der einen Seite kaum satt lesen kann, gibt es auf der anderen Seite jedoch auch Beiträge, die im Vergleich belanglos und blass daherkommen. Insgesamt wären weniger Geschichten (mit mehr Raum zur Entfaltung) besser gewesen. Nichtsdestotrotz eine schöne Steampunk-Anthologie, die mit ihrer liebevollen Gestaltung überzeugt und zum Schmökern einlädt.
Als Hard Science Fiction ist "Schwerkraft" sicherlich nicht für jedermann geeignet. Der dreiteilige Zyklus erzählt Geschichten von anderen Planeten, die die Menschen aufgrund interessanter physikalischer Eigenschaften untersuchen möchten. Hal Clement beschreibt diese Planeten und ihre Lebewesen, legt dabei aber großes Gewicht auf die naturwissenschaftlichen Erklärungen dahinter und erklärt so Wetterverhältnisse, geographische Besonderheiten oder physikalische Vorgänge. Dies und der leicht angetrocknete Stil trüben den Lesespaß der Geschichte. Interessante Unterhaltung auf hohem Niveau.
Thriller
Was würde passieren, wenn sich die Genforschung soweit entwickeln würde, dass es irgendwann tatsächlich überlebensfähige menschliche Klone gibt? Und was würde passieren, wenn im Zuge dieser Forschung die DNA von den schlimmsten Serienmördern der Geschichte in die falschen Hände gerät? In "Verdorbenes Blut" wird diese Idee in einen teilweise sehr wissenschaftlichen, definitiv extrem blutigen und durchweg rasant erzählten Thriller gepackt, der für atemlose und gänsehautreiche Stunden sorgt. Von Geoffrey Girard hat man mit Sicherheit nicht das letzte Mal gelesen und vielleicht versucht er bei seinem nächsten Buch, etwas weniger Fachchinesisch zu nutzen und dafür lieber seinen Charakteren ein wenig mehr Tiefgang zu geben.
Mit "Mr. Mercedes" hat Stephen King einen Polizei-Thriller geschrieben, der frei von übernatürlichen Momenten ist. Der Protagonist, ein pensionierter Cop, und sein Antagonist, ein Massenmörder und Muttersöhnchen der besonderen Art, bekämpfen einander in einem Wettlauf gegen die Zeit. Ein nachvollziehbares Szenario, gute Charakterbeschreibungen, dynamische Dialoge und gelegentliche Weitschweifigkeit bestimmen Mr. Mercedes, der zu den guten Büchern Stephen Kings gehört.
Comic
"Mutter Krieg" von Kris und Maël sorgt für ein Gefühl der Beklommenheit und Betroffenheit und hallt lange in den Gedanken des Lesers nach. Eine bessere Empfehlung kann es bei diesem Sujet nicht geben. Wer sich dieses Jahr nur ein Buch oder einen Comic kaufen will, sollte hier unbedingt zugreifen.
"Daredevil – Endspiel" ist der sehr gute Abschluss einer Phase in Matt Murdocks Leben. Spannend und actionreich lassen Mark Waid und Chris Samnee Daredevil sein Endspiel unterhaltsam hinter sich bringen. Auf jeden Fall ist dieser Band für jeden Leser eine Empfehlung wert.
Manga
"Oh mein Gott" von Tooko Miyagi ist ein humorvoller Manga, voller sympathischer Charaktere, die viel Chaos verbreiten und dabei eine interessante und neue Geschichte erzählen.
"Tokyo Ghoul" überrascht als ernsthafter Horror-Manga, der die Verwandlung des Studenten Ken in einen menschenfressenden Ghul glaubhaft und stimmungsvoll inszeniert. Anfangs lehnt Ken sein neues Wesen vollkommen ab, was auch an blutigen Auseinandersetzungen mit anderen Ghuls liegt, doch letztlich muss er einen Weg finden, mit dem umzugehen, was er ist. Am Ende gibt es schließlich einen Lichtblick für ihn, mit dem Sui Ichida dem Leser Hoffnung auf eine spannende Reihe mit ordentlich Substanz und echtem Gruselfaktor macht.
Sachbuch
"Das Simpsons-Syndrom" ist ein medizinischen Sachbuch der besonderen Art: Mit einer großen Portion (Galgen-)Humor erzählt Bettina Balbutis von skurrilen Krankheiten, die sie hervorragend erklärt und in persönliche und höchst amüsante Geschichten aus dem täglichen Klinikwahnsinn verpackt. Da werden nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der Verwandt- und Bekanntschaft Diagnosen gestellt. Und auch die Autorin selbst ist nicht vor bizarren Syndromen gefeit. Zwar kennt man die eine oder andere Kuriosität, doch selten wurde man damit so gut unterhalten wie hier.
"Konzentriert Euch!" hat seine Momente, in denen interessante Forschungsergebnisse gut nachvollziehbar vermittelt und in ihren Anwendungsmöglichkeiten durchgespielt werden. Als Kombination aus Achtsamkeits- und Managementliteratur vermittelt das Buch im Grenzfall Gedanken zu einer Problemkonstellation, in der der Leser lernt, im Wirtschaftsleben nicht mehr wie ein Esel der unerreichbaren Möhre vor der eigenen Nase nachzujagen, sondern seine Mitarbeiter so zu motivieren, dass sie die eigene Möhre für erreichbar halten und er selbst davon noch Vorteile hat. Daniel Goleman verliert nie die Nutzen stiftende Anwendung (Management, Verbesserung individueller Performance u. ä.) aus dem Fokus.
Sonstiges
"Des Schrecklichen Anfang" ist ein phantastisches Werk über den Sterbeprozess Gottes, ein Drama für die Welt und eine persönliche Katastrophe für die Engel. Der ungewöhnliche Erzählstil von Christian Damerow und die Komplexität des Romans erfordern konzentriertes und interessiertes Lesen, das über den reinen Text hinausgeht. Zu diesem Buch kann und muss man sich Gedanken machen. Wer dazu bereit ist, kann sich auf ein besonderes Leseerlebnis freuen, inklusive Fassungslosigkeit und Aha-Erlebnis.
Ja, das war der September auf Literatopia – ähnlich wie der Herbst bunt und vielseitig. Wie immer seid ihr herzlich eingeladen, euch in unserem Rezensionen-Archiv umzuschauen, wo inzwischen mehr als 2.600 Besprechungen darauf warten, von euch gelesen zu werden. Auch im Oktober wird die Redaktion wieder fleißig lesen und schreiben, um euch aus allen Genres fundierte Rezensionen zu liefern.
Wir wünschen euch einen lesereichen Oktober,
vielleicht sieht man sich ja auf der Buchmesse,
euer Literatopia-Team